Kommentar
06:37 Uhr, 25.07.2016

Großbritannien schafft es auch ohne die EU

Die meisten gehen von einer Rezession in Großbritannien aus. Diese soll bald beginnen. Das gilt dann als Beweis, dass es ohne die EU nicht geht. Wenn sich da die Fachwelt nicht täuscht...

An Panikmache hat es nach dem Brexit-Votum nicht gemangelt. Die EZB sieht das Wachstum in der Eurozone über die kommenden drei Jahre um 0,5 % geringer ausfallen als vor dem Votum. Das ist im Vergleich zu dem, was Großbritannien selbst droht, kaum nennenswert. Das Land soll aller Voraussicht nach Ende des Jahres in die Rezession stürzen.

Bisher kann man schlichtweg nicht mit hoher Sicherheit sagen, was bis Jahresende tatsächlich geschehen wird, geschweige denn die langfristigen Effekte abschätzen. Trotzdem fühlen sich Analysten und Institutionen schon bei der Andeutung schlechter Daten bestätigt. Da kam der am Freitag veröffentlichte Einkaufsmanagerindex wie gerufen.

Der Einkaufsmanagerindex für Juli geht laut Erstschätzung sowohl in Großbritannien als auch in der Eurozone zurück. Die Grafik zeigt diesen Rückgang, der in Großbritannien deutlich stärker ausfällt als in der Eurozone. Der Index fällt mit dem Rückgang auf 49,1 Punkte. 50 Punkte markieren die Grenze zwischen Expansion und Kontraktion.

Auf den ersten Blick ist der Rückgang dramatisch und deutet den Beginn einer wirtschaftlichen Kontraktion an. Auf den zweiten Blick ist die Lage durchaus weniger düster. Der Index steht heute unwesentlich tiefer als vor zwei Monaten. In den Jahren 2011 bis 2013 bewegte sich der Index zudem meist unterhalb der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Die britische Wirtschaft wuchs dennoch – im Gegensatz zur der Wirtschaft der Eurozone.

Die Stimmung muss noch deutlich schlechter werden, damit man wirklich von einer Rezession ausgehen muss. Die Daten haben das britische Pfund heute dennoch unter Druck gebracht. Es wird davon ausgegangen, dass die Daten schlecht genug waren, um die Notenbank zu Lockerungsmaßnahmen zu bewegen.
Die Bank of England wird früher oder später vermutlich etwas unternehmen. Ganz große Eile ist jedoch nicht geboten. Gemessen an den Umständen sind die Einkaufsmanager noch ziemlich gelassen. Dabei hilft vermutlich auch, dass sich immer mehr ein Mittelweg abzeichnet. Großbritannien will nicht mit der EU brechen und die EU will auch nicht komplett mit Großbritannien brechen.

Nach der ersten Entrüstung über das Votum hat sich die politische Lage wieder beruhigt. Anfänglich gab es fast schon Drohgebärden, die auf eine hässliche Trennung schließen ließen. Inzwischen gilt Angela Merkels Motto „Ruhe bewahren“ auch in anderen Ländern. Es ist wird von Tag zu Tag unwahrscheinlicher, dass Firmen die Insel in Heerscharen verlassen werden.

Die Lage ist trotzdem nicht schön. Spurlos geht der Brexit am Land nicht vorbei. Die wirtschaftliche Entwicklung wird zurückgeworfen. Grund für Panik besteht nicht. Ich kann mir inzwischen sogar vorstellen, dass Großbritannien wie 2011-2013 mit einem langsameren Wachstum davonkommt und nicht in die Rezession abdriftet.

Ich bin kein Befürworter des Brexit. Ich halte ihn für ziemlich unsinnig und kontraproduktiv. Lasse ich jedoch meine persönliche Meinung einmal außen vor, dann erscheinen mir die Aussichten für Großbritannien besser als von vielen derzeit angenommen. Meiner Meinung nach gibt es nicht einmal einen Grund, weshalb die Notenbank großangelegt frisches Geld über QE drucken sollte. Das bringt nichts. Das einzige, was jetzt etwas bringt, sind schnelle Verhandlungen.

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • netzadler
    netzadler

    ich halte einen BREXIT grundsätzlich auch für falsch.

    in der derzeitigen Situation sollte er aber positiv wirken, da er Schwachstellen offen legt und zum handeln zwingt, mehr als ohne einen BREXIT.

    das turbulente Zeiten auf uns warten, sollte uns allen so oder so klar sein.

    Deutschlands geschäftsmodell ist äußerst anfällig für die derzeitigen Tendenzen,

    demnächst wird es den Ölpreis wieder und FANG's wohl auch erwischen.

    ist den notenbankern noch was zuzutrauen ? Sie werden auf politisches chaos hoffen, dann sind sie aus der Verantwortung.

    den Ereignissen der letzten tage könnte man durchaus einen schwarzen schwan zuordnen.

    welche schlüsse derzeit Politik und medien daraus ziehen - da fässt sich das Ausland mittlerweile nur noch an den kopf.

    16:32 Uhr, 25.07.2016
  • Barabas
    Barabas

    UK wird nicht untergehen, man hat dort als immer noch sehr einflussreiche Nation genügend Erfahrung solche Situationen zu handeln. Das Stillschweigen und damit Akzeptanz des englischen Königshauses hat gezeigt, dass man Willens ist, eine wichtige strategische Entscheidung zu treffen, auch mit dem Einverständnis bezüglich eines gewissen Risikos. Die Welt ist aber im Umbruch und da will UK frei sein, sich mit allen notwendigen Partnern in Ost und West zu vereinbaren. Ob die Rechnung aufgeht, man wird es sehen. Die EU ist mit ihrem Rumgedruckse und Unvermögen Politik zu betreiben nur ein Klotz am Bein. UK wird sich sicherlich NICHT ein CETA oder TTIP unterjubeln lassen, da würde ich dann auch raus gehen. Alles hat seine Grenzen.

    Ganz klar gibt es Risiken, aber die Abwartepolitik von Merkel, Hollande und anderen nichtsnutzigen Regierungen in Europa KANN NICHT die Lösung sein.

    Für mich: Daumen hoch für UK.

    13:29 Uhr, 25.07.2016
  • Chronos
    Chronos

    Eine Aussage im Jahr 2016 ist total verfrüht. Bisher hat sich UK alle Sonderrechte (Rosinen) behalten und keine souveränen Alleinstellungsmerkmale aufgegeben.

    Erste Auswirkungen dürften Ende 2017 sichtbar sein, außer man ist als Bänker angestellt.

    10:13 Uhr, 25.07.2016
  • Mitdenker
    Mitdenker

    Logo wird es GB auch ohne EU schaffen... Die ganze Panikmache ist die Reaktion der EU Bürokraten, weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie was falsch gemacht haben.. Und irgendwie muss das "Volk" ja milde gestimmt werden nicht dem Beispiel GB zu folgen.. Da kommen Horrorszenarien wie ... "ohne EU wird GB untergehen..." ganz Recht.. Genügend Leute werden dies ja glauben.....

    07:42 Uhr, 25.07.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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