Globale Energiemärkte – Ist das Wetter schuld?
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Der Erdölmarkt
Zurzeit gibt sich fast jeder, der mit den Energiemärkten zu tun hat, als geübter Wetterfrosch. Dabei wird gänzlich außer Acht gelassen, dass das Wetter nur wenig Einfluss auf die weltweite Nachfrage nach Öl hat. An den wichtigsten Märkten der USA entfallen gerade mal sechs Prozent der gesamten Erdölnachfrage im Dezember und Januar auf Heizöl. Entsprechend wirken sich auch größere Fluktuationen beim Heizölbedarf nur unerheblich auf die gesamte Öl-Nachfrage insgesamt aus. Ein Beispiel aus den USA: Im vergangenen Winter ließen Bikini-Temperaturen im Januar die Nachfrage nach Heizöl um sage und schreibe 0,1 Mio. Barrel pro Tag einbrechen. Diese ordentliche Delle wurde indes in vollem Umfang vom höheren Bedarf an Benzin und Erdöldestillaten wettgemacht, da der Autoverkehr infolge der außergewöhnlich milden Witterung beträchtlich zunahm. Das Wetter ist zwar ein entscheidender Faktor für den Erdgasmarkt, aber nicht für den Erdölverbrauch. Der jüngste Rückgang der WTI-Preise um vier Dollar überrascht daher.
Werfen wir einmal einen Blick auf die Rahmendaten: Die Vorräte an Erdöl und Erdölprodukten in den USA gehen weiterhin deutlich zurück, die Rohölbestände beispielsweise fielen über fünf Wochen in Folge. Skeptiker weisen darauf hin, dass die Lieferungen durch Nebel im Schiffskanal von Houston und am LOOP-Terminal unterbrochen wurden. Doch kontinuierliche Abgänge über fünf Wochen hinweg deuten eher auf einen Trend hin. Anfang Oktober betrugen die Vorräte noch fast 70 Mio. Barrel im Vergleich zum Fünfjahresdurchschnitt, jetzt sind sie bereits auf 15 Mio. Barrel geschrumpft. Dieser Schwund konzentriert sich allein auf die Rohölbestände, da sowohl Benzin als auch Erdöldestillate bestandsmäßig den Fünfjahresdurchschnitten entsprechen. Allein in den letzten beiden Wochen sind die Rohölvorräte um 15 Mio. Barrel gefallen. Man kann sich also an zehn Fingern ausrechnen, dass sich der Überschuss noch im Januar in ein Defizit verwandeln wird – egal, ob es warm oder kalt wird. Bedenkt man zudem, dass die OPEC dem Markt weiterhin eine Tagesproduktion von knapp 1 Mio. Barrel vorenthält, mutet der wetterbedingte Pessimismus doch, gelinde gesagt, etwas sonderbar an. Dementsprechend legen wir von 2007 bis 2009 beim Strip-Preis, also bei der Bewertung auf Basis durchschnittlicher Terminpreise, von 95 auf 100 Prozent zu. Das bedeutet, dass wir gegenüber Dezember einen etwas höheren Ölpreis erwarten. Im Laufe des Januars rechnen wir noch mit einem weiteren kräftigen Anstieg des Rohölpreises.
Der Erdgasmarkt
Die Prognose eines El-Niño-bedingten warmen Winters scheint sich zu bewahrheiten. Damit dreht sich der
bisher vorherrschende Trend rasch sinkender Erdgasbestände um. Da die Vorräte bereits überdurchschnittlich hoch waren, wirkt sich das derzeit ungewöhnlich warme Wetter in New York logischerweise auf die Erdgaspreise aus. Den Wettervorhersagen zufolge soll die milde Witterung bis Mitte Januar anhalten. Damit ist die Wintersaison 2006/2007 auch schon fast vorüber; um die Zahlen für das erste Halbjahr 2007 zu retten, wäre daher zumindest die Rückkehr zu normalen Temperaturen vonnöten. Während die Nachfrage bei Frühlingstemperaturen also dahinschmilzt, stellt sich die Versorgungslage als außerordentlich positiv dar. Geringere LNG-Lieferungen und sinkende Einfuhren aus Kanada haben die Versorgung um rund 2,5 Mrd. Kubikfuß pro Tag geschmälert. Hinzu kommt, dass dem Markt durch das Strippen von Flüssiggas wahrscheinlich weitere 1,5 Mrd. Kubikfuß pro Tag entzogen werden. Insgesamt hat sich der Markt im Jahresvergleich um etwa 4 Mrd. Kubikfuß pro Tag verengt, das wird aber durch das milde Wetter mehr als aufgewogen. Auch für die kommenden Wochen ist mit anhaltenden Frühlingstemperaturen und damit einer weiteren Zunahme der Bestände zu rechnen. Vorausgesetzt, dass sich demnächst wieder klimatische Normalität einstellt, können wir eine ähnliche Entwicklung wie im Vorjahr und mithin einen Abbau des Überangebots erwarten.
Quelle: Schroders
Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2006 rund 184,2 Mrd. Euro.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.