Kommentar
07:48 Uhr, 16.06.2017

Große Zinswende: Der Abschied vom Traum!

Lange habe ich mit mir gehadert. Jetzt steht zumindest für mich fest: die große Zinswende kommt nicht.

Wir befinden uns mitten in der Zinswende. Das sei vorweg gesagt. Die US-Notenbank hat die kurzfristigen Zinsen um 100 Basispunkte nach oben geschraubt. Das reicht aber noch nicht für die große Zinswende. Das zeigen die Langfristzinsen.

Grafik 1 zeigt die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen der großen Währungsräume und Wirtschaftszonen, die QE gesehen haben oder sich noch immer mitten in QE befinden. Nach über 35 Jahren Abwärtstrend bestand Hoffnung auf eine Wende nach oben. Dieser Hoffnungsschimmer wird nun immer fraglicher.

Zum einen sind da technische Überlegungen, zum anderen Fundamentaldaten. Rein technisch sah es in den USA so aus als hätte sich zwischen 2012 und 2016 ein Boden gebildet. Die Bodenbildung kann man noch nicht als gescheitert ansehen. Dazu ist es noch zu früh. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass sich die US-Zinsen vom Rest der Welt absetzen können.

Im Rest der Welt ist das Zinstief noch nicht unbedingt erreicht. In Großbritannien steuern die Zinsen auf ein neues Tief zu. In der Eurozone (Deutschland) und Japan stabilisieren sich die Renditen bei 0-0.4 %. Zuletzt drehten die Zinsen wieder nach unten. Von einer klassischen Trendwende kann da keine Rede sein. In Japan, Großbritannien und vielen Euroländern wurde bisher kein höheres Tief und höheres Hoch erreicht.

Der beharrliche Abwärtstrend hat mehrere, gute Gründe. Da sind einerseits die Notenbanken, die immer noch hunderte Milliarden in den Markt pumpen. Grafik 2 zeigt die Notenbankbilanzen. So schnell wie Anfang 2017 wuchsen die Bilanzen zuletzt 2012. QE ist alles andere als Geschichte.

Aller Voraussicht nach wird sich das Geldmengenwachstum verlangsamen. Die Bank of England hat zwar im vergangenen August QE für 18 Monate aufgelegt, doch ihr absolutes monetäres Kaufziel bereits erreicht. In Japan sank das Interventionsvolumen auf Monatsbasis zuletzt um 10 Mrd. und die EZB dürfte 2018 ihre Käufe zumindest reduzieren.

Bis Ende 2019 wird das Geldmengenwachstum durch QE auf 3 % von derzeit 20 % schrumpfen, obwohl das bereits eine Reduktion der US-Notenbankbilanz von 600 Mrd. berücksichtigt. Bereits jetzt weiß niemand mehr wohin mit all dem Geld. In den kommenden zweieinhalb Jahren kommen aber noch einmal 2 Billionen Dollar zusätzlich auf den Markt.


Die Liquiditätsschwemme hemmt jegliche Zinswende. Das ist aber nur eines und vielleicht sogar ein nebensächliches Argument. Viel wichtiger sind die fundamentalen Aussichten. Ich gehe inzwischen nicht mehr davon aus, dass die Notenbank ihr langfristiges Leitzinsziel von 3 % in diesem Aufschwung erreicht. Mit viel Glück kann sie die Marke von 2 % überspringen, mehr nicht.

Wenn es schlecht läuft, dann kommt gar kein Zinsschritt mehr und die Notenbank muss 2018 schon wieder die Zinsen senken. Ebenso wie sich die US-Zinsen nicht vom Rest der Welt lösen können, kann sich auch die Eurozone nicht von den USA lösen, wenn die EZB hierzulande weniger lockert, die Fed aber die Zinsen wieder senkt.

Nicht zuletzt spielt auch Inflation eine Rolle. Der Ölpreis kommt nicht mehr vom Fleck. Nach dem Inflationsschock zu Jahresbeginn realisieren immer mehr Anleger und Investmentbanken, dass der Ölpreis für längere Zeit niedrig bleiben wird. Das wird tendenziell für eine Inflationsrate von 1-1.5 % sorgen. Das ist unterhalb der Zielmarke von 2 % und rechtfertigt kaum einen Zinssatz von 3 %.

Anfang 2017 hatte ich mich doch ein wenig von der Trump-Euphorie und der Inflation zu einer optimistischeren Einschätzung hinreißen lassen. Inzwischen deutet für mich alles auf neue Zinstiefs hin. Diese kommen nicht sofort, heute oder morgen. Bevor wir aber die große nachhaltige Zinswende nach oben sehen, sollten wir neue Tiefs erreichen, vermutlich Ende 2018 oder 2019.

Clemens Schmale

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9 Kommentare

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  • 280a
    280a

    Zensurcheck...

    23:38 Uhr, 16.06.2017
  • Market Impact
    Market Impact

    Zinsen steigen erst wenn Inflation da ist. Wenn die Deutschen Arbeitnehmer durch die Hartz 4 Gesetze gezwungen werden für 8,50 zu arbeiten wird es keine Inflation geben. (ca. 12 mio billiglöhner) Außer bei den Assets. Und wenn das Benzin teurer wird dann tankt der Hartzer eben weniger anstatt auf die Straße zu gehen und einen Menschenwürdigen Lohn zu fordern. Also bei den Lohnniveaus sehe ich keine Inflation kommen.

    13:46 Uhr, 16.06.2017
    1 Antwort anzeigen
  • jaja
    jaja

    Das ist wohl so kommen ... solang auch politisch so gewollt.

    12:13 Uhr, 16.06.2017
  • godfather
    godfather

    Eine echte Zinswende, die u.a. zu einer Normalisierung der Notenbankpolitik gehört, wird es nicht geben. Es würde den endgültigen Kollaps des weltweiten Finanzsystems bedeuten.

    Dieses System wird von denen, die davon am meisten profitieren, mit aller Macht verteidigt. Bevor es kollabiert kann ich mir durchaus noch weitere Maßnahmen wie z.B. die Bargeldabschaffung (ermöglicht viel niedrigere Negativzinssätze) vorstellen.

    Am Ende dieses Prozesses steht dann eine Weltwirtschaftskrise, die auch 1929 weit in den Schatten stellen wird.

    Politik und Notenbanken ist das m.E. auch vollkommen klar aber es musste genug Zeit geschaffen werden, bis all die mächtigen dieser Welt für diesen Crash gerüstet sind. So langsam sollten sie soweit sein...

    11:03 Uhr, 16.06.2017
  • netzadler
    netzadler

    das (nicht erst seit gestern) bekannte Zahnpasta Problem

    möglich, dass nun endlich der kontrollverlust bewusst wird, mit allen konsequenzen

    09:16 Uhr, 16.06.2017
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Das habe ich hier schon zwei Jahren geschrieben - es wird keine Zinswende geben die diesen Namen verdient. Weiss jetzt nicht was an ihrem Artikel nun so interessant sein soll. Das konnte auch damals schon jeder Blinde folgern

    08:46 Uhr, 16.06.2017
  • bembes
    bembes

    Interessanter Artikel.....wie sollte sich dann der Bund Future entwickeln ??

    Danke

    08:19 Uhr, 16.06.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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