Kommentar
09:26 Uhr, 28.07.2023

Inflation hui, Inflationserwartungen pfui

Notenbanken sagen es zwar nicht, aber sie handeln so: Die Inflation ist besiegt. Für Inflationserwartungen kann man das nicht sagen.

Der größte Feind der Notenbanken ist die Inflationsrate selbst. Zu hohe Inflation destabilisiert die Wirtschaft. Die USA müssen sich diesbezüglich keine Sorgen mehr machen. Die Inflationsrate liegt bei ca. 3 % und wird dort bis Anfang 2024 verharren. Das ist schon jetzt so gut wie garantiert.

In der Eurozone ist es nicht viel anders. In den kommenden Monaten wird auch hier die Inflationsrate Richtung 3 % fallen und dort dann eine Zeit lang verharren. Einerseits ist das positiv, da nicht befürchtet werden muss, dass Inflation außer Kontrolle gerät. Andererseits dauert die Hochinflationsphase dann schon seit drei Jahren an. Das beeinflusst die Inflationserwartungen.

Es beeinflusst vor allem die langfristige Erwartung. Die kurzfristige (Inflation auf Sicht von 12 Monaten) folgt im Prinzip der Inflationsrate. In den USA zeigt dies die Gegenüberstellung der Inflationserwartung und der tatsächlichen Inflation (Grafik 1). Bei den langfristigen Erwartungen ist der Zusammenhang nicht so einfach. Obwohl die Inflationsrate seit einem Jahr fällt, ist die langfristige Inflationserwartung wieder gestiegen. Sie pendelt sich auf dem höchsten Stand seit 15 Jahren ein (Grafik 2).

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Ist Inflation längere Zeit höher als in den Vorjahren, steigt diese Erwartung. Das war von 2002 bis 2007 der Fall. Von 2011 bis 2020 war das Gegenteil der Fall. Inflationsraten tendierten nach unten. Mit ihnen fielen die Erwartungen.

Haben sich Erwartungen erst gefestigt, sind sie schwer loszuwerden. Japan kennt das nur zu gut. Für Notenbanken ist diese langfristige Erwartungshaltung daher von großer Bedeutung. Eine Inflationsrate von 3 % für viele Monate wird die Erwartung verfestigen. Zu allem Überfluss ist die Trendwende der Inflationsrate nach unten gerade bei Dienstleistungen langsamer als in früheren Zyklen (Grafik 3). Dies gilt in Europa und den USA. Die Wirtschaftsleistung der meisten Länder besteht zu zwei Dritteln aus Dienstleistungen. Konsumenten wird es kaum verborgen bleiben, dass sich der Preisauftrieb fortsetzt.

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Das ist ein Problem für die Inflationserwartungen. Noch herausfordernder ist ein anderer Trend. Die Teuerung war bisher je nach Wirtschaftsbereich, Dienstleistung oder Ware sehr unterschiedlich. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hält dies in einem Index fest. Dieser Ähnlichkeitsindex misst, wie sehr Inflation in unterschiedlichen Bereichen korreliert. Die Ähnlichkeit steigt innerhalb von Ländern und zwischen Ländern (Grafik 4).

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Das alles spricht dafür, dass der Weg von 3 % Inflation zu 2 % Inflation lang und steinig wird. Mit jedem Monat, der vergeht, festigen sich die Erwartungen zudem weiter. Inflationserwartungen zu brechen ist schwierig. Ohne Abschwung und höhere Arbeitslosigkeit ist das kaum zu bewerkstelligen.

Anleger und Notenbanken handeln derzeit so, als ob die Inflation besiegt wäre. 2024 wird man feststellen, dass sich die Inflationserwartungen auf erhöhtem Niveau verfestigt haben. Inflationserwartungen werden dafür sorgen, dass Inflation selbst nochmals zum Thema wird.

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  • masi123
    masi123

    Die Inflationsrate ist eine statistischer/variabler Wert, der durch Anpassung/Gewichtung des Warenkorbes oft geändert wird. Die "reale" Inflation ist wesentlich höher, da sich gerade lebensnotwendige (Nahrungsmittel, Wohnen, Energie) Güter stark verteuern.
    Die Erhöhung der Geldmengen bzw. die ungebremste Staatsverschuldung (in USA > 32 Billionen! USD) verursachen eine hohe asset-price-inflation. Über Immobilienpreise (Mieten, Pachten) überträgt sich diese auf die realen Gütermärkte. Aktuell kündigen auch Versicherer, z.B. Kfz, Kranken aber auch Sach aufgrund der stark gestiegenen Ausgaben/Kosten kräftige Erhöhungen für das nächste Jahr an. Hinzu kommt ein steigendes Währungsrisiko (importierte Inflation) gegenüber Hartwährungsländern.

    Die "reale" Inflation wird ibs. in Deutschland hoch bleiben.

    10:40 Uhr, 28.07.2023

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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