Handelskonflikt: Märkte im Wechselbad der Gefühle
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Berlin (GodmodeTrader.de) - Die Europawahlen waren auf den ersten Blick ein Non-Event für die Kapitalmärkte. Es gab bis auf die eher unbedeutende griechische Börse kaum größere Kursbewegungen. Beim genauen Hinsehen bieten die Ergebnisse jedoch jede Menge Interpretationsspielraum für sich schleichend vollziehende substanzielle Veränderungen innerhalb Europas, die auch die Börsen nicht unberührt lassen sollten, wie Daniel Schär von der Weberbank in der aktuellen Ausgabe von „Finanzmarkt aktuell“ schreibt.
An den Finanzmärkten sage man: „Politische Börsen haben kurze Beine“ – und meine damit, dass die Auswirkungen politischer Veränderungen im Regelfall eine nur kurze Halbwertzeit und damit einen temporären Einfluss auf die Entwicklung an den Kapitalmärkten hätten. Spätestens seit Beginn der Ära Trump gelte der Wortlaut leider nur noch eingeschränkt. Speziell die amerikanische Politik habe sich mit ihrem neuen Stil zunehmend in den Vordergrund gedrängt und dominiere das Tagesgeschehen. Ob Steuerreform, Handelskonflikt oder Sanktionspolitik: Die Auswirkungen seien im Regelfall nicht nur temporärer, sondern strategischer Natur, heißt es weiter.
„Auch in Europa sehen wir, dass das etablierte Parteiengefüge der letzten Dekaden zunehmend unter Druck gerät. Den großen Volksparteien scheint es schwer zu fallen, Antworten auf die Zeitgeistthemen zu finden und die Wähler zu erreichen. Neue Parteien, wie die BREXIT-Partei von Nigel Farage, bieten scheinbar simple Antworten und feiern aus dem Stand große Erfolge. Die Parteienlandschaft beginnt vielfältiger zu werden und stabile Mehrheitsverhältnisse ungewisser. Unsicherheit mögen Unternehmer und auch Investoren allerdings überhaupt nicht. Um mittel- bis langfristig planen zu können, braucht man verlässliche Rahmenbedingungen. Die dringend benötigte Reform der europäischen Union und der einheitliche Auftritt nach außen, um Supernationen wie den USA oder China die Stirn bieten zu können, werden mit der neuen europäischen Parteienlandschaft nicht einfacher“, so Schär.
Das Taktieren der beiden Verhandlungsparteien USA und China im Handelskonflikt versetze die Märkte in ein Wechselbad der Gefühle. Keime an einem Tag Hoffnung auf, nachdem ein positiver Twitter-Beitrag von Präsident Trump veröffentlicht worden sei, so werde am nächsten Tag durch neue Sanktionen der USA zur „Sicherheit der Nation“ alles in Frage gestellt. Auf dieser Basis falle es schwerer denn je, einen nachhaltigen fundamentalen Trend zu erkennen, heißt es weiter.
„Betrachtet man die Volkswirtschaft, so fällt weltweit die Schwäche im verarbeitenden Gewerbe auf. Die Industrie leidet unter den zunehmenden Handelsbeschränkungen und der sich abkühlenden Weltwirtschaft. Glücklicherweise zeigt sich der Konsum stabil und stützt damit den Dienstleistungssektor. Blickt man auf die Unternehmenszahlen, die zur Geschäftsentwicklung im ersten Quartal 2019 gemeldet worden sind, so fällt auf, dass diese überraschend gut ausfielen“, so Schär.
So seien die Gewinne im ersten Quartal im niedrigen einstelligen Bereich gegenüber dem Vorjahr gewachsen. Das höre sich zwar erstmal nicht berauschend an, angesichts des starken Wachstums im vergangenen Jahr und der widrigen Umstände des Vorquartals sei das jedoch durchaus positiv zu werten. Auf Gesamtjahressicht sei für die Industrienationen mit einem Gewinnwachstum im einstelligen Bereich zu rechnen. Diese Entwicklung sollte ein solides Fundament für die Aktienmärkte bilden. Angesichts der vorhandenen Unsicherheiten sollte auf eine ausgewogene Depotaufstellung geachtet werden, heißt es weiter.
„Die allseits beliebten Technologieaktien zeigen auch aktuell eine hohe Anfälligkeit, wenn die Risikoaversion steigt. Werte aus dem Gesundheitssektor oder aber dem Telekommunikationsbereich, die weniger konjunktursensitiv sind, konnten profitieren. Schwellenländeraktien standen zuletzt ebenfalls unter Druck, da der schwelende Handelskonflikt belastete. Lediglich Indien konnte aufgrund des klaren Wahlsiegs von Narendra Modi und der Hoffnung auf eine Fortsetzung des eingeschlagenen Reformkurses profitieren“, so Schär.
Die Realrendite deutscher Staatsanleihen, also die Rendite nach Abzug der Inflation, habe in den vergangenen Tagen erneut die Niveaus um minus zwei Prozent erreicht, die den historischen Tiefststand aus dem Jahr 2018 markierten. Die Flucht in Qualität in einem Umfeld gestiegener Risikowahrnehmung werde hier sichtbar. Im Gegenzug seien die Risikoprämien der meisten anderen Anlagesegmente gestiegen. Sowohl Anleihen von europäischen Peripheriestaaten, wie beispielsweise Italien, als auch Unternehmensanleihen hätten entsprechende Renditeaufschläge gezeigt. Entgegen der bei Schwellenländeraktien zu beobachtenden Kursrückgänge hätten sich Anleihen aus den aufstrebenden Volkswirtschaften stabil präsentiert, heißt es weiter.
„In unserem Basisszenario erwarten wir weiterhin eine Einigung im Handelskonflikt, da Trump die gestiegenen Risiken einer deutlichen Wirtschaftsabschwächung im Wahljahr 2020 vermeiden will. In diesem Umfeld sollten Anleihen aus den Schwellenländern profitieren können und stellen eine interessante Depotergänzung dar“, so Schär.
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