Kommentar
08:54 Uhr, 27.01.2018

Gibt es zu viel oder zu wenig Kredite?

Kredit ist das Schmiermittel der Wirtschaft. Hohes Kreditwachstum ist auch mit hohem Wirtschaftswachstum verbunden. Andererseits mangelt es ja nicht gerade an Schuldenbergen...

Notenbanken rund um die Welt haben nicht zum Spaß die Zinsen gesenkt. Einerseits sollten die niedrigen Zinsen die Kreditaufnahme attraktiver machen, andererseits sollten bestehende Schulden leichter refinanzierbar und tragbar gemacht werden. Viele Unternehmen haben davon Gebrauch gemacht und sitzen auf rekordhohen Schuldenbergen.

Kredit wurde aufgenommen. Insofern hat der Plan der Notenbanken funktioniert. Das Resultat ist trotzdem nicht wie erwünscht. Der Kredit floss nicht nur in Investitionen. Diese bleiben seit 2009 Mangelware. Stattdessen wurden Firmen über Wasser gehalten, die eigentlich nicht überlebensfähig sind, Aktien zurückgekauft und Dividenden ausgeschüttet.

Von Staaten braucht man fast nicht zu sprechen. Gigantische Konjunkturprogramme 2008/09, zusammen mit der Bankenrettung, ließen die Staatsschulden explodieren. In Portugal verdoppelte sich der Verschuldungsgrad beinahe von 70 % der Wirtschaftsleistung auf 130 %. Trotz Sparmaßnahmen und inzwischen auch wieder höheren Wachstums gelingt der Schuldenabbau nicht.

Andere Staaten hatten es besser. In Deutschland stieg die Verschuldung zunächst von 65 % auf 81 %. Er ist inzwischen aber wieder deutlich gesunken und liegt nun wieder bei weniger als 70 %. Deutschland verzeichnete kaum steigende Arbeitslosenzahlen während der Krise und galt als Konjunkturlokomotive. Trotzdem brauchte es fast ein Jahrzehnt bis die Schulden, die im Zuge der Krise aufgenommen wurden, wieder abgetragen werden konnten.

China war da nicht so zimperlich. Hier steigt die Verschuldung einfach munter weiter, teils doppelt so schnell wie das Wirtschaftswachstum. Schulden sind nun aber kein Perpetuum Mobile. Ewig geht es so einfach nicht weiter.

Die große Vision der Notenbanken und Regierungen war, einfach aus den Schulden herauszuwachsen. Wachstum ohne Kredit ist allerdings schwierig. Um zu wachsen braucht es Kredit, wodurch dieser abgebaut werden soll. Um es kurz zu machen: Wie bitte? Die Rechnung stimmt doch irgendwie nicht.

Die Rechnung stimmt tatsächlich nicht. Beides gleichzeitig geht nur, wenn Investitionen eine höhere Rendite als die Zinsen bringen. Das scheint derzeit fast nirgends der Fall zu sein. Man müsste also eher sparen als mit vollen Händen Kredit aufzunehmen.

Das ändert freilich nichts daran, dass sich das Wachstum nur mit mehr Kredit beschleunigen dürfte. In den USA sank das Kreditwachstum in den letzten drei Jahren (siehe Grafik). Unternehmen waren so konservativ, dass der Schuldenberg fast schon wieder zu schrumpfen begann. Über den Jahreswechsel ist nun aber etwas geschehen: das Kreditwachstum zieht wieder leicht an.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Es kann ein Ausrutscher sein. Ist es kein Ausrutscher, dann beginnt gerade ein neuer Kreditzyklus mit höherem Schuldenwachstum und wahrscheinlich auch höherem Wirtschaftswachstum. Bei der Abkühlung des Kreditwachstums war es schon fast ein Wunder, dass die USA noch nicht in eine Rezession geschlittert sind. Jetzt scheint der Zyklus wieder zu drehen. Das ist kurzfristig positiv für das Wirtschaftswachstum.

Im letzten Quartal ist die US-Wirtschaft immerhin noch mit annualisiert 2,6 % gewachsen. Das war weniger als erwartet, aber im Vergleich zu den letzten Jahren gar nicht schlecht. Kann der Kreditzyklus noch einmal zünden, kommt es vielleicht doch noch zum viel beschworenen Wachstum von 3 % über ein ganzes Jahr.

Langfristig sieht die Sache anders aber aus. Global stimmen eigentlich alle überein, dass die Schulden zu hoch sind. Das weltweit robuste und synchrone Wachstum wird derzeit gefeiert. Es wird leider nicht genutzt, um endlich die Bilanzen zu bereinigen.

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • Löwe30
    Löwe30

    Die Eingriffe der Zentralbank haben das Anlegerverhalten maßgeblich verändert: Die Risikoscheu der Investoren hat deutlich abgenommen. Investoren sind wieder bereit, ihr Geld in riskante(re) Anlagen zu investieren – und hoffen, dass bei Problemen die Zentralbank zur Rettung kommt. (Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Moral Hazard“)...

    Die aktuelle konjunkturelle Erholung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Volkswirtschaften nach wie vor in einem Boom-Bust-Zyklus befinden. Der Grund: das ungedeckte Fiat-Geld. Zentralbanken, zusammen mit den Geschäftsbanken, erhöhen fortwährend die Geldmenge durch Bankkreditvergabe. Genauer: Die Geldmenge steigt durch eine Bankkreditvergabe, die nicht durch echte Ersparnisse gedeckt ist. Dadurch wird der Marktzins unter sein „natürliches Niveau“ gesenkt (also das Niveau, das sich einstellt, wenn keine künstliche Kredit- und Geldmengenvermehrung zugelassen würde).

    Die künstlich gesenkten Zinsen wiederum ermuntern Unternehmen, neue Investitionsprojekte anzugehen. Für Konsumenten und die Staaten wird es attraktiv, auf Pump zu leben. Die Wirtschaft zieht dadurch zunächst an. Früher oder später jedoch merken die Unternehmen, dass die Investitionen sich nicht rechnen – weil entweder die Preise der Produktionsfaktoren stärker steigen als ursprünglich kalkuliert, oder weil die erhoffte Nachfrage nach den Erzeugnissen ausbleibt. Unternehmen beginnen daraufhin, unrentable Investitionen abzubauen. Arbeitsplätze werden gestrichen.

    http://www.rottmeyer.de/gefangen-im-boom-und-bust-zyklus/

    09:19 Uhr, 29.01.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    Was die Gottspieler in den Zentralbanken mit ihrer Geldpolitik und Zinsmanipulation bewirken ist nichts weiter wie starke Boom und Bust Zyklen aber kein gesundes Wachstum. Ohne die Geldschöpfung aus dem Nichts und die Manipulation der Zinsen könnte die Wirtschaft gesund wachsen, ohne starke Schwankungen. Kredite sind nur dann gut für ein gesundes Wachstum, wenn sie aus Ersparnissen gespeist werden.

    09:07 Uhr, 29.01.2018
  • einfach
    einfach

    die weltweite verschuldung kann eigentlich nur dann sinken, wenn weltweit die zinsen nahe null abgebaut werden.

    technisch ist das durch die zentralbanken absolut möglich, aber ob die banken dabei ohne aufzumurren mitspielen steht auf einem anderen blatt papier.

    21:08 Uhr, 28.01.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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