Fundamentale Nachricht
13:59 Uhr, 25.02.2019

Herausforderungen für Credit-Investments im spätzyklischen Marktumfeld

Bei der Entwicklung eines Ansatzes für systematische Credit-Anlagen haben die Finanzexperten bei GAM Systematic Cantab drei Substrategien gebildet, die sich jeweils auf bestimmte Treiber für Credit-Erträge konzentrieren.

Zürich (GodmodeTrader.de) – Im vergangenen Jahr standen Anleger vor besonders großen Herausforderungen – vor allem angesichts der vorausgegangenen langen Hausse an den Aktien- und Anleihemärkten. Bis Ende Dezember lagen die maßgeblichen Aktienindizes in den USA und in Großbritannien zweistellig unter ihren jeweiligen Höchstwerten im Jahr 2018, während der deutsche DAX-Index bis zum Jahresende um fast 25 Prozent von seinem Höchstwert absackte, wie Linda Gründken, Leitende Wissenschaftlerin bei GAM Systematic Cantab, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Das Tempo der „Normalisierung“ der US-Geldpolitik, in Form der quantitativen Straffung und der schrittweisen Zinserhöhung, habe zudem eine gewisse Ernüchterung an den Credit-Märkten ausgelöst. Investoren hätten sich zurück gehalten, aus Sorge um eine mögliche weitere Verschlechterung der Kreditwürdigkeit, und die Credit-Spreads hätten sich im Jahresverlauf ausgeweitet. In diesem Umfeld hätten Investoren definitiv von Strategien profitieren können, die über traditionelle Long-Positionen in Aktien und Anleihen hinausgingen, denn beide Assetklassen hingen in besonderem Maße vom globalen Wachstum und den Zinssätzen ab. Diese Faktoren hätten aber nicht nur 2018 unter einem schlechten Stern gestanden, ihre Aussichten blieben auch in diesem Jahr schwierig, heißt es weiter.

„Es wird oft behauptet, dass sich aktive Titelauswahl und das richtige Timing besonders gut zur Wertsteigerung in einem spätzyklischen Umfeld, also in der Phase nachdem neue Höchststände erreicht wurden, eignen. In vielen Haussen treibt die positive Stimmung eine breite Kursdynamik an und löst gewissermaßen eine Flut aus, die alle Boote ausnahmslos anhebt. Dies begünstigt die Outperformance des sogenannten ‚Beta‘ gegenüber dem aktiven Management. Sobald jedoch die spätzyklische Phase erreicht ist, und Investoren die bisherigen Annahmen zum Wirtschaftswachstum infrage stellen, lässt diese Dynamik nach. An diesem Punkt beginnen Investoren, den Zeitpunkt von Engagements gezielter zu wählen und sich für jene Wertpapiere (Aktien, Credit-Instrumente usw.) zu entscheiden, die ihrer Einschätzung nach dem spätzyklischen Druck besser standhalten können. Tatsächlich sind Investoren in einem solchen Umfeld gut beraten, ihre Investments sorgfältiger auszuwählen, denn einige Positionen werden sich weitaus schlechter entwickeln als andere. Dieses Verhalten der Marktteilnehmer konnten wir bereits in früheren Zyklen wiederholt beobachten“, so Gründken.

An den Aktienmärkten konzentrierten sich aktive Anleger auf das Timing oder die Höhe des Bruttoengagements und auf Kennzahlen wie den relativen Gewinn je Aktie, die Nachhaltigkeit der Dividenden, die Cashflows der Unternehmen sowie die Preisgestaltungskraft und Innovationen, um die Gewinner von den Verlierern zu unterscheiden. Ähnlich sei es im Anleihen- und Credit-Bereich. Auch hier fokussierten sich aktive Trader auf diese zeitpunktbezogenen Aspekte und fundamentalen Kennzahlen, aber darüber hinaus auch auf weitere Faktoren, die sich in der Regel auf die relativen Credit-Preise auswirkten. Dazu zählten zum Beispiel die Kreditqualität (die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls bei Tilgungs- oder Kuponzahlungen) und die Duration (die Sensitivität eines einzelnen Wertpapiers oder Instruments gegenüber steigenden Zinsen). Diese beiden Credit-spezifischen Risikofaktoren stiegen in der Regel in einem spätzyklischen Umfeld. Somit werde das Timing einer Anlage zu einer zunehmend wichtigen Überlegung, heißt es weiter.

„Während alternative und systematische Ansätze für Aktienanlagen bereits seit Jahrzehnten untersucht werden, genießen sie im festverzinslichen Universum bislang noch nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Dabei können sie einen echten Diversifikationsvorteil zu traditionellen diskretionären Credit-Strategien bieten. Wie also kann ein systematischer Ansatz für die Credit-Märkte ausgestaltet sein, der sowohl von aufwärts als auch von abwärts gerichteten Kreditmärkten profitiert? Bei der Entwicklung unseres Ansatzes für systematische Credit-Anlagen haben wir drei Substrategien gebildet, die sich jeweils auf bestimmte Treiber für Credit-Erträge konzentrieren“, so Gründken.

Der systematische ‚Credit-Trader‘, der den Kern der Substrategie Tactical Credit bilde, konzentriere sich darauf, Chancen auf Basis der Stimmungen am Credit-Markt zu identifizieren. Er könne schnell von einem Engagement in Credit-Instrumenten auf ein sicheres Engagement in Staatsanleihen wechseln, sobald eine Abschwächung der Credit-Märkte drohe. Wenn sich das Umfeld für Credit-Titel wieder stabilisiere, sei es dagegen wichtig, dynamisch in Investment-Grade- und Hochzinsanleihen umzuschichten, um von den höheren Renditen und Erträgen der Unternehmensanleihen gegenüber den als sicher geltenden Anleihen zu profitieren, heißt es weiter.

„Die zweite Substrategie Directional Credit ist auf das mittelfristige Umfeld für Credit-Instrumente ausgerichtet. Sie reagiert auf nachhaltige Veränderungen der Credit-Risikoprämien und geht Long- und Short-Positionen im Einklang mit der Stärke des unterstützenden Signals ein. Die Signale berücksichtigen die Autokorrelation und andere Anzeichen für Kaufdruck bei Credit-Titeln, was sich als Momentum der Kurse und der Credit-Risikoprämien manifestiert. Directional Credit befasst sich bewusst mit längerfristigen Veränderungen des Credit-Umfelds und verfolgt bei der Umsetzung einen langsameren bzw. eher strategischen als taktischen Stil“, so Gründken.

Market Neutral Credit sei die dritte Substrategie und beruhe auf einem ‚Relative-Value‘-Ansatz, der einzelne Credit-Titel unter die Lupe nehme. Die Strategie wähle Long- und Short-Positionen aus, die den besten relativen Wert böten, bleibe aber insgesamt marktneutral. Die marktneutrale Komponente nutze die anspruchsvolle anlagenübergreifende Infrastruktur, die wir im Laufe der letzten zehn Jahre entwickelt hätten, und orientiere sich an einer Kombination aus firmeneigenen fundamentalen Credit-Faktoren zur Identifizierung Einzelwert-bezogener Anlagechancen. Market Neutral Credit strebe danach, künftige Veränderungen der relativen Performance zwischen einzelnen Emittenten zu erfassen, und halte die Positionen in der Regel über eine längere Zeit im Vergleich zu den taktischen und direktionalen Credit-Substrategien, heißt es weiter.

„Alle drei Substrategien sind unabhängige, unterschiedliche und weitgehend unkorrelierte Ertragstreiber, die sich im Hinblick auf ihren Anlagehorizont, den Anlagestil, die Ausrichtung und die einzugehenden Risiken unterscheiden. Daher bieten sie in ihrer Kombination eine wirksame Möglichkeit zur Diversifikation für eine traditionelle Anleihen- und Credit-Allokation. Systematisch zusammengefasst bilden sie eine dynamische Portfolio-Strategie, die je nach den Marktbedingungen potenziell eine vollständig risikobehaftete oder risikoaverse Haltung (sowie jede dazwischenliegende Kombination) einnehmen kann. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Verlustminderung in einem nachhaltig negativen Umfeld an den Credit-Märkten“, so Gründken.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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