Kommentar
20:17 Uhr, 24.02.2015

Griechenlands Reformliste: Besser als erwartet

Die Liste mit Reformen, die heute eingereicht wurde, ist besser als erwartet. Zugestimmt wurde ihr von den Troika Institutionen auch schon. Jetzt sind die nationalen Parlamente am Zug.

Persönlich haut mich die Liste nicht um. Sie ist aber solide und ehrlich gesagt auch besser als erwartet. Nach den etwas ungestümen Verhandlungen hätte jetzt auch etwas kommen können, was komplett daneben ist. Tatsächlich sind viele Punkte gut. Schockierend ist lediglich, wie wenig anscheinend bisher geschehen ist. Man fragt sich, was die Vorgängerregierung gemacht hat...

Die Steuerpläne der Reformliste
Die Mehrwertsteuer wird reformiert. Ermäßigte Steuersätze sollen angepasst werden, ohne die soziale Gerechtigkeit zu gefährden. Vor allem soll die Mehrwertsteuervermeidung und Hinterziehung bekämpft werden. Mit diesen Vorhaben kann die Regierung wahrscheinlich eine generelle Steuererhöhung abwenden, die ursprünglich einmal geplant war.

Kapitalerträge sollen zukünftig mit dem Einkommenssteuersatz besteuert werden (das ist meine Interpretation des Textes, der nicht 100%-ig eindeutig ist). Theoretisch sollte das in vielen Fällen bereits geschehen. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen. Dazu gehören z.B. Einnahmen aus Kursgewinnen von Aktien, die in Athen gehandelt werden. Auch Dividenden sind ausgenommen, sofern sie von einem griechischen Unternehmen gezahlt werden.

Das Gesetz in Bezug auf Steuerhinterziehung soll geändert werden. Die Definition soll breiter werden, sprich, mehr Delikte als derzeit werden zukünftig als strafbar gelten. Steuerimmunität soll es nicht mehr geben.

Insgesamt sollen mehr Steuern eingenommen werden. Das hat diese Regierung auch vor den Wahlen angekündigt. Ob sie wirklich eine „Steuerzahlkultur“ etablieren kann sei dahingestellt. Sie will jedoch mit den Troika Institutionen zusammenarbeiten. Insbesondere will sie eine Datenbank mit wohlhabenden Personen aufbauen und gezielt deren Steuererklärungen der letzten Jahre prüfen. Das scheint dringend notwendig zu sein. Eigentlich ist es schockierend, dass das hier noch einmal vorgeschlagen werden muss. Dass die Vorgängerregierung hier wohl so gut wie nichts vorangebracht hat ist schon schockierend.

Die Finanzen sollen besser überwacht werden. Anscheinend war es in der Vergangenheit nicht unbedingt so, dass einzelne Behörden eine klare Finanzverantwortung hatten und dadurch auch Budgetpositionen nicht immer eindeutig zugeordnet wurden. Einzelne Behörden konnten sich so aus der Budgetverantwortung stehlen. Das ist eigentlich wieder ein Punkt, bei dem man etwas ratlos ist. Im Normalfall sollte man erwarten, dass jedes Resort ein klares Budget hat und auch dessen Ausgestaltung verantwortet und entsprechend gegensteuern muss, wenn Vorgaben nicht erfüllt werden.

Die Verwaltung auszuzahlender Gelder soll modernisiert werden. Das klingt nicht besonders spannend, ist jedoch enorm wichtig. Gerade wenn es darum geht Pensionen auszubezahlen, kann es bei mangelnder Transparenz zu Betrug kommen. Dem soll in Zukunft durch ein neues System vorgebeugt werden.

Das Finanzministerium soll unabhängiger werden. Das war wohl nicht immer der Fall. Die Unabhängigkeit soll gestärkt werden, um den politischen oder auch anderen Einfluss zu begrenzen, damit Misswirtschaft vermieden werden kann. Es wird überlegt die Einheit zur Bekämpfung von Finanzkriminalität ins Finanzministerium zu integrieren, um effektiver gegen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug vorgehen zu können.

Öffentliche Ausgaben
Effizienz ist das Schlagwort, das die griechische Regierung fast in allen Punkten verwendet. Das ist sicherlich leichter gesagt als getan. Dafür ist es umso wichtiger. Effizienz allein reicht jedoch nicht. Man kann ja auch das Falsche effizient machen. Das macht es dann immer noch nicht gut. Daher sollen alle Ausgaben auf den Prüfstand. Insbesondere scheint es ein Rätsel zu sein, weshalb 56% der Ausgaben nicht auf Gehälter und Pensionen fallen. Auf den ersten Blick erscheint das nicht verwunderlich. Man muss sich aber vor Augen führen, dass es sich bei diesen Ausgaben um die Ausgaben für den Betrieb der Ministerien handelt und nicht deren Budget im Sinne von Rentenzahlungen an die Bevölkerung. Hier sind 56% enorm viel und es ist rätselhaft, wohin das ganze Geld fließt. Ein Grund für die hohen Ausgaben scheinen nicht direkte Geldleistungen zu sein, sondern indirekte Zuwendungen wie Dienstwagen etc. Trotzdem ist das immer noch viel.

Sozialversicherung
Lücken im Gesetz, die unter anderem Frühpensionierungen zulassen, sollen geschlossen werden. Die Anzahl an Frühpensionierungen scheint überdurchschnittlich hoch zu sein.
Rentenkassen sollen Kosten sparen, indem sie zusammengelegt werden. Das ist sicherlich eine gute Idee. Ob das funktioniert muss man sehen. In Deutschland gab es einmal die Debatte, ob wir so viele Krankenkassen brauchen. Das ist immer noch nicht abschließend beantwortet.

Für 50 bis 65 Jährige soll ein Grundeinkommen gelten. Dadurch soll verhindert werden, dass der Anreiz zur Frühpensionierung zu groß ist. Ebenso soll es einen engeren Zusammenhang zwischen Einkommen und späterer Rente geben. Es ist verwunderlich, dass das noch nicht der Fall ist... Helfen soll diese Maßnahme, um Menschen zu ermuntern ihre Einkünfte anzugeben. Wer keine Einkünfte hat bzw. sie nicht deklariert, soll später nicht einfach seine Rente wie jeder andere bekommen, sondern eben angepasst an das frühere Arbeitseinkommen. Das scheint nicht immer der Fall zu sein.

Öffentliche Verwaltung
Die Privilegien von Politikern werden eingeschränkt. Es wird weniger nicht monetäre Zusatzleistungen geben (z.B. Dienstwagen). Die Anzahl von Ministerien wird von 16 auf 10 reduziert. Ebenso sollen „special adivsor“ in ihrer Anzahl reduziert werden. Anscheinend ist das ein beliebtes Modell gewesen, um jemanden für Beratung zu entlohnen, die nicht wirklich erbracht wurde, sprich, um z.B. Verwandten ein extra Gehalt zu verschaffen.
Die Parteienfinanzierung soll reformiert werden. Letztlich soll es schwerer werden in die eigene Tasche zu wirtschaften.
Aufträge müssen zukünftig ausgeschrieben werden. Sie können nicht auf intransparente Weise einfach irgendjemanden zugeschoben werden, mit dem man gerade befreundet ist.

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5 Kommentare

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Derzeit gibt es "Spekulationen", das Reform-Papier sei von der EU-Kommission selbst verfasst worden. Das würde natürlich manches erklären.

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/02...

    Ein lustiges Kasperletheater, das uns da präsentiert wird.

    13:05 Uhr, 25.02.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Lumpazi
    Lumpazi

    Geschätzter Herr Schmale,

    mehrfach drücken Sie in Ihrer Besprechung der Reformliste Griechenlands Ihre Fassungslosigkeit aus: ,,Schockierend ist lediglich, wie wenig anscheinend bisher geschehen ist. Man fragt sich, was die Vorgängerregierung gemacht hat..."

    Sie lesen diese Liste mit deutschen, pflichtbereiten Augen. Das ehrt Sie. Aber man merkt, dass Sie noch sehr jung und unerfahren im Umgang mit der levantinischen Mentalität sind. Nichts wird so heiß gegessen wie gekocht, heißt ein deutsches Sprichwort. Auf Griechisch: Nichts wird so heiß umgesetzt wie auf Papier geschrieben steht.

    Ich war oft in Griechenland, und ich mag Land und Leute. Sie müssen es aber aushalten, dass man einerseits stolz ist auf die ,,schärfste Umweltgesetzgebung in Europa" und andererseits jede Form von Abfall auch schon einmal vergraben oder ins Meer gekippt wird; dass man einem Bürgermeister so lange das Wegsehen erleichtert, bis das eigene Haus illegal errichtet ist und gesetzlich nicht mehr abgerissen werden kann, weil es schon ein Dach hat; dass man seinen Landbesitz durch den Bau einer kleinen Kapelle heiligen und dadurch die Steuern darauf sparen kann; usw.usw.

    Kann man ernsthaft annehmen, dass die gleiche Ministerialbürokratie und der gleiche Beamtenapparat von Steuervermeidern zu Steuereintreibern wird; dass der Verfassungsrang der Steuerbefreiung der Reeder (Art.107) aufgehoben wird; dass die lang erprobte Kultur des Gebens und Nehmens unter der Hand, auch bei den kleinen Leuten, durch ein Regierungsdekret gewandelt werden kann; dass Effizienz dort einzieht, wo man bisher auch ohne sie ganz gut durchs Leben kam?

    Die FAZ hat getitelt: ,,Im Sommer auf Wiedervorlage". Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn es anders käme.

    10:10 Uhr, 25.02.2015
  • bembes
    bembes

    Und die blöden Deutschen zahlen lustig weiter. Mal sehen was is 4 Monten getan ist. Ich sage voraus....................NICHTS....................

    07:51 Uhr, 25.02.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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