Kommentar
15:50 Uhr, 07.03.2006

Gewinnmitnahmen auf breiter Front

Nach einem guten Wochenstart haben die Aktienmärkte spürbar nachgegeben. Überraschend schwache US-Konjunkturdaten, die EZB-Sitzung und Wachstumswarnungen von Google und Intel zogen die Kurse rund um den Globus nach unten, am stärksten in Euroland und Japan.

USA: Liquidität stützt

Amerikanische Aktien präsentierten sich in der abgelaufenen Woche im Vergleich zu ihren europäischen und asiatischen Pendants in guter Verfassung. Dabei waren es gerade Ereignisse in den USA, die die Märkte weltweit unter Druck brachten. Überraschend schwache Frühindikatoren wie der Chicago Einkaufsmanagerindex und das rückläufige Verbrauchervertrauen waren der erste Schwächeimpuls. Dann rief Google den Investoren in Erinnerung, dass sich das Wachstum im Kerngeschäft Suchmaschine verlangsamen werde. Und schließlich belastete Intel mit einer reduzierten Umsatzprognose für das erste Quartal 2006 die weltweiten Märkte. In der Heimat hatte all dies allerdings nur begrenzte Auswirkungen. Google, deren Hinweis noch mit einem Tagesverlust von 7,1 Prozent bestraft wurde, erholten sich davon aber umgehend, sodass die Aktie im Wochenverlauf sogar ein Miniplus von 0,2 Prozent erreichte. Ähnlich ist das Bild bei Intel: Die Reaktion der Börse fiel mit einem Rückgang um etwa 2 Prozent recht milde aus. Für die Woche steht lediglich ein Minus von 0,2 Prozent zu Buche. Diese Verläufe lassen sich unter anderem mit den Mittelzuflüssen in den Aktienmarkt erklären. In US-Investmentfonds mit Anlageschwerpunkt USA fließt zurzeit viel Geld. Das muss angelegt werden, wofür sich viel versprechende Aktien anbieten, die eine kurze Schwächeperiode hinter sich haben. In Ford (minus 6,5 % im Wochenverlauf) wollte dagegen zuletzt keiner so richtig investieren, denn die Absatzzahlen für die USA im Februar lagen vier Prozent unter Vorjahr. Gefragt waren stattdessen vor allem Technologieaktien, was sich auch im Zugewinn des Nasdaq Composite Index widerspiegelt. Ganz oben in der Gunst standen JDS Uniphase (plus 21,2 %), Juniper Networks (10,9 %) und Cisco Systems (plus 6,0 %). Alle drei Unternehmen sind Zulieferer der Telekomindustrie, die ihre Netze aufrüsten muss und das auch tut, wie die Bilanzen der Telekomunternehmen zeigen. Das macht Hoffnung auf einen runden Geschäftsverlauf.

Euroland: Gewinnmitnahmen auf breiter Front

In Europa haben sich die US-Enttäuschungen indes sehr viel stärker ausgewirkt. Dazu trug auch die erhöhte Nervosität bei, die aus der bisherigen Performance resultiert. Denn der DAX hatte nach Überschreiten der 5.900 Punkte am Montag in nur zwei Monaten bereits 9,4 Prozent zugelegt. Das macht anfällig für die Sicherstellung von Gewinnen, sobald es Anzeichen von Schwäche gibt. Allerdings kamen diese Anzeichen von außerhalb. In der Eurozone selbst war die Nachrichtenlage nämlich recht positiv. Die Einkaufsmanager aus Industrie und Dienstleistung sind im Februar noch optimistischer geworden und in Deutschland war die Arbeitslosigkeit im Januar überraschend leicht rückläufig. Allerdings belastete die EZB-Sitzung das hiesige Aktienmarktgeschehen. Jean-Claude Trichets Wort- und Tonwahl wurde von den Aktieninvestoren so interpretiert, dass es durchaus stärkere Zinserhöhungen geben könnte als bislang erwartet. Die unmittelbare Reaktion darauf war ein Rückgang des DAX um über 100 Zähler oder knapp 2 Prozentpunkte. Davon erholte sich der Markt letztlich bis Wochenschluss nicht mehr. Auch die Deutsche Telekom (plus 2,4 %) vermochte mit ihrer überraschend deutlichen Dividendenanhebung den Gesamtmarkt nicht mitzureißen. Der Branchennachbar Telefonica (plus 1,9 %) legte ebenfalls gute Zahlen vor. Beides strahlte positiv auf Telecom Italia (plus 1,1 %). France Télécom indes tendierten 2,7 Prozent leichter. Verlierersektor im Dow Jones EURO STOXX 50 waren die Versorger, wo nach dem Übernahmesturm erstmal wieder Ruhe einkehrte und eifrig Gewinne realisiert wurden: Suez minus 7,9 %, Iberdrola minus 5,1 %, E.ON minus 4,2 %, RWE minus 3,4 %, Endesa minus 3,0 %. DaimlerChrysler gehörten mit einem Wochenverlust von 3,4 Prozent ebenfalls zu den Schlusslichtern. Die Absatzsteigerung im Februar in den USA fiel den Börsianern offenbar nicht hoch genug aus. Adidas-Salomon (minus 4,6 %) vergraulte indes mit roten Zahlen für 2005 und einem sehr schwachen Reebok-Auftragseingang. Die Produkte der 3,1 Mrd. Euro teuren Akquisition haben sich im vierten Quartal 2005 nur schleppend verkauft, was böse Erinnerungen an den inzwischen wieder korrigierten Salomon-Ausflug hervorrief. Ohne Reebok hätte die Bilanz des Sportartikelkonzerns geglänzt.

Japan: Geldpolitik legt Aktienmarkt an die Leine

Nach dem Zwischenhoch vor einer Woche zeigten die Kurse in Japan zuletzt wieder nach unten. Mit dem jüngsten Verlust kommt der Nikkei 225 Index auf ein Minus von 2,8 Prozent seit Jahresanfang, was ihn zum schwächsten etablierten Aktienmarkt degradiert. In Japan belastet zurzeit die Geldpolitik das Geschehen. Unstrittig ist mittlerweile, dass die Notenbank ihre stimulierende Wirkung noch in diesem Jahr verringern wird. Zuletzt mehrten sich aber die Anzeichen, dass dies schneller als erwartet passieren könnte. Die Blicke richten sich vor allem auf den Yen, denn dieser würde bei steigenden Zinsen wohl tendenziell aufwerten und somit den Exportmotor drosseln. Im Februar hatte der Yen bereits spürbar gegenüber dem US-Dollar von rund 118 auf 116 Yen zugelegt. Zu Monatsanfang gab er allerdings wieder etwas nach.

Ausblick: Cebit und US-Arbeitsmarktbericht

Der Terminkalender bleibt mit Konjunktur- und Unternehmensveröffentlichungen prall gefüllt. Auftragseingänge in der amerikanischen und deutschen Industrie für Januar am Montag bzw. Dienstag, deutsche Industrieproduktion für Januar am Donnerstag und der US-Arbeitsmarktbericht für Februar am Freitag sind die makroökonomischen Highlights. Da sich der Immobilienmarkt abkühlt, kommt dem Arbeitsmarkt zurzeit eine noch größere Bedeutung zu. Nach 193.000 neuen Stellen im Januar ist die Markterwartung laut Bloomberg für Februar 200.000 neue Jobs. Auf der Unternehmensseite rücken die übernahmefreudigen Versorger E.ON und Suez mit ihren Bilanzpressekonferenzen in den Mittelpunkt. Außerdem öffnet am Mittwoch die Cebit ihre Pforte, was eine Flut an Veröffentlichungen aus den Technologiebranchen garantiert. In Japan berät zur Wochenmitte die Zentralbank über ihren geldpolitischen Kurs. Dann sollte das Bild klarer werden, wann die Bank of Japan an eine Zinserhöhung denkt.

Quelle: Union Investment

Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 122 Mrd. Euro verwaltet die Gesellschaft per Ende Dezember 2004. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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