In Lateinamerika zeichnet sich zaghafte Erholung ab
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Einen derartigen Absturz des Welthandels hat man seit Generationen nicht mehr erlebt. Die Abwärtsspirale hat mittlerweile auch die Schwellenländer erfasst. Das gilt auch für Lateinamerika, obwohl Brasilien, die größte Volkswirtschaft der Region, gleichzeitig eine der geschlossensten Volkswirtschaften der Welt ist. Das weltweite Finanzsystem war bereits in den letzten beiden Quartalen 2008 – vor Einbruch des Welthandels – zum Stillstand gekommen. Der jähe Rückgang von Kreditgeschäft und Investitionen lähmte das Wirtschaftsgeschehen rund um den Globus. Innerhalb Lateinamerikas war insbesondere Brasilien betroffen, wo zahlreiche Großkonzerne auf Kapital aus dem Ausland angewiesen sind.
Für 2009 rechnen wir mit einem negativen Wachstum von -3,1 % in Lateinamerika (2008: 4,0 %). Das ist allerdings im Vergleich zu vielen asiatischen und europäischen Schwellenländern ein relativ geringer Rückgang. Vor allem aus drei Gründen wird sich die Misere in Lateinamerika in Grenzen halten: Erstens ist der Subkontinent weniger auf den Auslandshandel angewiesen als die meisten anderen Schwellenländer (vor allem in Asien), zweitens ist sein Bankensystem in vergleichsweise guter Verfassung und drittens ist Lateinamerika weniger anfällig als manche europäischen Schwellenländer.
Die lateinamerikanischen Aktienmärkte begannen bereits im letzten Mai, die weltweite konjunkturelle Abkühlung einzupreisen. Im Juli deuteten die Wirtschaftsindikatoren erstmals auf einen ernsthaften Abschwung in China hin. In der Folge sanken die Rohstoffpreise; die meisten Schwellenländerwährungen gerieten unter Druck. Seitdem befinden sich auch die Kurse an den lateinamerikanischen Aktienmärkten im freien Fall. Inzwischen deutet allerdings einiges darauf hin, dass die Investitionstätigkeit in China wieder zunimmt. Entsprechend zeichnet sich auch am Rohstoff- und Energiesektor eine leichte Entspannung ab. Im bisherigen Jahresverlauf haben die Aktienmärkte von Brasilien und Chile weltweit am besten abgeschnitten.
Rohstoffpreise und Risikoappetit und die Folgen für die Märkte
Die kurz- und mittelfristigen Perspektiven lateinamerikanischer Aktien hängen weiterhin in erster Linie von der Entwicklung der Rohstoffpreise und des Risikoappetits weltweit ab. Die Rohstoffpreise scheinen sich in den letzten Monaten gefestigt zu haben, aber für eine Entwarnung ist es noch zu früh. Weltweit ist das Wirtschaftswachstum weiterhin rückläufig und die Vorlaufindikatoren signalisieren noch keine Besserung. Gleichzeitig stützt China durch erhöhte Staatsausgaben, niedrigere Zinsen und gezielte Förderprogramme offensiv seine Binnenwirtschaft. Die jüngsten geldpolitischen Daten Chinas deuten auf ein beschleunigtes Kreditwachstum hin, das sich in den kommenden Quartalen in einer Zunahme der Investitionstätigkeit niederschlagen dürfte. Dadurch erklärt sich der Anstieg der Metallpreise sowie das gute Abschneiden von Bergbauaktien in den letzten Monaten. Für eine nachhaltige Erholung der Rohstoffpreise muss sich das Wachstum der chinesischen Binnenwirtschaft aber noch deutlich festigen. Zudem müssen sich auch die globalen Wachstumsindikatoren stabilisieren, was bislang noch nicht der Fall ist.
Der andere Antriebsfaktor der lateinamerikanischen Aktienmärkte, nämlich der globale Risikoappetit, wird sich ohne nachhaltige Festigung der Vorlaufindikatoren wohl kaum bessern und hängt zudem stark davon ab, inwieweit es gelingt, die Hauptprobleme der US-amerikanischen und europäischen Bankensysteme zu lösen. Angesichts der Komplexität der Finanzprobleme ist es wohl unrealistisch, eine ebenso rasche wie nachhaltige Erholung des Risikoappetits in den kommenden Monaten zu erwarten. Bekanntermaßen sind die Leitindikatoren jedoch stets für Überraschungen gut. In der Regel indizieren sie einen Aufwärtstrend lange, bevor der Aufschwung sich tatsächlich abzeichnet. Andererseits animieren positive Vorlaufindikatoren Investoren tendenziell dazu, sich vermehrt risikoreicheren Werten zuzuwenden. Ein solcher Trend wäre für lateinamerikanische Aktien sicherlich günstig.
Brasilien
Der brasilianische Markt hat sich in den vergangenen Monaten positiv entwickelt und auf US-Dollar-Basis seit November 30 % zugelegt. Hauptgrund waren die Stabilisierung der Rohstoffpreise, die leichte Verbesserung des BRL/USD-Wechselkurses und die vom Markt erwarteten weiteren Zinssenkungen. In den nächsten Monaten sollten Investoren daher die Wirtschaftsmeldungen aus China im Auge behalten, um die Entwicklung der Rohstoffpreise vorwegzunehmen. Der BRL/USD-Wechselkurs sollte vorerst auf seinem aktuellen Niveau verharren. Es ist unwahrscheinlich, dass die Währungshüter die Zinsen so stark senken, wie vom Markt erwartet, wenn die Währung wieder an Boden verliert. Andererseits könnten sich die Zinserwartungen bei einer aufwertenden Währung als zu konservativ erweisen und die Aktienmärkte wieder stärker anziehen. Trotz des stark rückläufigen Wirtschaftswachstums ist Brasilien eine der wenigen aufstrebenden Volkswirtschaften, in der sich die Inlandsnachfrage in letzter Zeit stabilisiert hat. Damit könnte Brasilien als eines der wenigen Schwellenländer unter Umständen eine tiefe Rezession umgehen. Für 2009 rechnen wir mit einem negativen Wachstum von -2,6 %; 2010 dürfte Brasilien dann mit 1,8 % wieder positive Wachstumszahlen schreiben. Auf den Exportsektor entfallen nur 16 % des BIP, angesichts des einbrechenden Welthandels sicherlich ein Vorteil.
Mexiko
Der mexikanische Aktienmarkt hat sich in letzter Zeit unterdurchschnittlich entwickelt. Nach dem scharfen Einbruch im letzten Sommer dümpelt der Markt immer noch auf dem Niveau vom Oktober. Dabei waren die enge wirtschaftliche Verflechtung mit den USA (85 % der Exporte Mexikos gehen ins nördliche Nachbarland) und der sinkende Erdölpreis die größten Probleme. So lange der Ölpreis stagniert und die US-Wirtschaft lahmt, ist mit einer Erholung nicht zu rechnen. Der Peso ist derzeit eine der schwächsten Schwellenländerwährungen. Ursache sind der Exportsektor im Sinkflug und das rapide zunehmende Leistungsbilanzdefizit. Die Schwäche der mexikanischen Währung beschneidet zudem den zinspolitischen Spielraum der Notenbank. Eine Senkung der Zinsen dürfte vorerst nur schwer darstellbar sein. Ein relativ hohes Zinsniveau und infolge sinkender Erdöleinnahmen ein nur begrenzter Spielraum im Hinblick auf die Erhöhung der Staatsausgaben zeichnen ein recht düsteres Bild für die Wachstumsentwicklung in Mexiko. Für 2009 rechnen wir mit einer negativen Wachstumsrate von -4,0 %. 2010 dürfte sich dann eine allmähliche Erholung abzeichnen.
Positionierung und Performance
Wir bleiben bei unserer vorsichtigen Positionierung des ING (L) Invest Latin America Fund. Dabei beschränken wir uns weitgehend auf die liquidesten Large Caps. Infolgedessen enthält unser Portfolio nur 35 Titel. Bei brasilianischen und chilenischen Werten halten wir geringfügig übergewichtete Positionen. Auf Sektorenebene sind wir insbesondere bei den eher defensiv ausgerichteten Sektoren, wie Versorger, Verbrauchsgüter und Telekommunikation, übergewichtet. Untergewichtet ist vor allem der Grundstoffsektor, insbesondere Stahl. 3 % des Fondsvermögens sind in Liquidität investiert.
Mit einer Brutto-Performance für 2009, die weitgehend der Benchmark entspricht, liegt der Fonds über einen Fünfjahreshorizont im ersten Quartil und über einen Drei- bzw. Einjahreshorizont im zweiten Quartil (Daten per Ende Februar, Anteilsklasse P-Cap, Quelle: Morningstar). Der ING (L) Invest Latin America Fund verfügt über ein 4-Sterne- Rating von Morningstar.
Quelle: ING Investment Management
Autor: Maarten Jan Bakkum – Emerging Markets Equity Stratege
ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.
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