Kommentar
09:03 Uhr, 13.07.2022

Gewinnrezession: Kommt sie oder kommt sie nicht?

An Gewinnwarnungen mangelt es nicht, dafür aber an einer klaren Anpassung der Gewinnerwartungen durch die Marktteilnehmer.

Gewinnwarnungen werden vom Markt nicht gut aufgenommen. Die Regel gilt eigentlich immer, aber ganz besonders dann, wenn Erwartungen und Realität so diametral auseinanderdriften wie jetzt. In der Praxis hat das an der Börse ernste Konsequenzen. Der Anbieter einer Kreditvergabeplattform, Upstart, senkte seine Prognose am Freitag. Der Kurs brach um 20 % ein, nachdem die Aktie zuvor schon über 60 % seit Jahresbeginn eingebüßt hatte. Ob durch Gewinnwarnungen oder enttäuschende Quartalszahlen, an Beispielen von Abverkäufen mangelt es nicht. Es handelt sich auch nicht um ein Problem der zweiten Börsenliga. Netflix verlor mit Bekanntgabe der letzten Quartalszahlen gleich ein Drittel an Wert. Was Anleger immer noch überrascht, sollte eigentlich bekannt sein. Viele Indikatoren deuten eine Geinnrezession an. Das Zutrauen der CEOs geht dem Gewinnwachstum um zwei Quartale voraus. Hier werden spätestens bis Ende des Jahres schrumpfende Gewinne angezeigt (Grafik 1).


Auch ein anderer, hervorragender Indikator deutet die Probleme seit Monaten an. Der Einkaufsmanagerindex fällt konsequent und steuert sogar auf Rezessionsniveau für die Wirtschaft zu (Grafik 2). Auch hier gilt, dass die Gewinne dem Index folgen. Nullwachstum ist zum Greifen nahe.

Analysten revidieren ihre Schätzungen notorisch spät. Immerhin lassen sich zarte Anzeichen einer Gewinnrezession erkennen. In den vergangenen Monaten wurden die Gewinnschätzungen für den S&P 500 langsam, aber sicher nach unten bewegt. Anfang 2023 soll es zum Knick nach unten kommen (Grafik 3).

Der Gewinnrückgang für Anfang 2023 wird derzeit auf 5 % geschätzt. Je näher ein Quartal kommt, desto mehr wird nach unten revidiert. Bei 5 % dürfte es daher nicht bleiben. Gleichzeitig ist die Inflation hoch. Ein nominales Wachstum von -5 % entspricht einem deutlich negativeren Realwachstum.

Ein moderater Gewinnrückgang im ersten Quartal wird jedoch im Normalfall immer erwartet. Es ist das Nach-Weihnachtsquartal, indem viele Unternehmen besonders hohe Gewinne ausweisen. Man darf den Knick in den Erwartungen also noch nicht überbewerten. Analysten haben sich noch nicht wirklich mit einer Gewinnrezession angefreundet. Die Ansätze sind bisher nur vage.

Das birgt für Anleger weiteres, negatives Überraschungspotential. Die Selloffs bei Einzelwerten, die Gewinnwarnungen oder enttäuschenden Zahlen folgen, deuten an, dass eine Gewinnrezession die Kurse weiter drücken kann. Das Verhalten der Anleger spricht dafür.

In der Theorie ist die Gewinnrezession bereits eingepreist (Grafik 4). Aktien haben im Verhältnis zu negativem Gewinnwachstum ausreichend korrigiert. Da Anleger immer noch deutlich auf Negativwachstum reagieren, scheinen die bisherigen Kursverluste mehr die Geldpolitik als die erwartete Gewinnentwicklung widerzuspiegeln.


Anleger und Analysten glauben noch nicht wirklich an eine Gewinnrezession. Geht es nach Einkaufsmanagern und CEOs, lässt sie sich kaum vermeiden. Aller Voraussicht nach sollten die Gewinne im vierten Quartal 2022 und im ersten Quartal 2023 zurückgehen.

Clemens Schmale


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1 Kommentar

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  • Marc1
    Marc1

    Diesmal ist alles anders I😀:

    Was ist wenn Unternehmen diesmal in der Rezession und wg. Inflation die Preise stark angehoben haben? Jeder Prozentpunkt Preiserhöhung wirkt Wunder auf die Marge.

    Diesmal ist alles anders II:

    Personalanpassungen sind diesmal kaum möglich. Mitarbeiter*in, die man entlässt bekommt man nicht wieder, und wann man jemand findet, dann nur zur höheren Entlohnung. Das spricht für ein Gewinnwarnung zumindest bei personalintensiven Unternehmen (Logistik, Hello Fresh & Co, Amazon, Starbucks, MCD...)

    09:31 Uhr, 13.07. 2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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