Kommentar
13:00 Uhr, 10.09.2021

Halten wirklich die Privatanleger den Aktien-Bullenmarkt am Leben?

Privatanleger haben mit Pandemiebeginn Aktien für sich entdeckt. Inzwischen wird dieser Anlegergruppe nachgesagt, dass die fast ganz allein für den Bullenmarkt verantwortlich sind. Stimmt das und ist das eine schlechte Nachricht?

Am Vermögen, welches in Aktienfonds gehalten wird, kann man die Börseneuphorie nicht ablesen. Bis Anfang 2016 konnten Aktienfonds Geld anziehen. Fondsgesellschaften mit Sitz in den USA verwalteten damals 11,4 Billionen in Aktienfonds. Seither hat sich das Vermögen fast halbiert. Der Aktienmarkt ist trotzdem gestiegen. Das liegt unter anderem am Siegeszug der ETFs. Während Fonds Billionen an Kapitalabflüssen verkraften mussten, gewannen ETFs im gleichen Zeitraum. Der Schwenk von Fonds zu ETFs ist aus Kostengründen absolut zu befürworten. Die wenigsten Aktienfonds können die Performance des breiten Marktes nicht annähernd erreichen. Bei jährlichen Verwaltungsgebühren bis 5 % und dazu noch Ausgabeaufschlägen, ist eine Outperformance fast unmöglich. ETFs haben aber nicht nur Vorteile. Wenn alle Anleger nur noch ETFs auf marktbreite Indizes kaufen, kommt es zu Ungleichgewichten...

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Man kauft einfach den S&P 500 oder den Dax, unabhängig davon, ob ein Unternehmen gut oder schlecht ist. Man verhilft im Extremfall Unternehmen, die praktisch bankrott sind, zu hohen Bewertungen, weil undifferenziert einfach alles gekauft wird. Einige sagen dem Markt deswegen langfristig ein Versagen voraus.

Wenn alle nur noch passiv investieren, machen die Kurse von einzelnen Unternehmen keinen Sinn mehr. Persönlich sehe ich das weniger skeptisch. Kommt es zu einer solchen Schieflage, gibt es immer noch ausreichend aktive Vermögensverwalter, die diese Ineffizienz ausnutzen werden. Zudem setzen aktiv gemanagte ETFs einen neuen Trend und ziehen immer mehr Kapital an. Um die Funktionsweise des Marktes muss man sich keine akuten Sorgen machen.

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Wie groß ist die Börseneuphorie unter Privatanlegern? Sie ist groß. Gebrandmarkt von der Internetblase und der Finanzkrise verkauften Privathaushalte in den USA bis 2012 Fondsanteile. Es wurden zwar auch auf der anderen Seite ETFs gekauft, doch in Summe zogen Haushalte zwischen 2008 und 2012 fast vier Billionen Dollar ab.

Das Trauma war nach zwei katastrophalen Bärenmärkten einfach zu groß. Mit der Zeit kommt das Vergessen und es kommt eine neue Generation an Anlegern. Zwischen 2012 und 2017 wurden wieder Aktien gekauft. Die Bilanz seit 2008 war aber immer noch negativ. Das änderte sich mit der Pandemie. Seit den Tiefs im ersten Quartal 2020 kaufen Privathaushalte Aktien in einem Tempo, das es in diesem Ausmaß noch nicht gab, nicht einmal zur Zeit der Dotcom-Blase vor über 20 Jahren.

Die Zahlen beinhalten zudem nur die Veränderung im Bestand von Aktienfonds und ETFs. Zusätzlich kommen viele Milliarden, die über Plattformen wie Robinhood und andere Broker direkt im Markt investiert werden. Damit sind Privathaushalte nicht die einzigen, die kaufen, aber sie sind aktuell (in Summe) eine treibende Kraft.

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Das können sie auch vorerst bleiben. Der Trend zum Aktienkauf scheint die Langeweile der Pandemie zu überdauern. Wie in den späten 90er Jahren, können mehrere Jahre vergehen, bis der Kapitalzustrom versiegt. Der gewöhnliche Haushalt beschäftigt sich nicht intensiv mit der Börse. Bis die Begeisterung bei allen ankommt, dauert es.

Kurzfristig ist das für Anleger sogar eine gute Nachricht. Es wird relativ unabhängig von Bewertung oder anderen Faktoren gekauft. Alles, was sonst an der Börse zählt, ist für die meisten irrelevant oder wird gar nicht wahrgenommen. Der Markt steigt und steigt, solange der Nachschub an Kapital nicht versiegt.

Versiegt er erst einmal, wird es schmerzhaft. Dieser Zeitpunkt ist noch nicht gekommen und kann noch lange auf sich warten lassen.

Clemens Schmale


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  • Aus meiner Sicht
    Aus meiner Sicht

    Mit dem niedrigen Zinsniveau sind die Aktienkurse zu erklären und verständlich. Ein Vergleich mit historischen Kursen und / oder Ereignissen wird m.E. der jetzigen Situation nicht gerecht.

    14:54 Uhr, 10.09.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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