High-Trend-Cross-Time - Eine sinnvolle Hilfe für das Timing
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Der komplexeste und zugleich verwirrendste Aspekt des Marktverhaltens ist der Faktor Zeit. Ob Day Trader oder Langfrist-Investor: Zeit ist diejenige Komponente der Marktdynamik, die am wenigsten beachtet wird. So fällt zum einen die Masse der Day Traders der hohen Fluktuation der Preise zum Opfer - eben weil keine Zeitfaktoren mitberücksichtigt werden; zum anderen warnen viele Börsenberater davor, den Markt timen zu wollen. Stattdessen legen sie dem Börsenpublikum Strategien wie „Dollar-Cost Averaging“ nahe - eine Strategie, die den Zeitaspekt völlig ignoriert.
Auf der Suche nach dem heiligen Gral
Wenn Trader sich auf den Faktor Zeit konzentrieren, dann lautet die implizite Frage meist: „Wann wird das nächste Top auftreten“ beziehungsweise „Wann werden die Preise einen Boden finden“? Falls es einen Weg gäbe, die Zeit des nächsten Lows oder Highs exakt zu bestimmen – unabhängig von einem gewählten Zeitrahmen, der Minuten, Tage oder Jahre betragen kann - dann würde man dem, was man als „Heiliger Gral“ bezeichnet, ziemlich nahe kommen. Denn dann würde es einfach sein „niedrig zu kaufen und hoch zu verkaufen.“ Während die meisten Trading-Methoden preisorientiert sind, haben Timing-Methoden mittlerweile einen gerechteren Anteil an Aufmerksamkeit unter den Marktteilnehmern erlangt. Ein enormer Fortschritt wurde bei der Suche nach Marktzyklen gemacht: Einige der Entdeckungen sind relativ einfach, zum Beispiel solche, die dem Markt eine Tendenz zuschreiben, große Verluste im Herbst eines Jahres zu verzeichnen. Während große Stürze tatsächlich häufig im September/Oktober auftreten, scheinen wenige Traders zu realisieren, dass Rallies von diesen Tiefpunkten zu den stärksten in der Geschichte des Marktes gezählt haben. Andere Ansätze, um komplexe Zyklustheorien auf das Marktverhalten anzuwenden und damit der „inneren Uhr“ des Marktes auf die Schliche zu kommen, benötigen die Spitzfindigkeit eines fortgeschrittenen Mathematikers. Seien es astrologische Zyklen, geometrische Proportionen, Konjunkturzyklen oder Fourier-Transformierungen.
Jede dieser Untersuchungen ist sehr komplex und gerade für Anfänger ungeeignet, denn die allgemeine Erfahrung ist im allgemeinen: Was eine Zeitlang zu funktionieren scheint, funktioniert schon nach einer Zeit nicht mehr.
Auf der Suche nach Ordnung im Chaos
Schnell abgeschreckt von der Komplexität und Vereinbarkeit verschiedener Zyklustheorien, beginnt auch schon die Suche nach Schlichtheit, wie jener des Elliott-Wellen Prinzips. Doch das System beginnt schon schnell an „Ausnahmen“ zu leiden, was zu einer Addition von endlosen Serien von komplexen Extensionen, Bedingungen und speziellen Umständen führt und die Methoden derart komplex erscheinen lassen, dass sie im realen Trading nahezu nutzlos erscheinen.
Bewiesenermaßen wiederholen sich Patterns. Es ist aber auch der Fall, dass sie sich nicht wiederholen und dies mit einer ausreichenden Regelmäßigkeit. Der Grund dafür liegt darin, dass der Markt selbst ein chaotisches System ist und ihm eine Unberechenbarkeit sozusagen angeboren ist. Und das trifft sowohl auf die Zeit als auch auf den Preis zu.
Bedeutet das nun, dass wir alle Versuche, temporale Effekte im Markt einzuschätzen, verbannen sollten? Nein! Wie wir schon bei Preisprojektionen erkannt haben, macht es keinen Sinn sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, sondern viel wichtiger ist, zu wissen, was zu tun ist, wenn der Markt sich auf eine bestimmte Art verhält und sich bestimmten Projektionen nähert. Unter der zusätzlichen Verwendung von Price Tools sagen wir nicht vorher, dass bestimmte Ziele erreicht werden. Nein! Anstatt dessen sagen wir, dass falls die Ziele erreicht werden, wir dann bestimmte Handlungen vornehmen werden. In diesem Sinne bieten uns Zeitziele so etwas wie eine zusätzliche Orientierungshilfe neben preislichen Indikationen, Trends und Patterns. Fallen sie zusammen, erhöht sich die Signifikanz eines Setups.
„High-Trend-Cross-Time™“ Methode und der Umgang mit Zeitzielen
Wir wollen nun einer einfachen Methode Zeitziele entwickeln. Und noch einmal: Wie auch beim Preis muss unser Focus darauf gerichtet sein, was an den projizierten Zeitpunkt zu tun ist. Mit anderen Worten: Wir kaufen nicht blind, nur weil ein Zeitziel auf ein Low hinweist. Wir wollen nicht vorhersehen!
In der Abbildung 1 sehen Sie ein Chart des NASDAQ-Futures (März 2002-Kontrakt) vom 14.12.2001 im Ein-Minuten-Intervall. Nach dem zweiten High bildet sich ein noch zu bestätigende Trendlinie („Trend“). Diese Trendlinie trifft mit dem Preisniveau der Highs zusammen und bildet eine Kreuzpunkt („Cross“). Dieser Kreuzpunkt projiziert ein Zeitziel („Time“). Dort kann ein Low, das getradet werden kann, auftreten. Dies ist die Vorgehensweise bei der High-Trend-Cross-Time™ Methode (HTCT™). In unserem Beispiel liegt unsere Zeitprojektion günstig, denn auch der Preis spielt mit, denn er befindet sich zum projizierten Zeitpunkt (ca. 13:10 Uhr) auf dem Support von 10:35 Uhr. Insofern ist das Setup signifikanter als ein Setup, bei dem wir keine (so deutlichen) Indikationen von der Preisseite haben.
Hier noch mal unsere Vorgehensweise: Wir identifizieren ein High, suchen dann den dazugehörigen Trend, stellen dann das Cross fest und erhalten die Time-Projektion. Der Name der Methode hält sich an die Reihenfolge: High-Trend-Cross-Time™ oder abgekürzt HTCT™. Noch ein Hinweis zum „T“ wie Trend unserer Methode. Hiermit sind einfache Verbindungen von Reaktionstiefs gemeint, die keiner Bestätigung durch einen dritten erfolgreichen Test bedürfen, um als Trendlinie qualifiziert werden zu dürfen. Nichtsdestotrotz werde ich im Folgenden weiterhin den Begriff „Trend“ verwenden.
In der Abbildung 2 sehen wir zwei HTCTs, die auf einen gemeinsamen Zeitpunkt hinweisen. Es handelt sich um ein Chart des NASDAQ-Futures (März 2002-Kontrakt, Ein-Minuten-Intervall), diesmal vom 16.12.2001. Zunächst bildet der Markt ein signifikantes High gegen 15:10 Uhr, im Chart gekennzeichnet mit „High 1“. Der dazugehörige Trend weist auf das „Cross“ um kurz vor 16:00 hin. Trend 1 wird gebrochen und ein Zwischenhigh, „High 2, entsteht. Nun zeichnen wir den provisorischen „Trend 2“ ein. Dieser wird einmal kurz unterschritten (kurz nach 15:30 Uhr), jedoch nicht auf Schlusskursbasis vor dem „High 2“. Das „Cross 2“, welches sich aus „High 2“ und „Trend 2“ ergibt, weist auf den gleichen Zeitpunkt hin wie das HTCT™ 1. Wir haben hier also eine Art Verstärkung des Setups. Hilfreich ist noch die vorläufige Trendlinie von 13:40 (bezeichnet als „VTL“), die dann exakt zur projizierten Zeit bestätigt wird. [Die mit „Schlängelungen“ gekennzeichnete Linie hat nichts mit dem Setup zu tun]
Im nächsten Beispiel, siehe Abbildung 3, wird es komplexer. Hier geht es um die fünfmonatige Seitwärtsbewegung des NASDAQ-100 nach dem April 2001-Tief. Die Zeitprojektionen der verschiedenen HTCTs weisen auf Reaktionstiefs hin, die für das kurzfristige Trading sehr gut genutzt werden können, zum Beispiel um kurzfristig angelegte Short-Positionen zu schließen oder auch (unter gewissen Voraussetzungen) gegen den Trend long zu handeln. Im linear skalierten Chart sind die unterschiedlichen HTCTs mit unterschiedlichen Farben dargestellt. Bei der (vorläufigen) Trendlinie 2 ergibt sich eine Alternative, denn statt des ersten Auflagepunktes, dem Tief vom 14.05.2001 kann auch das Tief vom 16.05.2001 verwendet werden. Sinnvoll ist es, beide abzutragen. Nach Ausbildung der verschiedenen „Trends“ wird auch ersichtlich, dass sie - ausgehend vom Tief am 04.04.2001 - ungefähr gleich große Winkel bilden. Wenn dies der Fall sein sollte, erhält der Trader eine wertvolle Indikation hinsichtlich der Signifikanz des Patterns und ebenso Hinweise auf geometrische Marktstrukturen, die in späteren Lessons erläutert werden.
„Low-Trend-Cross-Time™“ Methode
Nachdem wir vorhin lediglich von einem High ausgegangen sind, gehen wir im nächsten Beispiel auch von einem Low aus. Dementsprechend heißt die dabei verwendete Methode „Low-Trend-Cross-Time™“ (LTCT). Hier sehen wir uns einen Ausschnitt des eben dargestellten NASDAQ-100 an und zwar die Phase nach dem „High 4“.
Ausgehend von diesem „High 4“ entwickelt sich ein Downtrend, der Ende Juli 2001 gebrochen wird. Gemäss des Rollentausch-Prinzips von Unterstützung und Widerstand wandelt sich diese Abwärtstrendlinie nach dem Bruch in eine Unterstützungsline. Mit dem Horizontalsupport „S1“ bildet sie das LTCT, das mit dem HTCT™ exakt zusammentrifft, nämlich am 10.8.2001. Aufgrund dieses Setups konnte man von einer erhöhten Signifikanz für ein Reaktionstief an diesem Tag ausgehen. Für das Schließen einer kurzfristigen trendkonformen Shortposition hätten wir mit unserer Methode auch hier wieder eine wertvolle Indikation erhalten. Etwas später, und das ist leider im Chart nicht mehr zu sehen, kommt es zu einer Fortsetzung des Abwärtstrends. Viele Indikationen deuteten auf eine Beschleunigung der Abwärtsbewegung hin, da der Preis der Zeit gewissermaßen hinterherhinkte und sie einholen musste (mehr davon in einer späteren Lesson).
Sehen wir uns zuletzt anhand des Dow Jones Industrial Averages an, wie Kurszielberechnungen ein HTCT™ bestätigen und die Signifikanz des Patterns damit erhöhen können. Die Kurszielberechnung der Kopf-Schulter-Formation weist auf ein Niveau von ca. 10.100 bis 10.300 hin. Zusammen mit der HTCT™-Methode ergibt sich eine günstige Trading-Opportunität, nämlich dann wenn Zeit- und Preisziel zusammentreffen.
SchlussbemerkungWeder das alleinige Auftreten eines HTCT™ oder LTCT-Patterns, noch deren gemeinsames Auftreten dürfen als alleiniges Setup für einen Trade betrachtet werden. Dieses Timing-Tool stellt lediglich ein weiteres Werkzeug im charttechnischen Werkzeugkasten zur Verfügung, nicht mehr und nicht weniger. Zeitziel-Projektionen müssen nicht zwangsweise, auch bei noch so guter Indikation und Bestätigung durch andere Charting-Tools, zu guten Setups führen. Mit anderen Worten: Es darf aufgrund der Existenz HTCT™-/BTCT™-Setups nicht blind getradet werden. Handlungen an den/in der Nähe von projizierten Zeitzielen bedürfen einer Einstiegstechnik und der gleichzeitigen strikten Anwendung eines stets aktiven Positionsmanagements. Wenn Sie weder über Einstiegstechniken noch über ein professionelles Positionsmanagement verfügen, sollten Sie von etwaigen Trades absehen
Autor: Frank Thönnißen - Co-Investment Advisor bei STRADIVARI (Luxemburg)
http://www.trading-lehrgang.de
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