Kommentar
20:58 Uhr, 29.02.2016

Gute Daten - schlecht für die Börse?

Die US Wirtschaft ist im 4. Quartal 2015 stärker gewachsen als zunächst angenommen. Auf den ersten Blick ist das gut, insbesondere, weil die Erwartungen von einer Revision nach unten ausgingen.

Der ersten Schätzung nach wuchs die Wirtschaft Ende 2015 mit einer Jahresrate von 0,7 %. Für die erste Revision der Daten wurde von einem Rückgang auf 0,4 % ausgegangen. Es kam ganz anders. Die Zahlen wurden auf 1 % nach oben revidiert. Das wirkt zunächst wie ein Erfolg und wurde an der Börse gefeiert. Die Ernüchterung kam mit dem zweiten Blick auf die Daten.

Grafik 1 zeigt das Gesamtwachstum sowie wichtige Komponenten des Wachstums. Als wesentliche Stütze hat sich wieder einmal der Konsum erwiesen. Dieser lag im Vergleich zu den Vorquartalen etwas niedriger als erwartet, doch unter Strich ist das Wachstum nach wie vor solide. Was an den Daten stört, das ist der Beitrag des Lagerbestandaufbaus. Dieser wurde ebenfalls nach oben revidiert. Unternehmen produzierten um gut 80 Mrd. USD mehr Güter als sie letztlich absetzen konnten.

Der Aufbau des Lagerbestands ist problematisch, denn früher oder später müssen Unternehmen den Bestand entweder verkaufen oder abschreiben. Für gewöhnlich produzieren Unternehmen ab einem gewissen Punkt weniger, sodass sich die Bestände reduzieren lassen. Keiner weiß, wann dies geschehen wird, aber es wird passieren. In dem Quartal, in dem das passiert, lastet der Abbau dann auf dem Wirtschaftswachstum.

Besonders enttäuschend ist die Entwicklung der Investitionen. Sie reduzieren derzeit effektiv das Wirtschaftswachstum. Das ist frustrierend, denn in den USA wird ohnehin schon seit Jahren zu wenig investiert. Unternehmen investieren in diesem Aufschwung so wenig wie in keiner Expansionsphase seit dem Zweiten Weltkrieg.

Der Rückgang der Investitionen ist natürlich stark vom Rohstoffsektor geprägt. Solange Unternehmen ihre Investitionen weiter kürzen wird dieser Bestandteil des Wachstums auf dem Gesamtwachstum lasten. Keiner weiß, wann der Boden der Investitionen erreicht ist. Vermutlich werden Rohstoffunternehmen in diesem Jahr noch weiter kräftig sparen und ihre Ausgaben weiter senken, was das Wachstum auch in den kommenden Quartalen dämpfen dürfte.
Der Beitrag der Nettoexporte (Exporte minus Importe) ist nach wie vor negativ. Der starke Dollar trägt dazu bei. Immerhin ist der Beitrag weniger negativ als angenommen. Es besteht die Chance, dass das Wachstum in diesem Jahr nicht mehr so stark durch den negativen Beitrag der Nettoexporte belastet wird, da die Dollaraufwertung an Dynamik verliert.

Alles in allem ist die Revision von 0,7 % auf 1 % alles andere als spektakulär. Sie erfolgte aufgrund von Faktoren, die in den kommenden Quartalen auf dem Wachstum lasten werden. Dafür sind vor allem die Lagerbestände verantwortlich. Dennoch: die US Wirtschaft zeigt derzeit keine Anzeichen einer Rezession. Das Jahr 2016 ist gut gestartet. Die Konsumausgaben sind zu Jahresbeginn deutlich stärker gestiegen als erwartet. Wachstumsraten von mehr als 2 % für das erste Quartal erscheinen möglich.
Unternehmen haben derzeit keine Freude an dem Wachstum. Grafik 2 zeigt die Entwicklung der Unternehmensgewinne, sowie wesentliche Ausgabenposten. Die Dividendenzahlungen sowie die einbehaltenen Gewinne ergeben die Gesamtgewinne der Unternehmen. Diese laufen seit 2011 praktisch seitwärts.
Gute
Im Vergleich zum Vorkrisenjahr ist der Gewinn aller US Unternehmen um lediglich 11 % gestiegen. Löhne und Gehälter sind im Vergleich um 22 % gestiegen. Für Konsumenten ist das eine gute Nachricht, für Unternehmen nicht – zumindest kurzfristig gesehen. An stagnierenden Gewinnen sind die Unternehmen bis zu einem gewissen Grad selbst schuld. Sie haben sich in den vergangenen Jahren mit Schulden vollgesogen wie selten zuvor. Dass die Zinszahlungen trotzdem nicht steigen liegt lediglich an dem Niedrigzinsumfeld.

Sofern die Wirtschaft weiterwächst und die Notenbank an der Zinswende festhält, werden auch die Zinsen für Unternehmen steigen. Das kann mittelfristig zu einer Zusatzbelastung von 100 Mrd. pro Jahr führen. Als Geniestreich kann man die Verschuldung für die Zahlung von Dividenden und Aktienrückkäufe also nicht bezeichnen.
Zusammengefasst kann man sagen, dass es der US Wirtschaft nach wie vor gut geht. Eine Rezession ist nicht in Sicht. Auf Unternehmen kommen jedoch schwere Zeiten zu. Sie profitieren vom Wachstum nicht. Das liegt einerseits am starken Dollar. Der Währungseffekt sollte 2016 abzuebben beginnen, doch wird nach wie vor negativ wirken. Gleichzeitig untergraben Unternehmen durch die Verschuldung einen Teil ihrer Ertragskraft. Zusätzlich erhöhen sich die Ausgaben für Löhne und Gehälter. Auch das lastet auf den Gewinnen.

2016 zeigt sich derzeit an mehreren Fronten positiv. Dazu gehört vor allem die Stabilisierung der Rohstoffpreise. Das sollte den Unternehmensgewinnen kurzfristig Rückenwind geben. Diese Effekte dürften jedoch im zweiten Halbjahr 2016 schon wieder abebben. Anleger müssen sich auf eine Fortsetzung der Gewinnrezession einstellen. Nach einem Rebound der Aktienmärkte weltweit bis in das dritte Quartal 2016 hinein ist eine Fortsetzung des Abwärtstrends wahrscheinlich.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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