Kommentar
12:47 Uhr, 04.05.2010

Griechenland bestimmt die europäische Geldpolitik

1. Der EZB-Kompass lag im April bei 39,0 Punkten. Der Märzwert betrug 33,8 Punkte. Die konjunkturellen Stimmungsindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex, das Economic Sentiment, die Kapazitätsauslastung und die Industrieproduktion verzeichneten im April weitere Anstiege. Auch die Inflationsvariablen konnten sich etwas verbessern, sodass der EZB-Kompass inzwischen wieder das Niveau von Oktober 2008 erreicht hat. In der Summe erwarten wir weder für die nächsten 6 noch 18 Monate eine Verbesserung der jetzt erreichten Kompasswerte. Vor allem befürchten wir, dass die Kreditvergabe schwach sein wird. Wenn die Inflationserwartungen gleichzeitig stabil blieben, bestünde für eine Zinserhöhung der EZB damit keine Notwendigkeit. Entsprechend deuten auch die am Geldmarkt eingepreisten Leitzinsniveaus noch keine Zinswende an.

2. Die praktische Geldpolitik der EZB richtet sich derzeit aber nur wenig nach den im EZB-Kompass dargestellten EWU-Durchschnittswerten. De facto geht es eher darum, den Zahlungsausfall eines Landes, seiner Banken und seiner Gläubiger zu verhindern. Mit anderen Worten haben mikroökonomische Faktoren einen mindestens so starken Einfluss auf die Geldpolitik wie die makroökonomischen Determinanten. Dazu gehört die am Montag verkündete Entscheidung, dass griechische Staatsanleihen und vom griechischen Staat garantierte Schuldtitel unabhängig von ihrem Rating refinanzierungsfähig bleiben. Die Entscheidung halten wir für sinnvoll. Schließlich ist es die Hauptaufgabe einer Zentralbank, für die Refinanzierung der Banken Sorge zu tragen. Griechischen Banken die Refinanzierungsfähigkeit im Ernstfall de facto zu nehmen, wäre daher schwer zu verstehen. Überdies würde es die wirtschaftlichen Probleme des Landes massiv verstärken. Statt einer Einzelfallentscheidung für Griechenland, sollte die EZB aber prüfen, alle Staatsanleihen in der EWU - möglicherweise mit Abschlägen und Höchstbeträgen pro Institut - refinanzierungsfähig zu machen.

3. Auf der Pressekonferenz wird es zunächst auch um die Beurteilung der Finanzhilfen für Griechenland gehen: ob diese mit dem Maastricht-Vertrag vereinbar sind oder ob sie das Regelwerk der Währungsunion irreparabel verletzen. Trichet hat sich bei Kanzlerin Merkel für die deutsche Beteiligung an Hilfskrediten ausgesprochen. Er muss sie daher uneingeschränkt verteidigen. Dazu gehört auch, dass er an ihre Wirksamkeit glaubt und diese herausstellt. Genau dies wird aufgrund der hohen Schuldenlast Griechenlands aber derzeit von den Finanzmärkten in Frage gestellt. Eine Umstrukturierung der griechischen Schulden erscheint vielen Marktteilnehmern entsprechend unvermeidbar. Die Möglichkeit einer Restrukturierung darf er jedoch nicht andeuten, da das aufkeimende Marktvertrauen sonst wieder im Keim erstickt würde.

Ähnliches gilt für das Thema Ankauf von Staatsanleihen. Die EZB kann auf dem Sekundärmarkt Staatsanleihen kaufen und könnte damit praktisch im Alleingang die Schuldenkrise lösen. Nach den Erfahrungen mit dem Pfandbriefankaufprogramm würden private Investoren voraussichtlich sehr schnell die Renditen in der Europeripherie massiv nach unten drücken. Die entsprechende Verlängerung der EZB-Bilanz würde jedoch auch für die EZB unkalkulierbare Risiken bergen. Zwar würden mögliche Verluste mit den monetären Einkünften verrechnet werden bzw. den nationalen Zentralbanken und Regierungen belastet. Auch könnte die EZB ihr Kapital erhöhen, ohne dass die nationale Politik sich dem widersetzen könnte. Eine politisch sehr heikle Entscheidung wäre es aber, zu bestimmen von welchen Ländern Staatsanleihen in welchem Ausmaß gekauft würden. Eine Verteilung nach dem Kapitalschlüssel der EZB bietet sich dabei nicht an, da dies nicht den bedürftigen Ländern, sondern vor allem den großen Ländern zu gute käme. Ein Ankauf der derzeit am Markt nur schwer handelbaren Anleihen würde einzelne Länder stark bevorteilen und wäre politisch kaum zu vermitteln. Vergessen werden darf schließlich nicht, dass die Glaubwürdigkeit der EZB, auch mittelfristig ein stabiles Preisniveau zu garantieren, immer stärker leidet, je mehr sie sich von ihren Leitlinien verabschiedet.

Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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