Kommentar
17:33 Uhr, 11.11.2021

Hilft Tapering dem Aktienmarkt sogar?

Die US-Notenbank reduziert ihre Wertpapierkäufe im Eiltempo. Dem Markt hat es bisher nicht geschadet. Nützt es ihm vielleicht sogar?

Die US-Notenbank hat lange auf den Zeitpunkt hingearbeitet, an dem eine Reduktion der Wertpapierkäufe bekanntgegeben wurde. Jerome Powell erhielt Lob dafür, dass alles ohne Probleme abgelaufen ist. Es heißt ja, dass der Aktienmarkt am Tropf der Notenbank hängt. Verändert sich die Geldpolitik und hört die Liquiditätsschwemme auf, hätte viel schiefgehen können. Entsprechend zeigten sich Analysten erleichtert, wie gut bisher alles funktionierte. So sehr ich Jerome Powell das Lob gönne, es basiert auf einer falschen Annahme. Die US-Notenbank reduziert nicht zum ersten Mal Wertpapierkäufe. In den letzten 12 Jahren gab es vier Mal ein Tapering. Die Welt ging kein einziges Mal unter. Hätte die Notenbank den Markt in der Vergangenheit mit ihrer Ankündigung in Schieflage gebracht, wäre das Lob angebracht. Stattdessen aber reagierte der Aktienmarkt damals wie heute sehr gelassen.


Ohnehin ist die Reduktion der Wertpapierkäufe kurzfristig wenig relevant für den Aktienmarkt. Relevant ist Tapering vor allem für Anleihen. Jedes Mal, wenn die Käufe reduziert wurden, fiel die Rendite von US-Anleihen (Grafik 2). Auch aktuell deutet sich ein ähnlicher Trend an.

Fallen die Renditen für Anleihen, bedeutet das, dass die Nachfrage nach Anleihen steigt. Die Nachfrage steigt vor allem dann, wenn Anleger risikoscheu sind. Sie flüchten quasi in Sicherheit. Diese Flucht in Sicherheit machte sich beim ersten und zweiten Tapering im Jahr 2010 und 2011 bemerkbar (Grafik 3). Der Aktienmarkt korrigierte. Den Aufwärtstrend stoppte es allerdings nicht.

Beim dritten und finalen Tapering gab es keine nennenswerte Korrektur. Anleger können auf eine Wiederholung dieser Phase setzen. Die Wirtschaft ist heute eher mit der im Jahr 2014 als mit der im Jahr 2010 oder 2011 vergleichbar. Die Erholung der Weltwirtschaft steckte noch in den Kinderschuhen und die Eurokrise begann.

Heute ist die Erholung der Weltwirtschaft weit fortgeschritten und eine neue Schuldenkrise ist zumindest in den USA und Europa nicht in Sicht. Trotzdem ist zu beobachten, wie die Renditen für Anleihen fallen. Eine Flucht in Sicherheit findet also statt. Das muss wie 2014 den Aufwärtstrend nicht bremsen oder unterbrechen. Es kann aber zu erhöhter Volatilität führen (Grafik 4).


Tapering war und ist kein Schreckgespenst. Der Aktienmarkt kann damit deutlich besser umgehen, als ihm zugestanden wird. Man kann aber nicht so weit gehen und behaupten, dass Tapering dem Markt sogar hilft. Es fließt weniger Liquidität ins Finanzsystem. Sind die Wertpapierkäufe erst beendet und wächst die Wirtschaft weiter, sinkt die Überschussliquidität sogar. Das ist tendenziell ein Gegenwind für den Aktienmarkt. Von diesem Punkt sind wir jedoch noch mindestens ein halbes Jahr entfernt.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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