Kommentar
18:14 Uhr, 28.08.2015

Goldminenaktien: Hoffnung auf Trendwechsel berechtigt? Teil II

Minenaktien wirken derzeit attraktiv. Sie sind tief gefallen und der Goldpreis erholt sich. Auf Anleger wartet bei einem Investment jedoch vor allem Eines: enorme Bilanzrisiken, die Unternehmen noch in die Insolvenz drängen können.

Die Sache hoher Fixkosten
Die Goldrallye dauerte 10 Jahre. Die schier endlos steigenden Preise führten zu einer Ausdehnung der Fixkosten. Damit haben nun viele Unternehmen zu kämpfen. Sie versuchen zwar an allen Ecken und Enden zu sparen, doch alles hat seine Grenzen.

Grafik 1 zeigt beispielhaft die Entwicklung der Kosten von Barrick Gold. Barrick Gold ist ein Negativbeispiel für die ganze Branche. Kommt es zu größeren Turbulenzen aufgrund der Bilanzen, dann ist Barrick Gold eines der ersten Unternehmen, die davon betroffen sein werden. Wer Barrick beobachtet weiß, wie schlimm es werden kann.

Die erste Grafik zeigt die Entwicklung der Kosten seit 1988. Der Großteil der Kosten sind Investitionskosten. Sie stiegen von 165 Mio. USD im Jahr 1993 auf 5,2 Mrd. USD im Jahr 2012. Die Investitionen verdreißigfachten sich innerhalb dieser knapp 20 Jahre. Der Umsatz stieg hingegen nur um einen Faktor von 20. Inzwischen sind die Investitionen um über 60% zurückgeschraubt worden. Im gleichen Zeitraum ging der Umsatz etwas weniger zurück, liegt aber 40% unter dem Wert aus 2012.

Die Reduktion der Ausgaben für Investitionen verlangsamt sich. Das hat einen einfachen Grund. Barrick kann die Investitionen nicht noch einmal halbieren, wenn sie ihre Produktionsmenge zumindest ansatzweise halten wollen. Ein Level von 1 bis 1,5 Mrd. USD ist das absolute Minimum und führt mittel- bis langfristig bereits zu einer deutlichen Reduktion der Produktion. Will Barrick die Produktionsmenge aufrechterhalten, dann müssen langfristig mehr als 2 Mrd. pro Jahr investiert werden.

Andere Positionen wurden ebenfalls deutlich reduziert. 2012 schüttete Barrick 750 Mio. USD an Dividenden aus. Heute sind es noch 215 Mio. Das Maximum, das Barrick hier noch einsparen kann, sind 215 Mio. Aktienrückkäufe wurden inzwischen eingestellt. Das brachte noch einmal Einsparungen von mehreren Milliarden. Von 2009 bis 2014 wurden jährlich im Durchschnitt 1,3 Mrd. für Aktienrückkäufe ausgegeben. Dieser Wert wurde auf null heruntergefahren. Eingespart werden kann hier nichts mehr.

Das zusätzliche Einsparungspotential von Barrick ist gering. Investitionen und Dividenden können insgesamt noch einmal 500 bis 750 Mio. USD an Einsparungen bringen, doch dann ist Schluss. Gleichzeitig steigen die Finanzierungskosten. Barrick drücken knapp 12 Mrd. USD Schulden. Die Zinszahlungen belaufen sich auf ca. 700 Mio. pro Jahr. Sofern der Goldpreis nicht nachhaltig steigt, steigen die Zinskosten eher als dass sie fallen. Barrick kann auch nicht einfach nach Belieben die Schulden reduzieren. Dafür fehlt das Geld. Eine substantielle Schuldenreduktion kann nur über die Ausgabe neuer Aktien erfolgen. Mit dem Geld aus einer Kapitalerhöhung können Schulden reduziert werden.

Die Kostenquote ist insgesamt sehr hoch. Beim derzeitigen Goldpreis betragen die Kosten der Förderung bereits 60% des Umsatzes. Über Abschreibung und Amortisation kommen noch einmal an die 20 Prozentpunkte hinzu. Damit liegt die Kostenquote bereits bei 80% des Umsatzes. Die Kosten der Verwaltung und des Managements machen noch einmal 5% aus. Die Zinszahlungen liegen bei 7,5% des Umsatzes und alle anderen Positionen zusammen machen nochmals 5% aus. Damit liegt die Kostenquote bei derzeit 97,5%. Fällt der Goldpreis um 10%, bleiben die Kosten aber konstant, dann steigt die Quote auf 108,3%.

Die Luft für Barrick ist sehr dünn. Selbst wenn sie die Investitionen weiter zurückfahren und nochmals 750 Mio. einsparen, steht die Kostenquote dann bei einem Rückgang des Goldpreises um 10% immer noch bei 99%. Fällt der Goldpreis unter 1.000 USD pro Unze, dann dürfte sich Barrick nicht mehr durch Kosteneinsparungen sanieren können.

Die Sache mit den Vermögenswerten
Anleger verfallen trotz hoher Kosten und nur noch geringen Einsparungspotentials nicht in Panik. Sie können sich immerhin noch auf ein Polster von Vermögenswerten stützen. Es ist ja nicht so, dass Barricks Assets nichts wert wären. Barrick hat zwar 12 Mrd. Schulden, dafür aber auch 30 Mrd. an Vermögenswerten.
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Der Eindruck eines Sicherheitspolsters aufgrund von Vermögenswerten täuscht. Grafik 2 zeigt, wieso das so ist. Die Vermögenswerte sinken im Sturzflug. Sie fallen schneller als der Goldpreis. Dieser ist seit 2011 um 40% gefallen. Die Vermögenswerte sind im gleichen Zeitraum um ca. den gleichen Prozentsatz gefallen. Die Nettovermögenswerte (nach Schulden) sind jedoch um fast 60% zurückgegangen. Mit fallenden Goldpreisen sind die Nettovermögenswerte überproportional zurückgegangen.

Spielt man das als Investor einmal durch und geht mittel- bis langfristig von weiter sinkenden Goldpreisen von 20% aus, dann würden sich die Nettovermögenswerte noch einmal vom aktuellen Stand aus halbieren. Die Nettovermögenswerte liegen derzeit bei ungefähr 9,5 Mrd. USD. Nach einer Halbierung würde der Wert des Vermögens unter 5 Mrd. sinken. Die Marktkapitalisierung liegt heute bei ca. 9 Mrd. und bereits unter den Nettovermögenswerten. Fällt der Goldpreis um 20%, dann müsste die Marktkapitalisierung auf 4,4 Mrd. sinken. Ein Rückgang des Goldpreises um 20% führt – theoretisch zumindest – zu einem Kursrückgang von 50% bei der Aktie.

Wieso aber sinken die Vermögenswerte überhaupt so schnell und überproportional? – Grafik 3 versucht darauf eine Antwort zu finden. Die Vermögenswerte setzen sich aus verschiedenen Positionen zusammen. Zu Barricks Vermögenswerten gehören vor allem immaterielle Werte (derzeit 4,5 Mrd. USD), Inventar (2,3 Mrd.), Cash (1,4 Mrd.) und festes Anlagevermögen (17 Mrd.).

Das feste Anlagevermögen steigt und fällt mit dem Goldpreis. Diese Assets sind letztlich so viel wert wie sie an Umsatz und Gewinn generieren können. Fällt der Goldpreis, dann verringert sich auch die Ertragskraft des Anlagevermögens (vor allem die Minen selbst mit ihren Maschinen und sonstigen Anlagen). Unternehmen wie Barrick, aber auch alle anderen der Branche, müssen mit fallenden Preisen hohe Wertkorrekturen auf ihre Assets vornehmen.

Allein ein Rückgang des Goldpreises um weitere 20% würde einen Abschreibungsbedarf von 3 Mrd. mit sich bringen. Das ist einigermaßen vorhersehbar. Was ganz und gar nicht vorhersehbar ist, das sind Abschreibungen auf das immaterielle Vermögen. Durch Übernahmen anderer Gesellschaften hat Barrick derzeit noch 4 Mrd. an Goodwill (immaterieller Firmenwert) als Vermögen in der Bilanz stehen. Je nachdem wie weit der Goldpreis fällt, muss dieser Wert drastisch nach unten korrigiert werden. Im schlimmsten Fall muss die Position komplett abgeschrieben werden.

Geht man von diesem Worst Case aus und zählt das mit den Abschreibungen auf das Anlagevermögen zusammen, dann ergibt sich insgesamt ein weiterer Abschreibungsbedarf von 8 Mrd. Das ist fast der gesamte Nettovermögenswert, den Barrick noch in der Bilanz stehen hat.

Das ist ein sehr dünnes Sicherheitspolster, zumal Barrick derzeit auch einen negativen Free Cash Flow hat. Der Cashbestand verringert sich derzeit um 150 Mio. pro Quartal. Fällt der Goldpreis vom aktuellen Stand weiter, dann hätte Barrick innerhalb von ein bis anderthalb Jahren keine Nettovermögenswerte mehr. Das Eigenkapital wäre negativ. Firmen mit negativem Eigenkapital gehen entweder in die Insolvenz oder werden notverkauft.

Barricks Problem sind die enorm hohen Schulden die im Verhältnis zu den Vermögenswerten immer größer werden. Während die Schulden konstant bleiben sinken die Vermögenswerte. Kann sich Gold über 1.000 USD halten, dann kann auch Barrick überleben. Sinkt Gold unter 1.000 USD, dann muss eine große Kapitalerhöhung her oder es droht die Insolvenz.

Barrick Gold ist eines der ersten Unternehmen der Branche, die in Schieflage geraten können, weil sie eine besonders hohe Schuldenlast haben. Die Bilanzrisiken sind bei vielen anderen Minenunternehmen nicht ganz so hoch, aber genauso vorhanden. Anleger sollten sich bei dem Kauf von Goldminenaktien darüber im klaren sein, dass die Vermögenswerte relativ schnell und überproportional sinken können. Die Assets stellen kaum ein Sicherheitspolster dar.

Momentan sind Goldminenaktien Trading Kandidaten, die mit dem Goldpreis überproportional steigen können. Damit ein Investment Sinn macht, muss der Goldpreis einen nachhaltigen Boden gefunden haben. Andernfalls läuft man Gefahr Aktien von Unternehmen zu kaufen, die bei weiter fallenden Goldpreisen nur eine sehr geringe Überlebenschance haben. Man denkt bei Goldminen vielleicht nicht an Bilanzrisiken, doch es sind Bilanzrisiken, die für Anleger derzeit die größte Gefahr darstellen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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