Kommentar
07:30 Uhr, 11.07.2016

Gute Nachrichten aus Europa - aber auch gut genug?

Aus Europa kommen positive Signale. Das ist angesichts der Verunsicherung der letzten Tage hochwillkommen.

Die wirtschaftliche Genesung in Europa schreitet langsam aber sicher weiter voran

Am 1. Juli veröffentlichte Eurostat die Arbeitsmarktdaten für Mai (nicht nur die USA können gute Arbeitsmarktdaten liefern). Sie zeigen einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit in der EU und der Eurozone. Die Arbeitslosigkeit in der EU (28 Länder inkl. Großbritannien) kommt so langsam wieder in einen gesunden Bereich. Mit 8,6 % liegt die Quote zwar noch knapp 2 Punkte oberhalb der Rekordbeschäftigung des Jahres 2008, doch deutlich unterhalb des langjährigenDurchschnitts.

In der Eurozone sieht die Lage etwas anders aus

Auch hier geht die Arbeitslosigkeit weiter zurück, doch mit einer Quote von immer noch mehr als 10 % kann man nicht gerade von einem Beschäftigungswunder sprechen. Die Quote befindet sich heute gerade einmal dort, wo sie nach der Finanzkrise 2010, aber vor der Schuldenkrise ab 2011, stand.

Bis man in der Eurozone wieder von einem einigermaßen normalen Niveau sprechen kann, muss die Quote noch um 2 Prozentpunkte auf 8 % sinken. Geht es im aktuellen Tempo weiter wie bisher, wird dies nicht vor 2018 oder 2019 der Fall sein. Insbesondere jene Länder, die vom Rettungsschirm Gebrauch bzw. fast Gebrauch machen mussten, hinken der Entwicklung dramatisch hinterher.

Irland zeigt, was auch in der Krise möglich ist

Grafik 2 zeigt, dass sich von den Krisenländern lediglich Irland wieder gut erholen konnte. Irland zeigt, dass es auch unter schwierigen Bedingungen möglich ist, wieder zu wachsen. Irland hatte vor kurzem noch eine Staatsverschuldung von 120 % der Wirtschaftsleistung. Trotz Sparprogramms konnte sich das Land jedoch aus der Rezession befreien und das, obwohl das Land insgesamt (Unternehmen, Bürger, Staat) eine der höchsten Verschuldungen in der Welt hat.
Wenn Politiker argumentieren, dass man das Wachstumsproblem nur beseitigen kann, indem der Staat nicht mehr spart, dann ist das falsch. Irland zeigt, dass es auch anders gehen kann. Natürlich waren die Voraussetzungen andere als etwa in Griechenland, doch die Wachstumsmisere allein auf Sparprogramme zu schieben, ist etwas kurz gegriffen und dient mehr als Ausflucht, denn als stichhaltiges Argument.

Der Trend in der Eurozone stimmt. Mitten in diese erfreuliche Entwicklung platzte der Brexit. Die EZB warnt, dass der Brexit das Wachstum der Eurozone um 0,5 Prozentpunkte bis 2019 senken könnte. Das ist eine ganze Menge in einem kurzen Zeitraum und dürfte die positive Beschäftigungsentwicklung ausbremsen.

Die Folgen des Brexit müssen erst noch abschließend evaluiert werden

Vorsorglich positioniert sich die EZB jedoch schon einmal für weitere geldpolitische Lockerung. Persönlich halte ich weitere Lockerungen zum jetzigen Zeitpunkt für keinesfalls notwendig. Das extrem umfängliche, im März beschlossene Programm der EZB ist mehr als ausreichend, um die Folgen abzufedern.

Generell kann ich mir gut vorstellen, dass der Brexit „viel Wirbel um nichts“ ist. Zweifellos können die Folgen dramatisch sein. Das gilt insbesondere dann, wenn Konsumenten und Unternehmen tatsächlich und plötzlich Konsum und Investitionen zurückhalten. Vorstellen kann ich mir das nicht. Vor einem Jahr stand die Eurozone im Zuge des Griechenland-Referendums kurz vor dem Zusammenbruch. Geschadet hat das kaum.

Man sollte den Brexit wirklich nicht überbewerten. Eine Gefahr für den positiven Trend in der Eurozone sehe ich aktuell noch nicht. Die Datenlage ist gut und sollte gut bleiben. Das einzig frustrierende ist die unerträgliche Langsamkeit der wirtschaftlichen Genesung. Geht es in diesem Tempo weiter, dann muss man befürchten, dass die nächste Krise beginnt, bevor sich die Wirtschaft wieder vollkommen erholt hat.

Clemens Schmale

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12 Kommentare

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  • Garten
    Garten

    ... wobei der Konsum auch noch sehr ungleich verteilt sein kann ...

    10:30 Uhr, 11.07. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Garten
    Garten

    Die Arbeitsmarktdaten sagen nicht unbedingt so viel aus, weil viele Billigjobs entstanden und durch Migration Arbeitskräfte die Krisenländer verließen.

    Nimmt man den Kosum in Italien, Spanien aber auch Irland sieht es für die Länder schlecht aus.

    vgl:

    (bitte Zeitreihen auf max stellen)

    http://www.tradingeconomics.com/spain/consumer-spe...

    http://www.tradingeconomics.com/italy/consumer-spe...

    http://www.tradingeconomics.com/ireland/consumer-s...

    10:26 Uhr, 11.07. 2016
  • 1 Antwort anzeigen
  • LAMBO_BABY
    LAMBO_BABY

    Guter Artikel aber wie es nach dem Brexit jetzt weiter geht ist wie immer reine Spekulation.

    08:05 Uhr, 11.07. 2016
  • Mitdenker
    Mitdenker

    Ihre Einstellung zu den Auswirkungen des Brexits teile ich. Die Welt hat sich vorher gedreht und wird es auch dannach. Aber zu den Arbeitsmarktdaten aus der EU bzw. EWR sage ich, egal ob die Zahlen wie n den USA durch Umfragen ermittelt werden oder geschönt werden... Beide Werte sind für mich nicht glaubhaft.....

    07:48 Uhr, 11.07. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
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Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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