Kommentar
10:20 Uhr, 06.05.2015

Griechenland: Hoffnung oder der nächste Zusammenbruch?

Vergangene Woche gab es positive Signale für eine Einigung. Der Markt reagierte prompt. Die endgültige Trendwende? - Betrachtet man den Markt aktuell, dann kann man daran so seine Zweifel haben.

Seit Jahresbeginn ändert sich die Stimmung in der Griechenlandfrage fast wöchentlich. Die Märkte sind so wankelmütig wie die griechische Regierung, die am Morgen noch das eine und am Abend das andere erzählt. Hinter den Kulissen hat sich jedoch wenig verändert. Die Erwartungen mögen sich täglich ändern, aber die Sachlage bleibt gleich und die Fakten sprechen für sich. Die EU-Kommission hat das heute auf ihre Art unterstrichen, indem sie den Wachstumsausblick senkte und höhere Haushaltsdefizit vorhersagt.

Zu den Fakten gehören unter anderem die stockenden Steuereinnahmen, womit wir gleich beim Kernthema sind. Die EU-Kommission hat ihre Schätzung zu den Einnahmen und Ausgaben korrigiert. Besser spät als nie...

Grafik 1 zeigt die Einnahmen im ersten Quartal 2014, die Schätzungen für das erste Quartal 2015 und die Werte, die in Q1 2015 tatsächlich erreicht wurden. Die Einkommenssteuer stieg im Vergleich zum Vorjahr leicht an, blieb jedoch knapp 10% hinter den Erwartungen zurück. Besonders dramatisch ist die Verfehlung der Ziele, was die Eintreibung von Steuerrückständen anbelangt. Hier wurden die Erwartungen um 37% verfehlt.

Die neue Regierung in Athen wollte gegen die Steuerhinterziehung vorgehen und Steuerschulden konsequenter eintreiben. Das Gegenteil ist momentan der Fall. In der ersten Reformliste, die Athen im Februar vorlegte, wurde das Thema ausführlich behandelt. Dem Thema wurde besonders viel Platz eingeräumt. Die Regierung versprach in den Ausführungen eine gerechte und funktionierende Steuerwelt. So etwas lässt sich nicht in wenigen Monaten umsetzen. Man hätte jedoch erwarten können, dass sich die Lage nicht noch weiter verschlimmert.

Die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer, die am meisten zum Haushalt beitragen, blieben ebenfalls hinter den Erwartungen zurück. Das liegt sicherlich nicht nur an der geringen Konsumfreude der Griechen, die ohnehin wenig Geld für Ausgaben zur Verfügung haben. Der Handel vorbei an der Steuer dürfte Hochkonjunktur haben. Die einzige Steuer, die stieg, war auf Güter wie Tabak und Alkohol. Das sagt schon viel über die Gemütslage der Griechen aus.

So wie die Steuern hinter den Erwartungen zurückbleiben, bleibt auch die Haushaltslage ein Problem. Die Regierung nimmt im Vergleich zu den Vormonaten weniger ein. Die Ausgaben verharren jedoch auf dem Niveau der Vormonate. Unterm Strich bedeutet das, dass sich das Defizit wieder erhöht hat. Es lag im März 2015 bei 340 Mio. Euro. Bisher liegt es im Gesamtjahr 2015 bei einer halben Milliarde Euro. Immerhin kann man nicht behaupten, dass sich die Lage dramatisch verschlechtert hätte. Die neue Regierung hat zwar noch nicht viel vorwärts gebracht, aber sie hat auch nicht den Haushalt komplett aus den Angeln gehoben.
Die Sparanstrengungen hatten 2014 Wirkung gezeigt. 2015 sieht bisher nicht wesentlich schlechter aus. Trotzdem würde Griechenland noch immer ein Milliardendefizit ausweisen. Die Schulden würden weiter ansteigen. Solange die Regierung die Einnahmen nicht erheblich steigern kann ohne die Ausgaben anzuheben, gibt es keine Chance auf einen Turnaround.

Die fehlenden Einnahmen könnten aus den nicht gezahlten und hinterzogenen Steuern kommen. Angeblich sind ja über 70 Mrd. Euro hinterzogen worden bzw. sind ausständig. Würden nur 20% davon eingetrieben werden können dann wäre das Land viele Probleme los. Davon ist allerdings nicht auszugehen. Die Regierung schätz, dass sie nur einen geringen einstelligen Prozentsatz davon eintreiben kann. Es ist also nicht mit einem Befreiungsschlag zu rechnen. Selbst wenn sich das Steuersystem verbessert werden die Einnahmen nicht plötzlich zu sprudeln beginnen. Es wäre aber ein Anfang und dieser Anfang ist die absolut notwendige Grundlage, um den Staat auf ein tragbares Fundament zu stellen.

Mit großer Energie könnte die Regierung das Steuersystem umkrempeln und mehr Steuern eintreiben. Bisher ist davon trotz aller Ankündigungen nicht viel zu sehen. Auch das dürfte ein Grund für die Geldgeber sein sich mit neuen Zahlungen zurückzuhalten. Sie wissen, dass es ohne ein funktionierendes Steuersystem keine Chance für die griechischen Finanzen gibt.

Mit einer guten Reformliste ließen sich die Geldgeber wohl überzeugen neue Zahlungen zu leisten. Ob das sinnvoll ist steht auf einem anderen Blatt und bis es soweit ist, könnte es schon zu spät sein. Während sich die griechische Regierung mit den Geldgebern um eine Reformliste streitet bricht nach und nach das Bankensystem zusammen. Viel Zeit bleibt nicht mehr.

Alle arbeiten darauf hin, dass der Staat nicht in den Bankrott geht. Bis eine Einigung kommt, ist es aber vielleicht für das Bankensystem bereits zu spät. Dann hilft auch keine Einigung mit den Geldgebern mehr. Dann bricht Griechenland auch ohne Staatsbankrott zusammen.

Die Höhe der Einlagen bei den Banken ist seit dem Wahlsieg von Syriza dramatisch gesunken. Seit Jahresbeginn wurden fast 25 Mrd. Euro von Banken abgezogen. Seit Ende 2014, als sich der Umschwung andeutete, waren es fast 30 Mrd. Euro. Es wurden so knapp 20% aller Gelder abgezogen. Würde das in anderen Ländern passieren, dann müsste man von einem Bankrun sprechen. Wahrscheinlich würden einige Banken das nicht überleben.

Griechische Banken sind die Krise bereits gewohnt und wissen, was sie tun müssen. Sie refinanzieren sich fast ausschließlich über die Zentralbank. Seit Ende vergangenen Jahres sind die Verbindlichkeiten gegenüber der Notenbank um 62 Mrd. gestiegen. Fast täglich wird es mehr. Diese 62 Mrd. kompensieren die 30 Mrd., die von Kunden abgezogen wurden und den Rückgang der Refinanzierung über den Interbankenmarkt. Dieser ist für griechische Banken fast komplett ausgetrocknet. Das Refinanzierungsvolumen über den Interbankenmarkt sankt von 42 auf 13 Mrd.

Insgesamt haben griechische Banken ein dünnes Liquiditätspolster. Es liegt derzeit bei gut 10 Mrd. Euro. Kann die Refinanzierung über die Zentralbank nicht weiter ausgebaut werden, dann wird es bald knapp. Kunden ziehen weiter Gelder ab. Tun sie es im bisherigen Tempo, dann ist das Bankensystem ohne weitere Hilfen im Sommer bereits zusammengebrochen.

Ein Zusammenbruch könnte auch früher kommen. Entschließt sich die griechische Regierung, weil sie sonst keine liquiden Mittel mehr hat, nur einen Teil der fälligen Pensionen auszuzahlen, dann könnte ein Bankrun starten. Der Staat wäre mit der Zurückhaltung von Renten zwar nicht offiziell bankrott, aber das ist den Bürgern wohl recht gleichgültig. Sie dürften retten wollen, was noch zu retten ist.

Der griechische Staat kann sich vielleicht noch gerade so durchwurschteln. Das Bankensystem kann es nicht mehr lange. Die Zeit drängt, nicht wegen der Regierung, sondern wegen des Bankensystems.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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