Kommentar
14:01 Uhr, 22.09.2008

„Hart aber leider ziemlich unfair“

Eine wohl historische Börsen-Woche liegt hinter den Anlegern, die speziell nach der Beantragung des Gläubigerschutzes von Lehman Brothers am Zertifikatemarkt für reichlich Verwirrung gesorgt und hier zum Teil essentielle Fragen aufgeworfen hat, die früher eher theoretischer Natur waren. Ist mein Zertifikat noch sicher? Soll man wegen des Emittentenrisikos überhaupt noch in strukturierte Produkte investieren? Alles Fragen, zu deren Beantwortung derart populistische Sendungen wie die am vergangenen Mittwochabend im ZDF ausgestrahlte Ausgabe von „Hart aber fair“ keinesfalls beitragen können, bei der von so manchem anwesenden „Experten“, der zum Teil sogar seit Jahren im TV von der Börse berichten darf, leider die Tatsachen vollständig verdreht wurden und Anlage-Zertifikate als mögliche Opfer der Finanzmarktkrise plötzlich als die Ursache allen Übels verunglimpft wurden und das womöglich nur deshalb, weil man sie selbst nicht im Entferntesten versteht oder verstehen möchte. „Produkte, die man nicht in 2,30 Minuten erklären kann, taugen nichts“, na wer das behauptet, sollte sein neues Handy am besten auch gleich mit aus dem Fenster werfen. Was soll der Zuseher respektive Anleger bei solch unqualifizierten Kommentaren überhaupt noch denken? In der Haut eines Bankberaters will man da schon gleich gar nicht stecken, nach dieser mehr als „unfairen“ Sendung.

Aber auch von Seiten des hochgelobten erst seit dem vergangenen Jahr neu aufgestellten Verbandes war in der bislang schwersten Krise wieder einmal nichts in den Medien zu vernehmen, wie schon damals, als es um die Abgeltungssteuerproblematik und deren negative Konsequenzen für den Zertifikatemarkt ging. Derweil sich an der Basis die Emittenten trotz des Vertrauens-Desasters schon wieder stolz auf die Schenkel klopfen und davon angetan zeigen, dass immer mehr „erwachsen gewordene“ Anleger ihr Heil derzeit in Reverse-Produkten auf fallende Märkte suchen. Nur zu dumm, das es sich bei diesen Papieren ebenfalls um Inhaberschuldverschreibungen handelt. Das Business ist eben knallhart und duldet keine möglichen „Verlierer“, auch wenn man sie letztendlich mit markigen Sprüchen und Hochglanzbroschüren selbst hervorgebracht hat und dies auch weiterhin in großem Stile tut, man denke da nur an das schier unbegrenzte Angebot an Kapitalschutzanleihen, mit denen sich Investoren für ein oder zwei Prozent mehr Rendite das Emittentenrisiko ins Depot holen. Vielleicht könnte man dem ungläubigen Unternehmensberater aus der „Hart-aber-Fair-Runde“ bei Gelegenheit auch einmal erklären, wie dieses Auszahlungsprofil doch möglich ist. Bei soviel vornehmer Zurückhaltung der Schlüsselorgane der Branche dürfte dem Populismus aber leider auch weiterhin Tür und Tor geöffnet bleiben, auch wenn einige beruhigende Worte von Expertenseite dem verunsicherten Zertifikateanleger auch manchmal ganz gut täten.

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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