Globalisierung: Vom Rückenwind zum Gegenwind
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Boston (GodmodeTrader.de) – Seit fast einer Generation erleben wir eine neue Form der Globalisierung, bisweilen auch Hyperglobalisierung genannt. Nicht zuletzt dank NAFTA, Euro-Einführung und der Aufnahme Chinas in die WTO konnten internationale Unternehmen auf der Globalisierungswelle reiten – mit beispiellosem Rückenwind für ihre Gewinnmargen. Doch jetzt fürchtet man zunehmend, dass die Globalisierung an ihre Grenzen stößt, wie Erik Weisman, MFS Chief Economist, und Robert M. Almeida, MFS Global Investment Strategist, in einem Marktkommentar schreiben.
Seien die Margen also gefährdet? Nach der Finanzkrise hätten sich die CFOs bemüht, mit allen erdenklichen Formen des Financial Engineering Margen, Gewinne und Aktienkurse zu steigern. Sie hätten auf Capital-Light-Strategien mit wenig Eigenkapital gesetzt, sich höher verschuldet, fremdfinanzierte Übernahmen gewagt und eigene Aktien zurückgekauft. Den Unternehmen sei es immer besser gelungen, durch internationale Wertschöpfungsketten ihre Kosten zu senken. Sie hätten weltweit Vorprodukte und Dienstleistungen eingekauft und Billiglohnländer als verlängerte Werkbänke genutzt. Zugleich hätten sie auf internationale Regulierungs- und Steuerarbitrage gesetzt. Doch je weiter die Globalisierung fortgeschritten sei, desto geringer sei ihr Grenzertrag geworden. Jetzt schienen NAFTA, Euroraum und Offshore-Produktion keinen weiteren Mehrwert zu schaffen, heißt es weiter.
„Seit Tausenden von Jahren erleben wir mal mehr und mal weniger Globalisierung. Die heutigen Wertschöpfungsketten entstanden in der Zeit nach Bretton Woods – ermöglicht durch den US-Dollar als Weltreservewährung sowie Institutionen wie WTO und IWF. Durchgesetzt wurde diese Ordnung von den USA. Ganz wichtig war dabei der immer weitere Abbau der Zölle. Doch jetzt gibt es immer mehr Anzeichen dafür, dass die Globalisierung an ihre Grenzen stößt. Symptome dafür sind die zunehmende Einkommensungleichheit und der Aufstieg des Populismus“, so Weisman und Almeida.
Der Handelskrieg zwischen den USA und China schade den internationalen Wertschöpfungsketten – und das zu einer Zeit, in der die Zölle nach einem jahrzehntelangen Rückgang wieder angehoben werden könnten. Wenn die USA auf alle Importe aus China 25 Prozent Zoll erhöben, wären die Zölle weltweit so hoch wie seit den 1960er-Jahren nicht mehr, heißt es weiter.
„Die Wertschöpfungsketten von heute sind aber nicht für die Zölle der 1960er-Jahre gemacht. Bei derart hohen Abgaben würden sie nicht mehr funktionieren, zumal auch nichttarifäre Handelshemmnisse überall zuzunehmen scheinen. Grundlage der modernen Wirtschaft ist eine Welt mit niedrigen Zöllen, in der Freihandel als öffentliches Gut gilt. Doch die jüngsten Entwicklungen stellen genau das infrage – und gefährden die Billionen von Dollar schweren internationalen Wertschöpfungsketten… Können die Wertpapierkurse noch einen Puffer bieten, wenn die CFOs schon alle verfügbaren Mittel genutzt haben? Wir halten einen solchen Puffer, wenn überhaupt, für nicht sehr groß“, so Weisman und Almeida.
Wenn die Globalisierung zurückgedreht werde und dies die Wertschöpfungsketten gefährde oder zu teuren Anpassungen zwinge, dürften die Bruttomargen darunter leiden. Unternehmen, die nicht aufgrund einer überdurchschnittlichen Produktqualität, sondern wegen eines klugen Lieferkettenmanagements überdurchschnittlich erfolgreich seien (und deren Kurse entsprechend zugelegt hätten), könnten vor unlösbaren Problemen stehen. Ihre Stärken seien plötzlich nichts mehr wert, heißt es weiter.
„Wenn aber die CFOs nur noch wenig Spielraum haben und Störungen der Wertschöpfungsketten die Gewinnmargen gefährden, dürften Firmen mit hoch spezialisierten Geschäftsmodellen, wertvollem geistigen Eigentum und starken Marken besser für diese Veränderungen gewappnet sein. Wer hingegen seine Produktion nicht schnell verlagern kann, um den Folgen der Zölle zu entgehen, und noch dazu nicht über Preismacht verfügt, könnte Probleme bekommen“, so Weisman und Almeida.
All dies mache die Einzelwertauswahl immer wichtiger. Zehn Jahre lang hätten sich alle Indexwerte mehr oder weniger im Gleichschritt bewegt, doch jetzt könnte es wieder zu einer stärkeren Differenzierung kommen. Ohnehin würden Investoren gegen Ende des Konjunkturzyklus wählerischer: Sie mieden hoch verschuldete Unternehmen mit fallenden Bruttomargen sowie qualitätsschwächere Zykliker. Wie so oft deckten Veränderungen des Geschäftsumfeldes die Schwächen der Unternehmen auf. Umso wichtiger sei es, selektiv zu sein, heißt es abschließend.
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