Kommentar
11:22 Uhr, 04.10.2017

Inflation in Wahrheit schon bei 3%?

Notenbanker rund um den Globus haben immer noch Albträume. Das Schreckgespenst: zu niedrige Inflation. Was aber, wenn sich die Notenbanker komplett irren?

Inflation bleibt ein Dauerbrenner für Notenbanken. Janet Yellen bezeichnete die niedrige Inflation im September noch als Mysterium. Das war vermutlich eine Übertreibung, denn so mysteriös ist das alles nicht. Man muss sich ja nur die Rohstoffpreise ansehen. Diese sind im Vergleich noch immer niedrig. Daran ist gar nichts mysteriös.

Grundsätzlich versuchen Notenbanken vorübergehende Faktoren zu ignorieren. Vorübergehend sind etwa die starken Schwankungen des Ölpreises. Als der Ölpreis ab Herbst 2014 zu fallen begann, schwappte eine desinflationäre Welle über die Welt. Jeder wusste, dass das nicht ewig so bleiben würde, doch darüber hinwegzusehen fiel den meisten Notenbankern schwer.

In den USA liegt die Inflation wieder bei knapp 2 %. Das sollte eigentlich Grund zur Freude sein. Es gibt dabei nur ein Problem. Die Kerninflation zieht nicht mit. Diese sank im August sogar noch etwas weiter. Die Kerninflation soll dabei helfen, die „wahre“ Inflation zu erkennen, also die vorübergehenden Faktoren auszuklammern.

Traut man der Kerninflation, so muss man feststellen, dass sich zwar die Inflation wieder nach oben schiebt, doch bei gleichzeitig fallender Kerninflation ist dies lediglich vorübergehenden Faktoren geschuldet. Inzwischen ist die Kerninflation in den USA fast wieder so niedrig wie 2013 (Grafik 1). Das bereitet vielen Notenbankern Sorge.

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Diese Sorge ist nicht nur unbegründet, sondern auch fahrlässig. Die Kerninflation ist kein guter Maßstab für die zugrundeliegende Inflation. Zwar werden schwankungsanfällige Güter wie Energie und Nahrungsmittel nicht berücksichtigt, doch genau diese Komponenten schleichen sich auf indirektem Wege wieder in die Daten ein.

Nur, weil z.B. Ölprodukte nicht direkt berücksichtigt werden, haben sie trotzdem einen Einfluss. Güter müssen transportiert werden. Transportkosten haben teilweise einen hohen Anteil an den Gesamtkosten einer Ware. Das macht sich auch in der Kerninflation bemerkbar. Sie reagiert auf Schwankungen von Rohstoffpreisen genauso wie die Inflation, nur weniger stark ausgeprägt und etwas langsamer.

Die Kerninflation ist aus diesem Grund kein guter Maßstab. Die New Yorker Notenbank hat dafür eine Lösung. Sie berechnet die zugrundeliegende Inflation (Unterlying Inflation Gauge – UIG) nicht über das Konzept der Kerninflation, sondern ganz anders. Es gibt zwei Berechnungsmethoden. Eine berücksichtigt nur Preistrends (in Grafik 2 als Preisindex dargestellt). Die andere berücksichtigt auch Daten, die sonst gar nicht zur Inflationsberechnung herangezogen werden. Dazu gehören etwa der Goldpreis, Wechselkurse, Geldmengen und Wirtschaftsaktivität.

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Die UIG beobachtet ebenfalls die Preisentwicklung, aber nicht nur. Vielmehr geht es darum die Ursachen zu bestimmen, die die Preise treiben. Während die Inflation lediglich eine Beobachtung der Effekte (Preisentwicklung) ist, berücksichtigt die UIG die Ursachen. So lassen sich sehr viel akkurater vorübergehende Effekte ausklammern.

Das Ergebnis ist durchaus beeindruckend. Grafik 2 zeigt den Vergleich der UIG mit der Kerninflation. Diese sinkt, doch die UIG zeigen nach oben. Das sollte eigentlich zuversichtlich stimmen. Die Kerninflation und auch die Inflation (Grafik 3) weichen zwar kurzfristig von den UIG ab, doch mittel- bis langfristig sind alle vier Maßstäbe fast gleich.

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Die UIG sind aktuell das beste Maß für die unterliegende Inflationsrate, die vorübergehende Faktoren ausklammert. Demnach haben die USA bereits jetzt eine Inflationsrate von knapp 3 %. Die Notenbank sollte, anstatt weiter zu zögern, die Zinswende dringend beschleunigen.

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3 Kommentare

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  • Unbedingt
    Unbedingt

    Die Aktivitäten der FED bezüglich der Geldmenge sind für eine Währung, die in hohem Maße global zirkuliert, und mit Banken, die global aktiv sind, nicht auf einen konkreten Wirtschaftsraum einzudämmen. Aber die konkreten Steuersenkungen, die Herr Trump vorhat, sollten sich sofort in den Inflationszahlen niederschlagen. (Und in der Staatsverschuldung.)

    09:01 Uhr, 05.10.2017
  • Löwe30
    Löwe30

    Der einzig sinnvolle Maßstab für die Inflation ist die Ausweitung der Geldmenge durch die Zentralbank. Sie treibt das allgemeine Preisniveau, zu dem schließlich alle Preise zählen, also auch die Preise für Immobilien, Aktien usw. Die Preise steigen durch die Ausweitung der Geldmenge lediglich bei den verschiedenen Güter verschieden schnell. Letztlich wird aber das Preisniveau aller Güter durch die Ausweitung der Geldmenge steigen. Dazu braucht man sich nur die Kaufkraft z.B. des US-Dollar über die Jahrzehnte anzusehen. Diese stimmt in keiner Weise mit den offiziellen Preissteigerungen der Güter überein.

    Deflation, die sich aus der Steigerung der Produktivität ergibt, steigert den Wohlstand der Bürger. Sie ist lediglich für den größten Schuldner, den Staat, von Nachteil, weil damit auch die Staatsschulden wachsen. Staaten sind inzwischen überall auf der Welt zu fett und es wird höchste Zeit für eine Schlankheitskur. Die käme den Bürgern zugute. Denn je fetter der Staat, um so ärmer sind die Bürger. Mehr Regierung bedeutet weniger politische und wirtschaftliche Freiheit. Wer nicht weiß, was das bedeutet, sollte einen Blick auf den Index der wirtschaftlichen Freiheit der Heritage Foundation werfen.

    Das Deflationsgespenst, welches die Ökonomen der Zentralbanken und die Hauptstromökonomen, die im Staatsdienst stehen, heraufbeschwören, ist lediglich für den Staat gefährlich, aber nützt den Bürgern. Und das wir, die Bürger, nicht der Staat sind, solle jedem klar geworden sein der in Katalonien gesehen hat wie die Bürger von der Staatsmacht verprügelt wurden.

    13:01 Uhr, 04.10.2017
  • Elchness
    Elchness

    "Demnach haben die USA bereits jetzt eine Inflationsrate von knapp 3 %. Die Notenbank sollte, anstatt weiter zu zögern, die Zinswende dringend beschleunigen."

    Oder wir hören einfach alle auf, so zu tun, als würden die Notenbanken die Zinsen tatsächlich nur wegen zu niedriger Inflation unten halten. Dass das deshalb gemacht wird, weil die Staatsfinanzen steigende Zinsen schlicht nicht verkraften würden, sollte jedem klar sein. Mehr als 0,5% höher als jetzt, dürfte in kaum einem westlichen Land drin sein.

    12:23 Uhr, 04.10.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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