Kommentar
18:00 Uhr, 25.09.2020

Inflationsziele: Wirksam oder Unsinn?

Inflationsziele sind eine relativ neue Erfindung der Notenbanken. Die Wirksamkeit ist umstritten. Zeit, Bilanz zu ziehen.

Die US-Notenbank und ihr Inflationsziel erhalten viel Aufmerksamkeit. Dabei ist die Fed eine der letzten Notenbanken gewesen, die überhaupt ein Ziel eigeführt haben. Erst unter Ben Bernanke im Jahr 2012 wurde formal ein Ziel von 2 % beschlossen. In den meisten anderen Regionen war man da deutlich schneller. Die EZB hat seit Einführung des Euro ein Ziel von nahe, aber knapp unter 2 % (Grafik 1).


Gemessen an der gesamten Historie der US-Notenbank, die 1913 gegründet wurde, ist die Inflationspolitik noch sehr neu. Es fällt aber auf, dass die Inflation vor allem bis Ende der 40er Jahre großen Schwankungen unterworfen war. Während der beiden Weltkriege stieg die Inflation. Da sich die Wirtschaft sehr einseitig ausrichtet sind Kapazitäten an anderer Stelle knapp. Die Inflation steigt.
Zwischen den Weltkriegen führte die Große Depression zu stark fallenden Preisen. Im Vergleich dazu war erst die hohe Inflation in den 70er Jahren und dann fallende Preise zur Zeit der Finanzkrise kein Ereignis, das der Rede wert ist. Trotzdem machen sich Notenbanken große Sorgen.

Inflationsziele wurden von den ersten Ländern eingeführt, um die Inflation zu senken. Chile war eines der ersten Länder. Die Inflation war hoch und sollte langsam Richtung 3 % sinken. Das 3 %-Ziel gilt seit 20 Jahren. Chile war in der Umsetzung sehr erfolgreich.

Im Prinzip kann man das auch von Neuseeland und Großbritannien sagen (Grafik 3). Neuseeland war das erste Land, das formal ein Inflationsziel einführte. Es liegt seit Beginn bei 0-2 %. In Großbritannien lag die obere Grenze zunächst bei 4 %, wurde dann Ende der 90er Jahre auf 2,5 % gesenkt und seit Ende 2003 gelten 2 %.

Egal welchen Zeithorizont man betrachtet, das Inflationsziel scheint gewirkt zu haben. Seit Einführung ist die Inflation deutlich stabiler und moderater. Daher sind viele der Meinung, dass Inflationsziele eine Wunderwaffe sind. Sind sie nicht.

Es wird gerne Korrelation und Kausalität verwechselt. Die meisten Inflationsziele wurden erst eingeführt, als die Inflationsrate wieder moderat war. Andere Faktoren haben die Teuerung beeinflusst und Richtung 2 % getrieben.

Notenbanken haben heute sehr viel bessere Instrumente zur Verfügung als vor 100 Jahren. Geldpolitik ist ausgeklügelter und vorhersehbarer. Das hat zweifellos zur Stabilität beigetragen. Inflationsziele scheinen hingegen relativ wenig bewirkt zu haben. Stattdessen kann man die Mäßigung der Inflation auf andere Trends zurückführen.


Die Zeit moderater Inflation fällt mit mehreren Trends zusammen: Überalterung, Globalisierung, Überfluss an Rohstoffen. Dem Inflationsziel wird gerne die Moderation zugeschrieben. Das ist eine schöne Geschichte, aber wohl weit entfernt von der Realität. Daher ist es besorgniserregend, dass sich Notenbanken derzeit so sehr auf Inflationsziele als Instrument verlassen.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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