Hoffnungsschimmer für die Konjunktur
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Nach dem jüngsten Anstieg der Ifo-Erwartungskomponente und des ZEW-Konjunkturbarometers darf die deutsche Wirtschaft wieder hoffen. Obwohl „harte“ Fakten wie Auftragseingänge und Industrieproduktion nach wie vor schlecht ausfallen, haben sich die Erwartungen der Unternehmen zum zweiten Mal in Folge verbessert.
Dies hat für ein wenig Hoffnung gesorgt. Die Optimisten interpretieren die Stimmungsaufhellung als Hinweis auf eine konjunkturelle Stabilisierung in der zweiten Jahreshälfte. Die Pessimisten argumentieren hingegen, dass es für eine Entwarnung noch zu früh sei. Wir haben einige Frühindikatoren sowie ihre Aussagen für die deutsche Wirtschaft auf den Prüfstand gestellt, darunter die „üblichen Verdächtigen“ wie den Ifo und das ZEW-Barometer, aber auch einige weniger bekannte Indikatoren wie z.B. den Baltic Dry Index.
Wie wir die Spreu vom Weizen trennen
Zunächst haben wir untersucht, ob die Indikatoren aussagekräftig genug sind, um eine Trendwende in der deutschen Wirtschaft vorherzusagen. Die Granger-Kausalität, so benannt nach dem Nobelpreisträger Clive Granger, diente uns dabei als ökonometrische Messlatte. Das Konzept, das diesem Ansatz zugrunde liegt, ist denkbar einfach. Der Frühindikator X (z.B. der Ifo-Erwartungsindex) eilt Y (z.B. die deutsche Industrieproduktion) voraus, wenn X dazu beiträgt, die Prognose von Y zu verbessern.
Welche Frühindikatoren standen nun auf dem Prüfstand?
– Der Ifo-Erwartungsindex spiegelt die Einschätzungen der deutschen Unternehmen für die kommenden sechs Monate wider.
– Das ZEW-Barometer fasst die Erwartungen von Volkswirten und anderen Experten für die deutsche Wirtschaft in sechs Monaten zusammen.
– Der OECD-Indikator für Deutschland fasst eine Vielzahl unterschiedlicher Komponenten (Auftragseingänge, Lagerbestände usw.) zusammen.
– Der deutsche Einkaufsmanagerindex fasst die Einschätzungen von Managern zusammen und ist wahrscheinlich am ehesten mit dem Ifo-Geschäftsklimaindex vergleichbar, der die Erwartungen und Beurteilungen zur aktuellen Lage widerspiegelt.
– Der DAX ist der führende deutsche Aktienindex. Er gibt Auskunft über die von den Marktteilnehmern erwartete zukünftige Gewinnentwicklung der Unternehmen. Deshalb ist es vorstellbar, dass sich der allgemeine Konjunkturausblick relativ gut anhand der Aktienkurse ableiten lässt.
– Der Aktienindex S&P500 zeichnet die erwarteten Gewinne der US-Unternehmen nach. Aufgrund der enormen Bedeutung der US-Wirtschaft für die Weltkonjunktur könnte sich der S&P500 als globaler Frühindikator anbieten.
– In der monetären Konjunkturtheorie wird davon ausgegangen, dass Geldmengenaggregate, wie z.B. die Geldmenge M1 in der Europäischen Währungsunion, Informationen über die Ausgaben von Unternehmen und privaten Verbrauchern enthalten. Demnach ist eine Beschleunigung des Geldmengenwachstums mit einer stärkeren Wirtschaftsdynamik gleichzusetzen.1
– Die Renditedifferenz zwischen 10J Bundesanleihen und dem 3M Geldmarktsatz gilt ebenfalls als wichtiger Indikator. Weitet sich die Differenz aus, könnte dies auf eine Leitzinssenkung der EZB und/oder einen Anstieg der (realen) 10J-Renditen hinweisen. Oftmals signalisieren diese Faktoren eine bevorstehende Trendwende in der Konjunktur. So lassen beispielsweise höhere Realzinsen auf ein steigendes BIP-Wachstum schließen.
– Der Baltic Dry Index ist ein wichtiger Preisindex für die globalen Frachtraten. Steigen die Frachtraten, kann dies als Hinweis für eine Erholung des Welthandels verstanden werden. Die Schifffahrtindustrie ist in diesem Zusammenhang besonders interessant, da rund 97% der Güter und Waren zwischen den Kontinenten auf dem Seeweg transportiert werden.
Wir haben die Relation zwischen den beschriebenen neun Indikatoren und der deutschen Industrieproduktion (in %, ggü. Vorjahr) anhand von Granger-Kausalitätstests untersucht. Unsere Wahl fiel deshalb auf die Industrieproduktion, weil a) das Verarbeitende Gewerbe sehr stark vom (globalen) Konjunkturzyklus abhängig ist und b) der Industriesektor noch bis zum Ende letzten Jahres ein wichtiger Wachstumsmotor für die deutsche Wirtschaft war. Sollte es in der zweiten Jahreshälfte 2009 also tatsächlich zu einer konjunkturellen Stabilisierung kommen, würden die Industrieunternehmen diese positive Entwicklung sehr früh feststellen.
Unsere Ergebnisse enthalten zwei Kernbotschaften: Erstens führt der Ifo-Erwartungsindex das Ranking aus statistischer Sicht ganz klar an (vgl. Tabelle). Je höher der Wert in der FStatistik, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der betreffende Indikator ein falsches Signal aussendet. Demzufolge sollten Investoren und Wirtschaftsexperten die Erwartungen der Unternehmen sehr ernst nehmen. Zweitens haben wir festgestellt, dass auch andere Indikatoren wertvolle Informationen enthalten. Neben dem OECD-Indikator und dem Einkaufsmanagerindex (PMI) besitzen auch andere Indikatoren eine gewisse Aussagekraft bezüglich der künftigen Entwicklung der deutschen Industrieproduktion. Hierzu gehören u.a. der DAX, EWU M1 und der Baltic Dry Index. Sie alle senden relativ verlässliche Signale aus. Die Renditedifferenz zwischen 10J Bundesanleihen und 3M Geldmarktsatz sowie der S&P500 sind hingegen zu vernachlässigen.
Ambitioniert – aber nicht unmöglich
Die statistische Signifikanz ist ein wichtiger Faktor beim Abgleich der jüngsten Ifo- und ZEW-Signale. Ein weiteres wichtiges Kennzeichen der Frühindikatoren ist ihre Fähigkeit, so weit wie möglich in die Zukunft zu blicken. Je länger die Zeitspanne zwischen dem betreffenden Indikator und der Industrieproduktion, desto besser. Wir haben die durchschnittliche zeitliche Differenz zwischen den Trendwenden bei Indikatoren und Industrieproduktion gemessen. So folgen auf Veränderungen in der Ifo-Erwartungskomponente in der Regel etwa vier Monate später auch Veränderungen in der Industrieproduktion (vgl. nachfolgende Tabelle). Wenn wir nun davon ausgehen, dass die Geschäftserwartungen der Unternehmen bereits im Januar eine Trendwende markierten, dürfte sich dies im Mai 2009 in der Industrieproduktion niederschlagen. Also wird die Rezession zunächst ungebremst weitergehen. Die anderen Indikatoren – EWU M1, ZEW und Baltic Dry Index – bestätigen diesen Ausblick. DAX und US-Einkaufsmanagerindex ISM deuten hingegen an, dass die Talsohle in der Industrieproduktion voraussichtlich erst im Herbst 2009 erreicht wird.
Die Talsohle in der Industrieproduktion – und somit den absoluten Tiefstand in der Konjunktur – zeitlich korrekt vorherzusagen, ist eine wichtige Aufgabe der Frühindikatoren. Doch wie lange noch wird sich die aktuelle Rezession fortsetzen, bevor wir zumindest von einem „Nullwachstum“ sprechen können? Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass eine mögliche Trendwende bei den Indikatoren nicht automatisch auf ein Ende der Rezession hindeutet. Einige dieser Konjunkturbarometer haben sich in den letzten Wochen zwar etwas aufgehellt, befinden sich aber weiterhin auf einem äußerst niedrigen Niveau. Demzufolge sollte die Wirtschaftsleistung weiter schrumpfen, wenn auch etwas langsamer. Wir haben deshalb zwei weitere Kennzahlen analysiert: Die erste Statistik untersucht das Niveau von Indikatoren, die mit einem „Nullwachstum“ in der Industrieproduktion übereinstimmen. Im Mittelpunkt der zweiten Statistik stehen die durchschnittlichen Veränderungen der Indikatoren nach einer Trendwende, d.h. es geht dabei um die Frage, wie schnell diese ein Niveau erreichen, das mit einer konjunkturellen Stabilisierung gleichzusetzen ist.
Nach unseren Schätzungen sind wir noch weit von einem Niveau entfernt, das auf ein Ende der Rezession hindeutet. So müsste beispielsweise die Ifo-Erwartungskomponente von derzeit 80,9 Punkten auf über 93 (!) Punkte klettern (vgl. Tabelle).
Erst wenn dieser Wert erreicht ist – und nur dann – schrumpft die Industrieproduktion (im Vergleich zum Vorjahr) nicht weiter. Leider entsprach die monatliche Veränderung der Geschäftserwartungen nach ihrem Tiefstand zuletzt nur durchschnittlich einem Punkt. Wenn wir die Erfahrungen nach der Deutschen Wiedervereinigung berücksichtigen, ist deshalb die Erwartung, dass die Rezession bereits im dritten Quartal 2009 zu Ende sein könnte, recht ambitioniert. Diese in der Tat wenig ermutigende Botschaft wird auch durch andere Frühindikatoren bestätigt. So müsste der Einkaufsmanagerindex (PMI) für das Verarbeitende Gewerbe auf rund 48 Punkte zulegen, um eine Stabilisierung zu signalisieren.2 Dass dies angesichts seines aktuellen Stands von 32,2 Punkten und einer durchschnittlichen Monatsveränderung von nur 1,2 Punkten nicht einfach zu erreichen ist, liegt auf der Hand. Das Gleiche gilt für den OECD-Indikator, den DAX und ISM sowie den Baltic Dry Index. Derzeit senden nur zwei Indikatoren ein optimistischeres Signal aus: das ZEWBarometer und das EWU M1-Geldmengenwachstum. Der jüngste ZEW-Index deutet mit einem Wert von -5,8 darauf hin, dass der kritische Grenzwert von -14,9 bereits übertroffen wurde. Das um die Verbraucherpreise bereinigte M1- Geldmengenwachstum in der EWU entspricht derzeit +4,1% und ist damit auch über seinem „neutralen“ Niveau von +2,0%.
Fazit
Die gute Nachricht ist, dass sich die Hinweise auf eine bevorstehende Trendwende in den „harten“ Wirtschaftsdaten in den letzten Wochen verdichtet haben. Dadurch wird eine schwerwiegende Krise à la Große Depression immer unwahrscheinlicher. Stattdessen lassen die Frühindikatoren in der Mehrzahl darauf schließen, dass die konjunkturelle Talsohle im Frühjahr 2009 erreicht sein sollte. Danach dürfte sich die Lage entspannen, d.h. das Tempo des wirtschaftlichen Schrumpfungsprozesses wird sich voraussichtlich verlangsamen. Dafür sollten wir dankbar sein! Allerdings gibt es auch eine schlechte Nachricht. So ist die Erwartung, dass sich bereits im dritten Quartal 2009 ein „Nullwachstum“ einstellen könnte, unseren Berechnungen zufolge als ambitioniert einzustufen. Nichtsdestotrotz sehen wir darin keine „Mission Impossible“, da sich die Geschichte nicht zwangsläufig wiederholen muss. Zwar sind zahlreiche Frühindikatoren auf historische Tiefstände gefallen. Doch vielleicht erholen sie sich auch wieder rascher als in den vorangegangenen Konjunkturzyklen. Dennoch möchten wir an dieser Stelle noch einmal betonen, dass es sich bei unserem Szenario einer konjunkturellen Stabilisierung um eine ambitionierte Erwartung und nicht um eine beschlossene Sache im Sinne eines „Done Deal“ handelt. Es gibt durchaus eine Reihe von Risiken, die dafür sorgen könnten, dass sich das erwartete „Nullwachstum“ erst zum Jahresende einstellt.
Researchmaterial der Hypovereinsbank Unicredit
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