Kommentar
08:38 Uhr, 19.11.2021

Inflation, Deflation oder Stagflation? Die unterschätzte Gefahr des demographischen Wandels

Global wird die Bevölkerung im Durchschnitt immer älter. Was das bedeutet, darüber besteht keine Einigkeit. Eine mögliche Folge dürfte viele überraschen.

Seit Jahrzehnten wissen wir, dass die Bevölkerung im Durchschnitt immer älter wird. Umso bemerkenswerter ist es, dass keine Einigkeit darüber besteht, was es letztendlich bedeutet. Dies gilt, obwohl eindeutige Trends in einigen Ländern zu beobachten sind, die der Welt voraus sind. Japan ist das Land, welches der globalen Entwicklung am weitesten voraus ist und wo sich die Effekte des demographischen Wandels am besten beobachten lassen. Japans Bevölkerung wuchs zwischen 1985 und 2008 kaum noch. Seither schrumpft die Bevölkerung. Gleichzeitig begann die Wirtschaft zu stagnieren. Seit 20 Jahren befindet sich Japan tendenziell in einer Phase der Deflation. Damit erscheint klar, was eine alternde Bevölkerung bedeutet: Niedriges Wachstum und Deflation. Der Weg dorthin lässt sich auch in anderen Regionen beobachten. In den USA nimmt der Anteil der Bevölkerung (65+) rapide zu. Derzeit beträgt der Anteil weniger als 17 % und wird bis 2030 auf mehr als 20 % steigen.

Bisher hat sich das reale Wirtschaftswachstum über die Jahrzehnte mit einem höheren Bevölkerungsanteil der 65+ Jährigen abgeschwächt (Grafik 1). Bis 2030 würde das potentielle Wachstum sogar auf 0 % sinken und 2040 negativ sein.


Auch die langfristige Inflationsrate scheint mit dem demographischen Wandel immer weiter zu sinken (Grafik 2). Kurzfristig stieg die durchschnittliche Inflationsrate, geprägt von den 70er Jahren, die überall auf der Welt für hohe Teuerungsraten sorgten.

Der Trend scheint damit eindeutig zu sein. Kurzfristig ist Inflation ein großes Thema. Langfristig machen sich die wenigsten Sorgen, eben weil die Bevölkerung altert und dies die Inflation bremsen sollte. Doch es gibt auch eine andere Sichtweise.

Global ist die Inflation in den vergangenen 20 Jahren gesunken. Diese Periode fällt mit dem Aufstieg Chinas zusammen. Westliche Länder verlagerten ihre Produktion in Länder mit tieferen Löhnen. Nun steigen die Löhne auch in diesen Ländern. Inzwischen wandern Teile der Produktion aus China ab, weil es zu teuer ist.

Es gibt aber kein zweites China, das es ersetzen könnte. Kein anderes Land hat eine so große Bevölkerung und entsprechende Infrastruktur. Den Effekt der Produktionsverlagerung und den dadurch sinkenden Kosten gab es in diesem Ausmaß einmal und wird es nie wieder geben.

Gleichzeitig nimmt der Grad der Globalisierung ab. Der Trend begann nach der Finanzkrise und wurde durch die Pandemie beschleunigt. Bieten Länder wie China kaum noch Kostenvorteile, kann auch im eigenen Land produziert werden, zumal dann Transportkosten wegfallen und die Lieferketten sicherer sind.

In Europa und Nordamerika altert die Bevölkerung schnell. Schon jetzt gibt es Arbeitskräftemangel. Dieser wird sich nur verschärfen. Fehlen Arbeitskräfte, müssen die Löhne steigen. Das wiederum begünstigt Inflation.

Da bisher die alternde Bevölkerung mit einem preissenkenden Globalisierungsschub einherging, gehen viele automatisch davon aus, dass der demographische Wandel Deflation bedeutet. Es könnte ganz anders kommen und Stagflation bedeuten. Das ist eine vollkommen andere Gefahr als Deflation.

Clemens Schmale


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    Man sollte das Thema Digitalisierung mit sehr geringen Grenzkosten noch einbeziehen. Neben dem demographischen Effekten und den immer größer werdenden Anteil an Digitalen Produkten halte ich eine langfristige deutliche Inflation - zumindest so wie sie gemessen wird - für eher unwahrscheinlich. Und im vergleich zu Japan darf man nicht vergessen, das Europa einer stärkeren Zuwanderung unterliegt und diese wohl tendenziell zunimmt.

    Dann kommt noch das Thema Staatsverschuldung dazu, so das ich mir einen Anstieg des Realen Zinsniveaus auch nicht vorstellen kann. Frage mich derzeit auch wo die alle Zinsanstiege sehen. EURIBOR seh ich nichts außer normale Vola. Bund das gleiche....

    Wir haben sehr sehr spannende Jahre vor uns.

    09:49 Uhr, 19.11.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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