Kommentar
11:11 Uhr, 12.01.2015

Griechenland: Schuldenerlass vs. Euroaustritt - Chancen und Risiken

Nach 5 Jahren Hellas-Krise nähern wir uns dem Finale. Schon bald wird sich entscheiden, ob Griechenland in der Eurozone bleibt.

Fast ebenso alt ist die Diskussion darüber, wie gefährlich wohl der Austritt eines Mitglieds der Europäischen Währungsunion aus der Gemeinschäftswährung für ebendiese wäre. Noch 2012 befürchtete man nicht weniger als den Weltuntergang, sollte ein Euroland eine eigene nationale Währung wieder einführen. Zuletzt dagegen wurden wieder gezielt Statements verbreitet, die den Griechen signalisieren sollten, dass ein Ausstieg verkraftbar wäre und man sich dieses mal nicht wieder erpressen lassen würde.

Der Chef des griechischen Linksbündnisses Syriza, Alexis Tsripas, hat kurz nach dem lauten Zaunpfahlwinken öffentlich verbal abgerüstet und schloss zuletzt sogar einen Euroaustritt im Falle eines Wahlsiegs am 25. Januar aus - wie verlässlich eine solche Aussage auch immer sein mag. Hinter den Kulissen wird nun eifrig zwischen EU und Griechenland verhandelt. Athen sitzt auf 320 Mrd. EUR Staatsschulden, was ca. 175% des BIP entspricht. Der Großteil, rund 80%, ist in öffentlichen Händen. Bei den Diskussionen um einen weiteren Schuldenschnitt geht es also vor allem darum, ob die Partnerstaaten in der EU bereits sind zu verzichten -und womöglich sogar die EZB.

Neben der Tatsache, dass niemand gerne Milliardenbeträge einfach so abschreibt und dies dann auch noch seinen Steuerzahlern erklären muss (oder sollte), ergeben sich noch weitere drastische Probleme in Zusammenhang mit einem weiteren Schuldenschnitt.

Der wohl wichtigste Aspekt ist die Frage, wie man gewährleisten soll, dass Griechenland ein Einzelfall bleibt. Schließlich gibt es auch andere Länder, deren Schuldentragfähigkeit fraglich erscheint, allen voran Italien mit über 130% bezogen auf das BIP (auch die kreative Erhöhung des BIP durch die Einbeziehung von Drogen-und Waffenhandel im letzten Jahr konnte die Situation nicht dramatisch entschärfen).

Mit welchem Recht sollte Griechenland gleich zwei Schuldenerlasse für sich in Anspruch nehmen dürfen und andere hoch verschuldete Staaten gar keinen?

Diese Büchse der Pandora zu öffnen, dürfte brandgefährlich sein. Es ist ja nicht so, dass die politische Lage in anderen Krisenländern überragend stabil ist. Spanien, Portugal, Irland und andere sind durch sehr schmerzhafte Reformjahre gegangen und ernten so langsam die Früchte ihrer Arbeit. In der Bevölkerung sind die ergriffenen Maßnahmen dennoch oft sehr unpopulär, da mit herben Einschnitten verbunden.

Werden Griechenland nun erneut Schulden erlassen, dürften daher ähnliche Forderungen auch in anderen Ländern aufkommen. Falls dieser Weg beschritten wird, ist daher auf jeden Fall darauf zu achten, dass die Rahmenbedingungen stimmen. So wäre beispielsweise denkbar, eine Art Besserungsschein mit einzubauen. Es würde sich z.B. anbieten, zukünftige, derzeit noch unsichere Einnahmen aus der Öl-und Gasförderung zum Teil in einen Schuldentilgungsfonds fließen zu lassen. So könnten Forderungen, die jetzt erlassen werden, wieder aufleben, wenn sich die wirtschaftliche Situation deutlich bessert.

In jedem Fall muss Athen an der Reformpolitik festhalten, sonst wird es ohnehin keine weiteren Hilfen geben.

Kommen wir damit zum nächsten Szenario: Euroaustritt!

Auch wenn Syriza diesen nun ausschließt, könnte er dennoch notwendig werden. Wenn Griechenland nämlich den von der Troika geforderten Reformpfad verlässt und keine Hilfsgelder der EU mehr fließen, dürfte die Wiedereinführung der Drachme die Ultima Ratio sein - verbunden mit einem Ende des Schuldendienstes..

Insbesondere deutsche Politiker haben sich zuletzt bemüht den Anschein zu erwecken, als sei dieser Schritt inzwischen für das Finanzsystem verkraftbar. Aber es gibt noch mehr zu bedenken als Panikreaktionen der Märkte (die durch die EZB aufgefangen werden können) und hohe Verluste bei den Kreditgebern (die weh tun, aber niemanden umbringen).

Es gibt ja auch das Szenario zu berücksichtigen, dass Griechenland mit der Kombination aus Entschuldung (in diesem Fall durch Enteignung der Gläubiger) und einer eigenen Währung erfolgreich ist, das Land also einen Wirtschaftsboom erlebt. Während man den Griechen einerseits genau dies aus menschlichen Erwägungen heraus wünschen möchte, ist das andererseits schon fast ein Alptraumszenario. Denn es könnte als Blaupause für andere Krisenstaaten dienen, und dann ist das Ende der Eurozone tatsächlich nicht mehr weit.

Es gibt leider keine einfache Lösung für diese Gemengelage. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie am besten Ihre Regierung

13 Kommentare

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  • Löwe30
    Löwe30

    Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie am besten die Lehrer der Österreichische Schule der Nationalökonomie. Dort erfahren Sie dann auch warum es soweit gekommen ist in der EU und es keine einfachen Lösungen mehr gibt, nämlich weil "[d]ie Grundpfeiler einer Ökonomie, in einer Sozio-Ökonomie, auch einer Gesellschaft sind: Das Geld und der Zins. Und diese beiden Elemente sind bei uns und weltweit inzwischen sozialistisch. Wir haben das staatsmonopolistische Papiergeld und wir haben ein zentralplanwirtschaftliches Zinsdiktat über die Zentralbank.

    Das sind also eindeutig sozialistische Elemente – und diese zwei Pfeiler, auf denen die Marktwirtschaft ruht, sind sozialistisch und damit kann die darauf ruhende Wirtschaft und Gesellschaft niemals dauerhaft überleben. Sie muss immer disfunktional sein und letztendlich muss sie zusammenbrechen! Das ist ganz ähnlich wie die Sowjetunion, oder die DDR. Der Gesamtsozialismus oder Kommunismus kann nicht funktionieren, bricht irgendwann zusammen. Und auch eine Marktwirtschaft kann auf Dauer nicht funktionieren, wenn ihre Grundpfeiler, ihre Grundelemente sozialistischer Natur sind." ( http://www.shc-online.com/98/articles/216.html )

    18:43 Uhr, 12.01. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    ​"Es gibt leider keine einfache Lösung für diese Gemengelage. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie am besten Ihre Regierung"

    Das sollte man doch tunlichst unterlassen. Statt dessen empfehle ich den Menschen das mit auf den Weg zu geben, was Roland Baader hier empfahl: http://www.shc-online.com/98/articles/218.html

    Seine Empfehlung endet mit: "Man muss sich aus diesem Sklaventum heraus begeben, aus dieser Abhängigkeit von diesen Popanzen, die in der Politik herumturnen und uns weis machen wollen, sie wären so furchtbar wichtig für uns."

    Der gesamte Beitrag ist übrigens sehr lesenswert.

    18:23 Uhr, 12.01. 2015
  • Investor
    Investor

    In der Eurozone gibt es zwei Probleme Gr und D.

    Die Inflation in den Staaten in einer Währungsunion muß gleich sein, da sonst sich die Preise der Warenkörbe in den einzelnen Staaten voneinander entfernt und die Produktion in das Land mit der niedrigsten Inflation wandert bzw dieses Land Arbeitslosigkeit exportiert.

    Da Inflation im wesentlichen durch Lohnstückkosten, Energie und Steuern beeinflußbar ist, sind dies die Stellschrauben. Gibt die EZB eine Inflation von 1,9% pro Jahr vor, müssen entweder die Stückkosten oder die Steuern/BIP entsprechend ansteigen.

    Seit Einführung der Währungsunion sind zB die Lohnstückkosten in Frankreich um ca 1,9%, in D um 1% und Gr um ca 3,1% angestiegen.

    Tritt Gr aus der Währungsunion aus, sind deutlich mehr als die 320 Mrd neu zu verteilen. Gr haftet für einen Anteil am ESM und EZB die auf die Reststaaten neu aufzuteilen sind. Dazu kommt das target2 Saldo. Wir sprechen dadurch eher über 500 Mrd.

    Der Vorteil eines Austritts wäre, daß man eine Mischung aus Währungsabwertung und Sparmaßnahmen durchführen könnte. Bei Aussetzung der Zinszahlungen ist der Gr Haushalt etwa ausgeglichen.

    Bleibt Gr in der EU bleibt das Problem der Lohnstückkosten. Eine Stärker auf Service bassierende Volkswirtschaft hat immer eine niedrigere Produktivität als zB D. Da es in D sowohl Produktivitätsfortschritte als auch keine Lohnsteigerungen gibt, müssen die Unterschiede durch dauernde Lohnreduzierungen erreicht werden. Sehe ich politisch nicht als machbar an.

    Der Verbleibt von Gr in der Eurozone ist nur sinnvoll, wenn die Löhne in D stärker steigen würden, als im restlichen Europa. Sehe ich auch nicht.

    17:13 Uhr, 12.01. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • student
    student

    ​Würde Griechenland ausscheiden,

    - wäre der Thron für Kaiser Juncker ernsthaft in Gefahr. Sein Imperiales Europa nach römischem Vorbild würde Risse bekommen.

    - müsste in Deutschland die parlamentarische Demokratie wieder eingeführt werden. Aktuell werden alle Finanzentscheidungen über die Verwendung von Steuergeldern in Brüssel abgenickt.

    Europäisches Lobbykratierecht bricht Landesrecht.

    - und die Euroländer dem Beispiel folgen, wäre ein Wirtschaftsaufschwung in Europa zusammen mit Eurasien die Folge.

    Die zerstörerische Sparpolitik und Privatisierung würde aufhören und die europäischen Staaten wieder über ihr eigenes Schicksal bestimmen.

    - Die Geopolitiker der US-Regierung und der City of London müssten den Traum von Hegemonie und Weltherrschaft über verarmte Nationen für die nächsten Dekaden zu Grabe tragen. Aber vielleicht nützt es was, die europäischen Staaten durch Verbreitung von Angst und Schrecken dazu zu bewegen, ihre Freiheit für "Sicherheit" aufzugeben ?

    14:58 Uhr, 12.01. 2015
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    ​Eine Finanztransaktionssteuer wäre durchaus sinnvoll - Voraussetzung wäre: Alle Handelsgeschäfte gehen über zentrale Börsenplätze. OTC wäre da mit tot. Das wäre dann wie die Börsensteuer.

    Ein Austritt Griechenlands inkl. Schuldenschnitt würde nur kurzfristig helfen. Denn die Griechen werden deswegen erst Recht keine Strukturrefordmen mehr durchführen. Sie müssten komplett aus der EU raus - also aus allen Töpfen, über die sie noch Geld erhalten könnten. Dann können sie weitehin ihr griechisches Süppchen kochen, tragen dafür dann aber künftig die eigene Verantwortung.

    13:20 Uhr, 12.01. 2015
  • Wolfi81
    Wolfi81

    ​Der Euro war, ist und bleibt nicht funktionstüchtig. Das wusste man schon vor 20 Jahren und nun ist alles, aber auch wirklich alles, so eingetreten wie die Kritiker (u.a. der unvergessene Prof. Hankel) das von Anfang an prophezeit haben.

    Je länger der Euro existiert, umso teurer wird es für den deutschen Steuerzahler. Daher ist eine schnelle Rückabwicklung dieses Wahnsinnsprojektes die einzige vernünftige Option. Leider wird man bei der aktuell bestimmenden Einheitsfront im Bundestag darauf noch so lange warten müssen, bis es richtig teuer wird.

    13:11 Uhr, 12.01. 2015
    2 Antworten anzeigen
  • Ski-Ghost
    Ski-Ghost

    ​Eigentlich ist die Rechnung ganz einfach...

    Als Gegenleistung für den Verbleib in der europäischen Währungsunion darf Griechenland einen zweiten Schuldenschnitt machen. EU und Griechenland werden lediglich ausfechten müssen, wie hoch der Schuldenschnitt ausfallen darf. Danach erhält Griechenland wieder Hilfen von der EU und der Gelackmeierte ist mal wieder der deutsche Steuerzahler, der die Zeche bezahlen darf.

    12:16 Uhr, 12.01. 2015
  • Daniel Kühn
    Daniel Kühn

    ​@german2 welches Problem würde eine Finanztransaktionssteuer ihrer Meinung nach lösen?
    ​Auch unter dem Aspekt, dass eine solche Steuer ja die Anzahl der Transaktionen kollabieren lassen würde, womit die Einnahmen auch nicht sonderlich hoch wären

    11:38 Uhr, 12.01. 2015

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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