Interview mit Brett Steenberger
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FRAGE: Brett, in den USA sind Sie eine Koryphäe der Börse. In Deutschland sind Sie bis jetzt nur bei Experten bekannt. Stellen Sie sich doch bitte den Deutschen Lesern vor.
Brett: Ich bin klinischer Psychologe und habe knapp 20 Jahre an der Syracus Upstate Medical University in New York unterrichtet, wo ich auch heute noch sehr aktiv bin. Während meiner akademischen Tätigkeit habe ich mich auch der Börse gewidmet: Strategien entwickelt und geprüft und den S&P 500 von meinem Büro aus getraded. Ich habe unzählige Trader kennen gelernt und hatte das Privileg mit diesen fabelhaften Menschen zusammenarbeiten zu dürfen. Ich lernte viel von Ihnen, aber besonders wichtig war für mich zu sehen, wie sie mit ihren Emotionen umgingen. Im Jahr 2004 bot man mir an „Director of Trader Development“ bei Kingstree Trading LLC, einer Prop-Trading Firma, zu werden. Seither arbeite ich mit vielen Tradern dieser Firma zusammen, insbesondere während sie handeln. Es ist eine einzigartige Sache, wenn man mit äußerst motivierten und erfolgreichen Tradern zusammenarbeitet und selbst sieht, was diese Trader von den vielen anderen unterscheidet.
FRAGE: Wie kamen Sie denn mit der Börse den überhaupt in Berührung?
Brett: Meine „Trading-Karriere“ begann schon in der achten Klasse, als mein Lehrer einen Trading-Wettbewerb veranstaltete, der mit einer Hausaufgabe verbunden war. Ich musste einen Aktien-Broker über seine Arbeit befragen. Mit dem Handel begann ich in den 70er Jahren, konzentriere mich aber erst mit dem Ende der 90er Jahre sehr intensiv mit der Börse.
FRAGE: Leben Sie heute vom Eigenhandel?
Brett: Ich habe leider feststellen müssen, dass es fast unmöglich ist profitabel zu traden und nebenher noch mit den vielen Tradern zu kooperieren. Weiters wollen Trader keine Markteinschätzungen oder Aktientipps von mir, während ich sie beim Handel unterstützte. Also, wenn ich mit Tradern zusammenarbeite dann handle ich auch nicht. Wenn ich jedoch nicht mit Tradern zusammenarbeite, dann handle ich beinahe ausschließlich den S&P500 – jedoch hauptsächlich in den Morgenstunden.
FRAGE: Was ist denn Ihr Handelsansatz? Was ist beispielsweise die durchschnittliche Haltedauer einer Position?
Brett: Seit die Volatilität im S&P so niedrig ist, habe ich meinen Handelsansatz an diese neuen Marktverhältnisse anpassen müssen. Ich handle jetzt auch ganze Swings, die einige Stunden dauern können. In der Vergangenheit habe ich eine Position nur 20-Minuten – wenn überhaupt – gehalten. Ich habe das Gefühl, dass es bei geringer Volatilität zu mehr Marktrauschen und unklaren Signalen kommt. Ich denke, dass eine ausgedehnte Haltedauer diesem Rauschen gut entgegensteuern kann.
Bevor der Markt eröffnet, stelle ich statistische Untersuchungen an, die mir die statistisch größte Wahrscheinlichkeit für eine Marktbewegung für einen bestimmten Handelstag berechnet. Diese veröffentliche ich auch auf meinem Blog (http://www.traderfeed.blogspot.com/). Beispiel: Gestern haben die statistischen Untersuchungen ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch war, dass die Tiefststände des Nachthandels gebrochen werden, obwohl wir zur Handelseröffnung schon einiges an Plus verzeichnen konnten. Ich habe dann abgewartet, dass die Bullen die Kaufaufträge aufstocken ohne dabei den Kurs nach oben drücken zu können, und damit ein Doppeltop ausgebildet wurde. Ich habe deren Kaufdrang geshortet und bis in den Nachmittag gehalten – für 6 Punkte Gewinn im S&P Future.
So handle ich derzeit. Eine gute Idee, ein guter Trade pro Tag. Wenn ich versuche aktiver zu handeln, dann handle ich mit einer geringeren Gewinneintrittswahrscheinlichkeit – und ich beginne zu verlieren. Trading mit dem man Geld verdienen kann, und Trading für Spaß und Aufregung, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich habe ein großes Poster bei mir im Büro hängen, auf dem man einen Scharfschützen in der Natur lauern sieht. Er trägt am ganzen Körper Tarnkleidung und ist kaum von seiner Umgebung zu unterscheiden. Er hat einen Adlerblick, die Augen zusammengekniffen und wartet auf die goldene Gelegenheit. Beim Trading möchte ich genau so sein.
FRAGE: Was ist ihre durchschnittliche „R Value“? Will sagen, wie viel Prozent ihres Portfolios riskieren Sie pro Trade?
Brett: Seit das Marktrauschen so dominant geworden ist, handle ich nicht nur weniger, sondern gebe auch meinen Stopps etwas mehr Spielraum als zuvor. Ich riskiere auch in solchen schwierigen Zeiten weniger als 1% meines gesamten Portfolios für Intraday-Trades. Bei Swing-Trades sind es maximal 2%. Ich mag die Flexibilität, die man dadurch gewinnt, wenn man bei einem großen Account nur mit kleinen, dafür aber vielen Beträgen arbeitet. Für mich als das risikoaverse Person ist das ideal, da mir viel Stress erspart bleibt. Ich kann viele Verlusttrades hintereinander haben, ohne einen wirklichen Schaden davontragen zu müssen. Ich habe unlängst einen Artikel darüber veröffentlicht, dass das Risk-of-Ruin selbst bei einer positiven Gewinnerwartungswahrscheinlichkeit omnipräsent ist. Wenn man Positionen nicht richtig proportioniert können sie sehr leicht Schaden an Depot und Psyche anrichten. Vergessen Sie nicht: Sie müssen 100% verdienen, wenn Sie 50% verloren haben – nur um wieder eine schwarze Null schreiben zu können. Mit meinem Position-Sizing Ansatz und meinem Tradingansatz habe ich die Möglichkeit auf einen „Home-Run-Trade“ quasi ausgeschlossen. Eine einzelne Position kann das Depot weder zerstören, noch in luftige Höhen tragen. Doch auch die Handelsgebühren habe ich auf ein Minimum beschränkt und große Verlierer gab es auch keine zu verzeichnen. So kann ich auch noch mit 51 Jahren in diesem knallharten Geschäft überleben!
FRAGE: Trading kann wahrlich eine sehr stressige Angelegenheit sein. Mit welchen Techniken sollte man den Stress bekämpfen bzw. erst gar nicht auftreten lassen?
Brett: Wie man aus meiner vorigen Antwort vielleicht schließen kann ist adäquates Money Management wahrscheinlich die beste Medizin. Weiters habe ich immer Dinge im Leben, die mir viel wichtiger als Trading sind. Eine Familie, eine Karriere als Psychologe, und Lernen als Erfahrung. Ich bin sozusagen psychologisch diversifiziert – das ist ebenso wichtig wie die Portfolio-Diversifikation. Zusätzlich habe ich mehrere Einnahmequellen. Ich mag Trading, besonders wenn unterm Strich etwas mehr rausschaut. Doch selbst wenn ich jeden Pfennig an der Börse verliere, werde ich weiterhin mit meiner Familie in meinem Haus wohnen. Ich handle nur mit Geld, das ich mir leisten kann zu verlieren. Das verhindert jeglichen Stress.
FRAGE: Was ist der am meisten verbreitete Fehler, den Sie bei Tradern ausmachen können?
Brett: Die Positionen sind zu groß und die Handelsfrequenz ist zu hoch – relativ zu deren Depots. Dadurch erlaubt dem Depot enorme Achterbahnfahrten zu unternehmen: vom Profit in den Verlust und wieder retour. Das ist auch emotional nicht leicht hinzunehmen. Man sagt immer, dass Emotionen den Handel manipulieren. Ich denke das schlechtes Trading, also schlechtes Money Management und keine Strategie, der Grund für emotionale Turbulenzen sind.
FRAGE: Bei manchen Leuten ist das Thema „psychologische Betreuung“ negativ stigmatisiert. Denken sich bei Tradern und Menschen im Allgemeinen aufgrund dessen Probleme in deren Leben nur noch mehr manifestieren und verfestigen?
Brett: Ja, das kommt vor. Aber ich habe auch schon das Gegenteil passieren gesehen: Menschen sind zu sehr gewinnorientiert. Viele unterlassen es sich ihr eigenes Trading anzusehen und es auf Stärken und Schwächen hin zu untersuchen. Ich denke nicht, dass alle Trader die unter Stresssymptomen leiden sofort einen Psychiater aufsuchen sollten. Sie sollten jedoch wissen wie sie diesen Stress vermeiden bzw. gar nicht erst auftreten lassen.
FRAGE: Gibt es bestimmte Persönlichkeitstypen, die für das Trading mehr „gemacht“ sind, als andere?
Brett: Natürlich. Menschen mit überschwänglichen Optimismus und/oder überdurchschnittlichen Selbstvertrauen tendieren dazu übermäßige Risiken einzugehen. Menschen die oft emotional oder impulsiv agieren und reagieren haben die schlechtesten Karten. Doch neben alle dem sei noch gesagt, dass eine Person alle guten „Charaktereigenschaften“ eines Traders besitzen kann und trotzdem verliert – wenn man sich keine Tradingstrategie zurecht gebastelt hat. Und das braucht Zeit. Man braucht Zeit, um ein professioneller Golfer, Musiker oder Arzt zu werden. Warum sollte das auf Trader nicht zutreffen?
FRAGE: Was würden Sie Trading-Beginnern jetzt empfehlen? Den Lesern, die jetzt am Anfang einer langen Reise stehen – und vielleicht noch gar nicht so genau wissen, was sie erwartet…
Brett: Ich würde Anfängern raten noch nicht zu traden. Leute die Klavier spielen lernen geben keine Konzerte in der ersten Woche. Junge Ärzte lernen und studieren tausende von Seiten bevor Sie jemals ein Skalpell ansetzen. Anfänger haben in allen Gebieten des Lebens eine Lernkurve zu durchlaufen. Sobald Sie mit dem Trading beginnen ist es keine Generalprobe mehr. In dieser Sekunde treten Sie gegen die besten der Besten aus New York, Chigaco, London, Tokyo oder Frankfurt an. Bevor Sie den ersten Kontrakt handeln, müssen Sie sich mit der Thematik vertraut machen. Lernen, lesen und auch simuliertes Trading, sprich Paper-Trading. Und Sie müssen dann auch einige Zeit mit einem Kontrakt handeln, bevor Sie die Kontraktanzahl aufstocken. Wenn man versucht einen Abschneider auf der Lernkurve zu nehmen, so hat sich das in der Vergangenheit selten als gute Idee erwiesen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Quelle: www.TradersJournal.de
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