Kommentar
08:29 Uhr, 08.10.2015

Hat die japanische Notenbank aufgegeben?

Totgesagte leben länger. Japan ist nun schon so lange totgesagt, dass man sich fragen muss, wie lange das noch Gültigkeit hat. Die Notenbank droht jedenfalls mit ihrer Politik zu scheitern. Die massiven Interventionen über Anleihen- und Aktienkäufe konnten Zeit gewinnen. Nun droht die Zeit endgültig abzulaufen.

Die Notenbank kündigte in ihrer gestrigen Sitzung keine Ausweitung des Anleihenkaufprogramms an. Einige Trader und Anleger waren davon ausgegangen (dazu zähle ich mich selbst auch). Die Daten sind schlecht genug, um eine Ausweitung des Programms zu rechtfertigen.

Dass die Ankündigung ausblieb, kann zwei Dinge bedeutet: die Notenbank hat aufgegeben und gesteht indirekt ihre Machtlosigkeit ein oder sie zögert noch mit einer Ausweitung, weil sie weiß, dass sie nur noch eine weitere Lockerungsrunde beginnen kann. Die monatlichen Anleihenkäufe sind bereits so hoch, dass die Notenbank innerhalb von 7 Jahren die gesamten Staatsschulden aufkaufen könnte. Eine Ausweitung des Programms um einen signifikanten Betrag würde die Zeit, die es für den Aufkauf aller Staatsschulden braucht, vermutlich auf 5 Jahre senken. Sollte die BoJ ihr Programm ausweiten wollen, dann geht das nur noch ein einziges Mal, weil sonst die Staatsanleihen ausgehen.

Persönlich halte ich die Lage in Japan inzwischen für schwierig genug, um die letzte Lockerungsrunde zu beginnen. Die Notenbank sieht das (noch) anders. Notenbankchef Kuroda gesteht indirekt ein, dass er auf ein Wunder (Reflationierung) hofft. Dieses Wunder wird nicht kommen. Die Chancen auf eine weitere Lockerung stehen noch gut. An der Lage wird es nicht viel ändern. Was Anleihenkäufe von 60 bis 100 Mrd. USD pro Monat nicht schaffen, werden auch 150 Mrd. nicht erreichen.

Man fragt sich inzwischen, ob überhaupt noch jemand in Japan selbst an den Aufschwung glaubt. Die Notenbank scheint es nicht mehr zu tun. In ihrem Quartalsbericht bespricht die BoJ (Bank of Japan) die Lage sehr ausführlich. Wirklich relevant erscheinen aber nur zwei Datenreihen. Zum einen ist da das potentielle Wachstum der Wirtschaft. Grafik 1 zeigt wie die BoJ das potentielle Wachstum einschätzt. 2014 lag es bei ungefähr 0,5%. Für dieses Jahr wird eine Stagnation erwartet. Ab 2016 könnte das potentielle Wachstum wieder sinken.

Die potentielle Wachstumsrate berechnet sich über die Zusammenführung mehrerer Faktoren. Dazu gehören Produktivität, Investitionen, Beschäftigung und Arbeitszeit. Während die Produktivität und die Investitionen einen positiven Effekt haben, drücken die beiden anderen das Wachstum. Immer weniger Menschen arbeiten (Überalterung) und jene, die arbeiten, arbeiten tendenziell weniger. Dadurch entsteht eine sehr niedrige Wachstumsdynamik.

Seit fast 20 Jahren liegt das potentielle Wachstum der japanischen Wirtschaft bei weniger als einem Prozent. Grafik 2 stellt das potentielle dem tatsächlichen Wachstum gegenüber. Das realisierte Wachstum weicht vom Potential immer wieder deutlich ab. Langfristig laufen beide Zeitreihen allerdings parallel. Die Vorhersage des potentiellen Wachstums über die Faktoren Beschäftigte, Arbeitszeit, Produktivität und Investitionen funktioniert sehr gut.
Investiert wird in Japan wenig. Hier ist in den kommenden Jahren keine Beschleunigung zu erwarten. Die Bevölkerung schrumpft und das Produktivitätswachstum ist unter anderem wegen niedriger Investitionen begrenzt. Die Arbeitszeit könnte einen positiven Effekt haben, doch unter Strich wird das potentielle Wachstum Japans in den kommenden Jahren nicht über 0,5 bis 1% steigen. Die Notenbank sagt das nicht so explizit, doch ihre Daten sprechen eine eindeutige Sprache.

Besonders beunruhigend ist die Entwicklung der Inflationserwartungen. Diese sinken wieder auf breiter Front und allen zeitlichen Ebenen (Grafik 3). Sinkende Inflationserwartungen dürften in den kommenden Monaten einen negativen Effekt auf Investitionen und Konsumausgaben haben.
Seit Beginn des japanischen QE Programms konnten die Inflationserwartungen steigen. Seit 2013 tendierten sie seitwärts und drohen nun wieder nach unten wegzukippen. Die Notenbank ist dagegen machtlos. Sie könnte QE noch einmal ausweiten und damit etwas mehr Zeit gewinnen. Mehr als das wäre es nicht. Immerhin dürfte es den Yen auf eine weitere Talfahrt schicken. Die Frage ist nur, wann es geschieht. Das kann bei der nächsten Notenbanksitzung Ende Oktober geschehen, aber auch erst in einem Jahr.

Persönlich gehe ich davon aus, dass der Yen kollabieren wird, selbst wenn die Notenbank still hält. Das Wachstum springt nicht an, die Staatsschulden explodieren weiter und die Inflation ist verschwunden. Wenn nun auch noch die Inflationserwartungen rückläufig sind, dann wird es ernst. In Europa und den USA halten sich die Inflationserwartungen stabil. Das lässt auf eine gewisse Zuversicht der Marktteilnehmer und Konsumenten schließen. In Japan ist das anders. Anleger und Konsumenten drohen umzuschwenken und an Deflation zu glauben. Das kann die Wirtschaft endgültig abwürgen. Spätestens wenn das geschieht muss jedem klar sein, dass hinter dem Yen wirklich überhaupt kein Wert mehr steht: keine Wirtschaftskraft, kein Wachstum, kein Staat, auf dessen Steuern man zählen kann und eine Notenbank mit wertlosen Staatsanleihen in der Bilanz.

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3 Kommentare

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  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Ich verstehe folgende Aussage nicht - kann sie mir jemand erklären:

    Spätestens wenn das geschieht muss jedem klar sein, dass hinter dem Yen wirklich überhaupt kein Wert mehr steht: keine Wirtschaftskraft, kein Wachstum, kein Staat, auf dessen Steuern man zählen kann und eine Notenbank mit wertlosen Staatsanleihen in der Bilanz.

    Deflation bedeutet doch Steigerung der Geldwertes gegenüber den Sachwerten.

    16:02 Uhr, 08.10. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Chamäleon
    Chamäleon

    Und welches Währungspaar würden Sie bevorzugen?

    11:14 Uhr, 08.10. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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