Fundamentale Nachricht
12:27 Uhr, 18.07.2023

Historisch hohe Renditen auf dem Anleihenmarkt

Laut Marion Le Morhedec, Global Head of Fixed-Income at AXA IM, wird eine harte Rezession immer unwahrscheinlicher.

Zu Beginn des Sommers sind die Zentralbanken weiterhin einzig auf die Inflation fixiert. So haben die Europäische Zentralbank (EZB), die Reserve Bank of Australia (RBA) und die Bank of Canada alle im Juni die Zinssätze um weitere 25 Basispunkte (BP) erhöht. Das Tempo der Zinserhöhungen verlangsamt sich jedoch, und eine harte Rezession auf den wichtigsten Märkten erscheint weniger wahrscheinlich. Das gibt uns Anlass zur Hoffnung.

Die Lage in den USA scheint etwas rosiger zu sein als zu Beginn des Jahres prognostiziert: Die Federal Reserve (Fed) hat angekündigt, vorerst an ihrer Politik festzuhalten, indem sie Zinserhöhungen aussetzt. Die aktuellen Wirtschaftsdaten deuten darüber hinaus auch nicht eindeutig auf eine bevorstehende Rezession hin. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass künftige Erhöhungen nicht ausgeschlossen sind.

Anleihen bleiben das goldene Kind des Jahres 2023

Festverzinsliche Wertpapiere verzeichnen weiterhin historisch hohe Renditen auf dem gesamten Anleihemarkt. Die Pause der Fed könnte dazu führen, dass die Renditen sinken und die Spanne, in der sich die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen seit November bewegen, zwischen 3,25 Prozent und vier Prozent, nach unten durchbrechen. Dennoch dürfte die Gesamtrendite für Anleihen attraktiv bleiben.

Der US-Investment-Grade-Markt verzeichnete hohe Renditen. Das hat dazu beigetragen, die negativen Renditen von 2022 durch einige positive Zahlen in diesem Jahr umzukehren, da die Erträge die Oberhand gewannen.

Die Fundamentaldaten der Unternehmen sind nach wie vor solide: Dank des starken nominalen Gewinnwachstums wurde der Verschuldungsgrad gesenkt. Die Schuldner haben sich in den letzten Monaten am Anleihemarkt Geld beschafft, so dass sie für den Fall einer deutlichen Wachstumsabschwächung Liquiditätspuffer besitzen.

Die Frage, wie die europäischen Unternehmen in einem Umfeld höherer Finanzierungskosten zurechtkommen, wird immer wichtiger. Trotz dieser Besorgnis bleiben die Fundamentaldaten positiv: Die Quartalsergebnisse für Q4/22 waren positiv und die Ergebnisse für Q1/23 haben den Markt positiv überrascht. Vor diesem Hintergrund sehen wir Chancen bei nachrangigen Schuldtiteln bestimmter Investment-Grade-Emittenten.

High Yield Anleihen versprechen Chancen - aber worauf müssen Anleger achten?

Die Bewertungen europäischer High-Yield-Anleihen sind derzeit attraktiv. Die Renditen befinden sich in der Nähe des höchsten Niveaus seit über zehn Jahren.

Darüber hinaus bieten europäische HY-Anleihen immer noch einen Renditeaufschlag von rund 350 BP gegenüber dem Investment-Grade-Markt. Dieser Aufschlag kompensiert unserer Meinung nach das zusätzliche Kreditrisiko. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die Anlageklasse jetzt überwiegend mit BB bewertet ist.

Aufgrund von Bedenken hinsichtlich einer möglichen Rezession waren vor allem Branchen betroffen, die eine hohe Streuung aufwiesen und somit sowohl Gewinner als auch Verlierer hervorbrachten. Dies betraf insbesondere die Bereiche Medien, Einzelhandel und Telekommunikation, die besonders empfindlich gegenüber Zahlungsausfallrisiken waren. In diesem Umfeld favorisieren wir weiterhin die defensiven Credit-Segmente Investitionsgüter und Gesundheitswesen.

In den USA bleibt die Ausfallquote ein wichtiger Faktor für Anleger. Es wird erwartet, dass sie mit der Abschwächung der Wirtschaft steigen wird. Unsere Prognose geht davon aus, dass der Anstieg in einem begrenzten Rahmen von drei bis vier Prozent liegen wird. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass nur 30 Prozent der Unternehmen Kredite aufgenommen haben und die Mehrheit der Unternehmen sich höhere Zinssätze leisten kann. Im Mai kam es zur Zahlungsunfähigkeit von zwei Hochzinsanleihen, und drei finanziell angeschlagene Unternehmen waren gezwungen, ihre Schulden umzustrukturieren. Diese Vorfälle verdeutlichen die Bedeutung einer gründlichen Analyse einzelner Unternehmen, um Chancen im High Yield-Segment fundiert bewerten zu können.

Inflationsgebundene Anleihen sollten jetzt nicht außer Acht gelassen werden

Umfragen deuten zwar darauf hin, dass die Inflation sowie die Inflationserwartungen ihren Höhepunkt erreicht haben könnten, doch die Preise für Dienstleistungen und die Löhne sind nach wie vor stark. Das untermauert unserer Ansicht nach, dass die Inflation und insbesondere die Kerninflation auf absehbare Zeit hartnäckig bleiben könnte. Da die Märkte Zinssenkungen für 2023 eingepriesen, finden wir es interessant, dass die Breakeven-Inflationsraten fast unverändert sind und nahe an den Zielen der Zentralbanken liegen.

Wir sind der Ansicht, dass die realen Renditen, die sich in der Nähe der Höchststände des Zyklus befinden, attraktiv sind. Inflationsgebundene Anleihen bieten sowohl Duration als auch Inflationsrisiko.

Schwellenländeranleihen: Wachstum und Chancen für risikobereite Anleger

Für Anleger mit höherer Risikobereitschaft bieten Schwellenländeranleihen (EMD) derzeit eine interessante Alternative zu Anleihen der Industrieländer. Die Staatsbilanzen der Schwellenländer sind nach wie vor stärker als die der G7-Staaten, und das Haushaltsdefizit in den Schwellenländern wird bis 2023 fast wieder das Niveau von vor der Covid-Krise erreichen - ein schnellerer Fortschritt bei der Haushaltskonsolidierung als in den G7-Staaten.

Zu den Trends, die Anlegern Chancen bieten, gehören das "Near- oder Friendshoring", die Bevorzugung ausgewählter Schwellenländer an der Peripherie der USA oder des Euroraums anstelle der De-Globalisierung und des Re-Shoring auf entwickelte Märkte.

Generell ist zu bedenken, dass sich das niedrige globale Wachstum in der Vergangenheit positiv auf die Renditen von festverzinslichen Wertpapieren ausgewirkt hat, insbesondere auf Risikoanlagen wie Hochzinsanleihen, die immer noch ein hohes Carry-Niveau aufweisen. Selbst für vorsichtige Anleger dürfte diese Situation Chancen bei Strategien wie Short Duration und Investment Grade Credit bieten.