Kommentar
18:54 Uhr, 10.08.2023

Hohe Zinsen, hohe Inflation?

Dass hohe Zinsen zu höherer Inflation führen können, ist nicht der Konsens. Es steckt jedoch mehr Wahrheit dahinter, als man denkt.

Die These, dass hohe Zinsen zu höherer Inflation führen, wurde aus politischen Gründen auf inzwischen berühmte Weise vom türkischen Präsidenten Erdogan vertreten. Kaum war die Wahl gewonnen, wurde der Leitzins von 8,5 % auf 17,5 % erhöht. Wenn selbst das Aushängeschild der These nicht wirklich daran geglaubt hat, erscheint es hoffnungslos, genau dafür zu argumentieren.

Es macht keinen Sinn, höhere Zinsen mit höherer Inflation zu verbinden. Steigen Zinsen, hat das klare preissenkende Folgen. Wird Kredit teurer, wird weniger investiert. Investitionen sind eine Form der Nachfrage. Wird etwa eine Fabrik nicht gebaut, weil die Zinsen zu hoch sind, werden auch die entsprechenden Baumaterialien und die Arbeitskraft nicht nachgefragt.

Höhere Zinsen wirken auch auf den Konsum von Haushalten. Konsumkredite werden schnell unerschwinglich. Konsum auf Kredit wird unattraktiv oder schlichtweg nicht mehr leistbar. Sind die Zinsen hoch, ist es auch attraktiver, Geld zu sparen. Wird gespart, statt konsumiert, sinkt die Nachfrage.

Hohe Zinsen senken die Inflation. Bedingung dafür ist, dass höhere Zinsen auch in der Wirtschaft ankommen. Diesbezüglich gibt es derzeit Probleme. Banken geben höhere Zinsen auf Konten kaum weiter. Sparen bleibt unattraktiv. Während der Pandemie haben zudem viele Haushalte und Unternehmen günstige Kredite aufgenommen. Der Bedarf an neuen Krediten zu höheren Zinsen ist gering.

Die Geldpolitik wirkt dadurch in diesem Zyklus langsamer, aber sie wird wirken. Ob die Geldpolitik für den Trendwechsel bei der Inflation verantwortlich gemacht werden kann, sei dahingestellt. Der Inflationstrend ist je nach Region auch unterschiedlich. In der Eurozone sinkt zwar die Inflation, die Kerninflation widersetzt sich bisher aber noch einer Trendwende nach unten (Grafik 1). Die USA sind hingegen auf gutem Wege (Grafik 2).Hohe-Zinsen-hohe-Inflation-Kommentar-Clemens-Schmale-stock3.com-1
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Interessant ist vor allem der Trend in Kanada. Kanada hat die Inflation besiegt. Mehr oder weniger alle Preisindizes zeigen eine Teuerung, die wieder ein Normalniveau erreicht hat. Im Gegensatz zu anderen Ländern weist Kanada eine ganz besondere Inflationsrate aus: Die Inflationsrate, die Zinsen für Immobilienkredite ausschließt.

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Diese Inflationsrate ist die derzeit niedrigste im Vergleich zu Headline Inflation oder Inflation exklusive Wohnen. Im Umkehrschluss heißt das, dass die Inflation inklusive Zinskosten höher ist. Höhere Zinsen führen praktisch zu höherer Inflation. Das liegt daran, dass Zinskosten berücksichtigt werden. Begreift man Kredite ebenso wie Dienstleistungen und Güter als Kategorie, deren Preis steigen kann, führen höhere Zinsen automatisch zu höherem Preisniveau.

Keine Notenbank kommt auf die Idee, den Preis von Geld auf diese Art zu berücksichtigen. Obwohl das Preisniveau von Geld mit den Zinsen steigt, wird es aus der Betrachtung ausgeschlossen. Für die Geldpolitik ist das zentral. Für Haushalte macht es jedoch keinen Unterschied, ob das Budget wegen höherer Güterpreise oder höheren Zinskosten knapp wird.

Begreift man Inflation als etwas, bei dem man für das gleiche Geld weniger erhält, erhöhen höhere Zinsen die Inflation für Haushalte. Deswegen sind höhere Zinsen zur Bekämpfung der Inflation bei Gütern und Dienstleistungen nicht falsch. Notenbanken tauschen praktisch ein Preisniveau gegen ein anderes aus. Ein höheres Preisniveau von Geld soll für ein tieferes bei Waren und Dienstleistungen sorgen. Höhere Zinsen steigern das Preisniveau, nur nicht das, was mit Inflation allgemein gemeint ist.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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