Kommentar
10:39 Uhr, 19.01.2007

Gute Lagerdaten drücken den Ölpreis

1. Die gestrigen Lagerdaten brachten positive Überraschungen und drückten den Ölpreis merklich. Die US-Rohöllager wurden sehr kräftig um 6,8 Mio. Barrels aufgebaut. Erwartet wurde lediglich eine Seitwärtsbewegung (Bloomberg-Median: 0,1 Mio. Barrels). Die Benzinvorräte verzeichneten ein Plus von 3,5 Mio. Barrels (Bloomberg-Median: 2,2 Mio. Barrels). Die Heizöl- und Diesellagerbestände konnten um 0,9 Mio. Barrels zulegen, wobei die Analysten hier sogar mit einem leicht stärkeren Aufbau gerechnet hatten (Bloomberg- Median: 1,3 Mio. Barrels).

Die einzige schlechte Nachricht war das sehr starke Sinken der Auslastung der USRaffineriekapazitäten um 3,5 Prozentpunkte auf 87,9 %. Das negative Vorzeichen an sich ist jedoch nicht überraschend, da wir uns in der Zeit der planmäßigen Instandhaltungsarbeiten bei den Raffinerien befinden. Historisch gesehen erreicht die Kapazitätsauslastung (ohne exogene Schocks wie Hurrikans) ihren Tiefpunkt im Jahresverlauf oft im Februar bzw. März.

2. Die gestrigen Lagerdaten verstärkten den Preisverfall des Rohöls, der die vergangene Woche bereits dominiert hatte. Der Preis für die Sorte WTI sank nach der Lagerdatenveröffentlichung um reichlich 1,50 US-Dollar und näherte sich der 50-Dollar-Marke. Weiterhin bestimmen zwar die milden Temperaturen die Ölpreisentwicklung, doch dürfte dieser Sondereffekt vielleicht schon früher als gedacht auslaufen. Bereits für die kommenden zwei Wochen prognostiziert die Nationale Wetterbehörde NOAA für die USA, vor allem für den Nordosten, die wichtigste Heizregion des Landes, merklich niedrigere Temperaturen.

3. Von der fundamentalen Seite her bleibt der Rohölmarkt eng, dies bestätigt auch der „Monthly Oil Market Report“ der Internationalen Energieagentur (IEA) für den Januar. Für 2007 rechnen die Experten mit einem im Vergleich zum Jahr 2006 beschleunigten Anstieg der weltweiten Rohölnachfrage um täglich 1,4 Mio. Barrels (bzw. 1,6 %) auf 85,8 Mio. Barrels. Stellt man dieser Nachfrage das prognostizierte Nicht- OPEC-Angebot (plus das OPEC-Flüssiggasangebot) von 57,2 Mio. Barrels entgegen, ergibt sich ein Rohölangebotsbedarf für die OPEC-Länder für das Jahr 2007 von 28,6 Mio. Barrels täglich, um die Knappheitsverhältnisse am Rohölmarkt wenigstens nicht zu verschärfen. Dies entspricht zwar ungefähr den im Dezember geförderten OPEC-Rohölmengen, jedoch sind die OPEC-Länder derzeit dabei, ihre Produktion zu drosseln (Beschluss ab 1. Februar: - 0,5 Mio. Barrels täglich; zudem wurde die seit November 2006 geltende Kappung um täglich 1,2 Mio. Barrels noch nicht in vollem Umfang umgesetzt). Angesichts des derzeitigen niedrigen Preisniveaus sehen manche OPEC-Länder (bspw. Algerien) sogar die Notwendigkeit für ein erneutes baldiges Treffen. Das größte Mitglied Saudi-Arabien hat jedoch unlängst betont, dass erstmal die bisher bereits beschlossenen Fördermengenkürzungen umgesetzt werden müssen, bevor weitere Meetings stattfinden bzw. weitere Maßnahmen getroffen werden. Eins scheint jedoch klar: Einschränkungen des OPEC-Angebots im Verlauf von 2007 dürften sich am Ölmarkt als preistreibend bemerkbar machen. Die fundamentale Enge des Marktes spiegelt sich nicht zuletzt auch in den internationalen Lagerbestandsveränderungen wider: Die OECD-Rohölvorräte setzten im November und Dezember ihren sinkenden Trend fort, der bereits seit September anhält. Es spricht insgesamt vieles dafür, dass sich die fundamentale Knappheit am Rohölmarkt spätestens nach Ende der Winterzeit in steigenden Rohölpreisen niederschlagen wird.

4. Nun bestätigen die Daten von der New York Mercantile Exchange (NYMEX) unsere These, dass der derzeitige Preisverfall zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass wetterbedingt auf fallende Preise spekuliert wird. Die nicht-kommerziellen Händler sind in der vergangenen Woche massiv dazu übergegangen, sich netto short zu positionieren (wobei sie in der Woche zuvor noch leicht netto long positioniert waren), und üben damit tendenziell Abwärtsdruck auf den Ölpreis aus. Wir gehen davon aus, dass die Netto-Short- Positionen solange beibehalten werden, bis die Spekulanten im wortwörtlichen Sinne kalte Füße bekommen. Dies dürfte nach den jüngsten Wetterprognosen noch im Januar erfolgen.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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