Kommentar
12:57 Uhr, 28.09.2011

Hände weg von Produktinformationsblättern?

Sie sollten eigentlich das Investieren in Zertifikate erleichtern, die neuen seit 1. Juli vorgeschriebenen 3-seitigen Produktinformationsblätter, denen sich die Ratingagentur Scope Analysis vor ein paar Monaten durchaus recht kritisch bei einem Vergleich von 24 Emittenten widmete. Neben kleineren Fehlern beispielsweise bei der Seitenzahl wurde dort auch auf vereinzelt vorkommende schwerwiegendere Dinge wie unrichtige „Szenario-Beispiele“ hingewiesen.

Kleinvieh macht auch „Mist“

Nach eigenen Erfahrungen halten die sogenannten PIBs aber längst nicht das, was sich viele davon versprochen hatten, wobei falsch dargestellte Auszahlungsszenarien noch nicht einmal den „Worst-Case“ und möglicherweise auch nicht unbedingt die Ausnahme darstellen. So wurde beispielsweise im aktuellen Zeichnungskalender eines großen Discount-Brokers eine von der Emittentenseite differierende Version mit falscher Szeario-Analyse entdeckt, bei der es sich um eine sicherlich ungeprüfte und evtl. noch nicht ausgewechselte Altausgabe handelte. Für den Anleger oder dessen Berater, der sich wohl zuerst auf der Internetseite seines Brokers bedient, nicht gerade ein Vertrauensbeweis, von der mit diesbezüglichen Zusatzinformationen angestrebten Transparenz ganz zu schweigen.

Das ist schon ein „dicker Hund“

In einem anderen Fall war von einem Emittenten auf der eigenen Internetseite sogar ein von A bis Z falsch konzipiertes PIB ebenfalls bei einem Neuprodukt eingestellt worden. Dabei wurde eine Sprint-Struktur mit konservativer Ausrichtung als klassisches Outperformance-Produkt „verkauft“. Noch dazu wurde das darüber hinaus falsch deklarierte Papier auch noch in der Outperformance-Rubrik geführt, so dass es für den bullischen Anleger, der sich auf den ersten Blick vielleicht sogar noch über das besonders attraktive Chance-Risiko-Profil mit 4-fachem Hebel wunderte, eigentlich relativ klar sein musste, das er ein aggressives Long-Produkt kauft. Einzig und allein, wer sich darüber hinaus die Mühe machte, auch noch den ellenlangen Verkaufsprospekt zu wälzen, konnte erkennen, dass er tatsächlich einen der offensiven Markterwartung widersprechenden Sprinter mit sehr niedriger Stopp-Schwelle vor sich hatte.

Neues „Vakuum“ zwischen PIB und Verkaufsprospekt?

Gar nicht auszudenken, wenn es sich bei solchen PIBs, die umgangssprachlich gerne auch als „Beipackzettel“ bezeichnet werden, statt um Finanzprodukte um Arzneien handeln würde. Bei solch gravierenden Mängeln, von denen zwar im Prinzip auch andere Publikationen betroffen sein können, drängt sich einem trotz alledem fast unweigerlich die Frage auf, ob die neuen dem Markt aufgenötigten „Transparenz-Künstler“ wirklich einen Mehrwert schaffen und den Investor nicht doch eher verwirren bzw. sogar in falscher Sicherheit wiegen? Zumindest wirkt das von so manchem Zertifikate-Experten nicht ganz zu Unrecht eher als überflüssig beurteilte Anhängsel in vielen Fällen als mit ziemlich „heißer Nadel gestrickt“, was dem Anleger natürlich wenig weiterhilft. Diese Funktion könnten sicherlich die vielen über die Jahre gut und noch dazu sehr übersichtlich gestalteten Produktflyer vieler Emittenten sehr wohl erfüllen, wenn sie nicht inzwischen von dem einen oder anderen eiligst zusammengeschusterten PIB wegrationalisiert worden wären. Dessen generelle Aufmachung und inhaltliche Abfolge lässt im Übrigen sehr zu wünschen übrig, so dass die sonst übliche schnelle Orientierung selbst für Eingeweihte nicht immer ganz leicht möglich ist, weil irgendwie vieles an der „falschen“ Stelle platziert zu sein scheint oder tatsächlich interessierende Zusatzinformationen wie z.B. das Vorhandensein einer Währungssicherung auch in den meisten Produktinformationsblättern fehlen. In jedem Fall hätte man das Ganze deutlich griffiger gestalten können.

Traue keinem PIB, das Du nicht vorher geprüft hast!

Dem in der Scope-Studie gezogenen Fazit „das PIB allein genügt nicht“ ist deshalb uneingeschränkt zuzustimmen, wenngleich aus einem etwas anderen Grund. Denn das Argument, dass Privatanleger „ohne Vorkenntnisse mit diesen Papieren als einziger Informationsquelle wohl überfordert wären“, spricht eigentlich nur für die an dieser Stelle immer wieder geäußerte Tatsache, dass für die Zertifikateanlage generell gewisse Vorkenntnisse erforderlich sind und sich derartige Produkte deshalb auch nicht für jedermann eignen. So manches Problem beispielsweise mit sogenannten „Lehman-Zertifikaten“ hätte sich dadurch wohl vermeiden lassen. Was die angesprochenen Schwierigkeiten mit den PIBs anbelangt, die sich im Übrigen bereits bei einer ganz normalen Neuprodukt-Recherche und nicht erst bei einer detektivischen Fehler-Suche ergaben, sollte sich der Investor in jedem Fall noch einmal über den ungeliebten Verkaufsprospekt „absichern“. Leider erschließt sich dessen Inhalt für einen juristisch ungeübten Leser häufig erst ganz mühsam und ist deshalb mit einiger Mühe verbunden, was ebenfalls wiederum für den aktiven Investor und nicht für einen bloßen Zertifikate-Konsumenten spricht. Im Zweifelsfall hilft auch ein Anruf bei der Produkt-Hotline des Emittenten meist weiter. Dies ist allerdings immer noch besser, als sich generell auf die Aussagen in so manchen PIBs zu verlassen.

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/zertifikate

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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