Kommentar
16:52 Uhr, 23.11.2018

Hat Quantitative Easing die Zinsen überhaupt gesenkt?

QE geht nun auch in der Eurozone dem Ende entgegen. Es sollte die Zinsen senken. Zeit, einmal zu hinterfragen, ob das funktioniert hat.

QE galt nach der Finanzkrise als Wunderwaffe. Eine Zeit lang traute man QE einfach alles zu. Rückblickend gesehen war die Wirkung allerdings mäßig beeindruckend. Das gilt insbesondere für die Eurozone. Auf die Zinsen, die der Normalbürger zahlen muss, hatte QE keine Auswirkung. Der Leitzins ist hier viel wichtiger.

Die EZB erhebt die Zinsen, die Privatpersonen und Unternehmen auf Kredite zahlen müssen (Grafik 1). Diese Zinssätze orientieren sich ganz offensichtlich am Leitzins. Das macht auch Sinn. Banken leihen sich bei der Notenbank Geld zum Leitzins und vergeben es zu höheren Zinsen an Verbraucher und Unternehmen.

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Vor allem Kredite für den Kauf von Immobilien sind langfristig. Sie orientieren sich daher bis zu einem gewissen Grad auch an den Langfristzinsen. Da die Notenbank diese Langfristzinsen nicht festlegt, braucht es eine andere Benchmark. Das sind für gewöhnlich Staatsanleihen.

Die Rendite vieler Staatsanleihen sank bis Anfang 2015 und ist seither stabil niedrig. Die Kreditzinsen hat das kaum beeindruckt. Vielmehr haben sich diese nicht mehr vom Fleck gerührt. Sie scheinen deutlicher auf den Leitzins als auf Staatsanleiherenditen zu reagieren.

Entsprechend hat auch QE wenig gebracht (Grafik 2). Die Zinsen sanken weit vor Beginn von QE, dank sinkender Leitzinsen. Während der Zeit von QE tat sich nur noch wenig und seit über 2 Jahren bleiben die Zinsen ohnehin stabil.

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In Deutschland oszillieren die Zinsen für Privatpersonen und Unternehmen seit Jahren in der Range von 1,8 % bis 2 %, QE hin oder her. In Spanien lässt sich ein ähnliches Phänomen beobachten. Genau das lässt aufhorchen. Die Zinsen sind in Spanien nicht höher als in Deutschland, obwohl die Rendite von Staatsanleihen 1,3 % höher ist.

Die Staatsanleiherendite hat praktisch keinen Effekt auf die Zinsen, die in der Wirtschaft ankommen. Selbst wenn man Griechenland betrachtet, ändert sich an diesem Bild nichts. In Griechenland sind die Zinsen für Unternehmen mit 3 % höher als in Deutschland, aber deutlich unterhalb der Rendite von Staatsanleihen.

QE bringt für das Zinsniveau also relativ wenig. Es hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Zinsen für die Staaten selbst nicht explodierten, doch für die Wirtschaft hatte es wenig Bedeutung. QE war daher recht eindeutig ein Programm, um Staaten über Wasser zu halten. Mit der Realwirtschaft hatte es wenig zu tun. Hier hatte QE keinen Effekt auf die Zinsen.

Für die Realwirtschaft ist der Leitzins ausschlaggebend. Dieser klebt nun bei 0 % fest. Gleichzeitig führte dies in den letzten Jahren nicht mehr dazu, dass die Zinsen für Verbraucher und Unternehmen fielen. Die Notenbank müsste den Zinssatz also weiter senken, um auch für die Wirtschaft die Zinsen zu senken.

Es gilt dabei als mehr oder minder anerkannt, dass ein Leitzins von weniger als 0 % problematisch ist. Mit anderen Worten: die Zinsen können nicht mehr sinken. Bleibt zu hoffen, dass die Notenbank bis zur nächsten Krise noch Zeit hat. Tun kann sie nämlich nichts.

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  • Brainbow
    Brainbow

    Hallo Herr Schmale,

    danke für den Artikel, der bei mir allerdings Fragen offen lässt

    Sie schreiben:

    "Die Rendite vieler Staatsanleihen sank bis Anfang 2015 und ist seither stabil niedrig. Die Kreditzinsen hat das kaum beeindruckt. Vielmehr haben sich diese nicht mehr vom Fleck gerührt. Sie scheinen deutlicher auf den Leitzins als auf Staatsanleiherenditen zu reagieren."

    Ich verstehe das Erfordernis weiter sinkender Kreditzinsen bei einer gleichzeitig stabilen Benchmark nicht.(jetzt mal unabhängig ob Staatsanleihen langfristig oder Leitzinsniveau kurzfristig). Gleichzeitig frage ich mich wie Sie bei seit 2015 gleichbleibend niedrigen Zinsen (sowohl Leitzins als auch Staatsanleihen) eine höhere Abhängigkeit zum Leitzins ableiten.

    Dass QE einen Effekt hatte sieht man m.E. ganz deutlich daran, dass der Zinsspread zwischen Spanien und Deutschland deutlich zurückgegangen ist. Deutschland hat(te) als Empfänger von schutzsuchendem Kapital sowie so eine höhere Nachfrage, sodass der QE-Effekt geringer ausfiel als in Spanien.

    Sie schreiben weiterhin:

    "Für die Realwirtschaft ist der Leitzins ausschlaggebend. Dieser klebt nun bei 0 % fest. Gleichzeitig führte dies in den letzten Jahren nicht mehr dazu, dass die Zinsen für Verbraucher und Unternehmen fielen."

    Das ist eine gewagte These, denn es impliziert dass Unternehmensfinanzierung hauptsächlich über Kassen- und Kontokorrentkredite abgewickelt wird. Das mag für öffentliche Haushalte wie Städte/Kommunen noch einigermaßen stimmen aber ein planendes Wirtschaftsunternehmen finanziert eine Investition mittel- bis langfristig, schon allein um eine Kalkulationsbasis zu haben. Insofern halte ich diese Aussage für schlichtweg falsch. Dass die Zinsen für Verbraucher und Unternehmen nicht fielen kann ich ebenfalls nicht bestätigen. In 2015 waren z.B. Ratenkredite für Verbraucher mit durchschnittlich 5 - 5,5% deutlich teurer als heute 4,15 - 4,30%. (Quelle: fmh.de Rubrik: Zinsentwicklung)

    Im übrigen hat die EZB immer wieder betont, dass die expansive Geldpolitik nur Zeit verschafft (...für Reformen) und diese Aussage war immer an die Staaten gerichtet und somit kein Geheimnis. Dass die Kreditvergabe angekurbelt werden sollte war ein weiteres Ziel der Politik.

    Falls ich die entsprechenden Passagen falsch interpretiert haben sollte, bin ich für Erläuterungen oder Korrekturen dankbar. :-)

    VG

    Brainbow

    13:35 Uhr, 26.11. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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