Kommentar
13:25 Uhr, 22.06.2021

Gold fällt: Wieso reagiert der Markt so widersprüchlich?

Gold fällt, obwohl die Inflation hoch ist. Zinsen sinken, obwohl die Fed mit Zinserhöhungen früher beginnen will. Was ist da los?

Es ist ungewöhnlich, dass sich Assetklassen so widersprüchlich bewegen. Der Goldpreis fiel nach dem Fed-Entscheid regelrecht in sich zusammen. Auf den ersten Blick macht das wenig Sinn. Notenbanker halten es nun für möglich, dass die Inflation möglicherweise längere Zeit höher ist als bisher gedacht. Inflation sollte Gold eigentlich stützen. Man kann auch nicht argumentieren, dass steigende Zinsen für die Bewegung verantwortlich sind. Obwohl die Fed nun schon Zinsschritte im Jahr 2023 für möglich hält, ist die Rendite 10-jähriger Anleihen gefallen. Sie erreichte sogar ein mehrmonatiges Tief. Höhere Inflation und Zinsanhebungen sollten die Rendite eigentlich steigen lassen. Langfristige Zinsen sind gefallen. Das gleiche gilt für den Aktienmarkt. Dieser reagierte mit Verkäufen auf den Fed-Entscheid. Die Story, die viele Analysten erzählen, ist aber eine ganz andere. Niedrige Zinsen befeuern die Rally. Langfristige Zinsen stehen tiefer, der Aktienmarkt aber auch. Auch das macht auf den ersten Blick keinen Sinn. Wie passt das also alles zusammen?

Was auf den ersten Blick sehr widersprüchlich erscheint, ist eine überraschend logische Reaktion. Es fehlt nur ein Datenpunkt, der alles erklärt. Das sind die Inflationserwartungen. Diese sind plötzlich gefallen. Anlegern wird gerade klar, dass die Fed die Inflation nicht davonlaufen lassen und weiterhin bekämpfen wird.


So kommt es, dass der Realzins trotz hoher Inflation und sinkenden Zinsen in den letzten Tagen gestiegen ist. Dieser Anstieg lastet auf Gold (Grafik 1). Der Abverkauf war überzogen. Auch das muss man festhalten. Grundsätzlich aber machte der Abverkauf Sinn. Anleger erwarten höhere Realzinsen.

Es wirkt dennoch merkwürdig, dass langfristige Zinsen gefallen sind, wenn die Notenbank mit Zinserhöhungen liebäugelt. Langfristige Zinsen werden vor allem von Inflationserwartungen bestimmt. Da diese auf dem Rückzug sind, gibt es keinen Grund, weshalb die Rendite von 10-jährigen oder 20-jährigen Anleihen steigen sollte.

Zusätzlich führt ein Ende der ultralockeren Geldpolitik zu einer gewissen Risikoscheu. In diesem Fall kaufen Anleger langfristige Anleihen, was die Rendite sinken lässt. Auch der Dollar gewinnt. Genau das war in den letzten Tagen zu beobachten.

Alles in allem hat sich ein Trend beschleunigt, der bisher nicht stark ausgeprägt war. Das lässt sich anhand der Zinskurve erkennen (Grafik 2). Diese flacht ab. Kurzfristige Zinsen werden steigen, langfristige bewegen sich nicht vom Fleck bzw. sinken. Eine Abflachung bedeutet, dass konjunkturell das Beste hinter uns liegt.


Im Normalfall lässt sich innerhalb von 24 Stunden erkennen, wie der Markt nach einem Fed-Entscheid die Lage einschätzt. Dieses Mal dauerte es drei Tage. Nun ist die Meinung gemacht. Will man es kurz zusammenfassen, dann lässt sich die Veränderung der Einschätzung auf einen Aspekt reduzieren: Inflationserwartungen steigen nicht mehr, sie sinken. Entsprechend reagiert auch der Aktienmarkt.

Clemens Schmale


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  • Defender67
    Defender67

    Ich denke die FED will Zeit kaufen.

    Prognosen für 2 Jahre im Voraus wurden so weit ich mich erinnere noch nie abgegeben. Möglich dass die Geldflut nicht weiter befeuert wird. Aber dass die von der Notenbank geschaffene Liquidität wieder eingesammelt wird halte ich für unwahrscheinlich. Um diese real zu entwerten braucht es aber Inflation.

    Der Aktienmarkt will das vielleicht glauben oder denkt: 2 Jahre ist noch eine Weile hin,

    Man erinnere sich an die sensible Reaktion in Q4 2018, die eine Ansage an die FED war.

    Wenn die Konjunktur das Beste (kurzfristige Zinsen steigen, langfristige sinken) hinter sich hat stehen wieder Rufe nach einer konjunkturellen Unterstützung im Raum, man kennt es ja. Zumal es dann wieder Richtung Wahlen geht und ein zwei Jahre davor soll der Aktienmarkt laufen.

    14:42 Uhr, 22.06.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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