Heute kann einiges schiefgehen
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Nachdem man bei seiner Depotbank eine Aktie gekauft oder verkauft hat, passiert im Hintergrund viel, was dem normalen Trader oder Anleger verborgen bleibt. Die Bank des Verkäufers einer Aktie muss diese Aktie an die Bank des Käufers der Aktie transferieren (wobei keine physischen Wertpapiere mehr den Besitzer wechseln, sondern eine Umschreibung bei der zuständigen Verwahrstelle erfolgt.) Im Gegenzug muss die Bank des Käufers den Kaufbetrag an die Bank des Verkäufers transferieren. Dieser Prozess wird als Settlement oder Abwicklung bezeichnet.
Heute ändert sich die Mechanik normaler Aktientransaktionen an der Wall Street so stark wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Konkret wird die Zeitdauer, die das Settlement bei Wertpapiertransaktionen dauert, von zwei Tagen (T+2) auf einen Tag (T+1) umgestellt. Das könnte sich durchaus auf den Markt auswirken. Neben den US-Börsen wird heute auch in Kanada und Mexiko die Abwicklungsdauer auf T+1 umgestellt.
Vorteile der Umstellung
Eine schnellere Abwicklung hat einige Vorteile:
- Verringertes Kreditrisiko: Weniger Zeit zwischen Handel und Abwicklung verringert das Risiko von Zahlungsunfähigkeit einer Partei.
- Höhere Effizienz: Zur Absicherung noch nicht abgewickelter Geschäfte müssen beteiligte Akteure (insbesondere die Banken bzw. Broker) Liquidität und Kapital bereithalten. Durch eine schnellere Abwicklung wird also Geld freigesetzt, das für andere Zwecke verwendet werden kann.
- Potenziell geringere Preisbewegungen bei den zugrunde liegenden Wertpapieren während der Abwicklung.
Eine Episode im Zusammenhang mit der Meme-Stock-Euphorie im Jahr 2021 verdeutlicht die Bedeutung der Abwicklung für die normale Funktionsfähigkeit der Märkte: Weil Anleger wie verrückt Gamestop-Aktien und Optionen kauften, musste der Smartphonebroker Robinhood wegen noch nicht abgewickelter Geschäfte am 28. Januar 2021 ganze 3,7 Mrd. USD an zusätzlichen Sicherheitsleistungen (Margin) bei der entsprechenden Clearingstelle hinterlegen. Die Summe war auch deshalb so hoch, weil noch nicht abgerechnete Geschäfte von zwei ganzen Handelstagen abgesichert werden mussten. Der Margin-Call hätte fast zur Pleite von Robinhood geführt, weil der Broker nur rund 700 Mio. USD an Liquidität zur Verfügung hatte. Eine Verringerung der geforderten Margin auf 1,4 Mrd. USD und frische Investorengelder führten dazu, dass Robinhood doch überlebte. Zwischenzeitlich schränkte Robinhood allerdings die Möglichkeit seiner Kunden ein, Robinhood und andere Meme-Stocks bzw. Optionen zu erwerben, was scharf kritisiert wurde und die Handelsmöglichkeit von Privatanlegern einschränkte.
Für Privatanleger und private Trader dürfte die Umstellung wenig konkrete Konsequenzen haben. Zwar erhalten Anleger prinzipiell den Verkaufserlös schneller und Käufer müssen Geld für den Kauf schneller bereitstellen. Allerdings nehmen die meisten Broker bei Transaktionen von Privatanlegern auch bisher schon eine zeitnahe (zum Teil sofortige) vorläufige Verrechnung vor.
Fazit: Wenn alles klappt, merkt man nichts
Sofern die Umstellung reibungslos erfolgt, dürfte für der neue Abwicklungszyklus für normale Anleger oder Trader keine großen Konsequenzen haben. Allerdings müssen Broker und andere Akteure am Finanzmarkt ihre Systeme und Prozesse anpassen, was mit technischen und organisatorischen Herausforderungen verbunden sein kann. Temporär steigt außerdem der Abwicklungsbedarf, weil durch die Verkürzung der Abwicklungsdauer kurzzeitig mehr Geschäfte verarbeitet werden müssen. Es ist also durchaus möglich, dass es heute und an den Folgetagen etwas im Gebälk knirscht. Dass sich die Umstellung auf das Kursgeschehen auswirkt, ist zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber relativ unwahrscheinlich.
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