Kommentar
14:25 Uhr, 22.03.2017

Geniestreich: Durch Zinsanhebung die Geldpolitik lockern

Wer denkt, dass die Zinsen sinken müssen, um die Geldpolitik zu lockern, wurde eines Besseren gelehrt. Wer heutzutage lockern will, hebt die Zinsen an.

Es wirkt wie ein Widerspruch. Wie kann es bitte sein, dass die Geldpolitik gelockert wird, wenn die Zinsen steigen? Das ist doch vollkommen unsinnig – auf den ersten Blick, denn genau das ist vergangene Woche nach dem Zinsentscheid der US-Notenbank geschehen.

Obwohl die Zinsen angehoben wurden, fielen die Zinsen entlang der Zinskurve. Grafik 1 zeigt die Reaktion des Finanzmarktes. Anleihen aller Laufzeiten gaben nach. Der Rückgang in Basispunkten wirkt nicht groß, doch die Wirkung darf man nicht unterschätzen. Die fünfjährigen Anleihen verloren mehr als 12 Basispunkte (0,12 %). Sie sackten damit von 2,12 % auf unter 2 % Rendite ab.

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Der ganz kurzfristige Zins (der Leitzins) stieg natürlich. Er wird von der Notenbank festgelegt. Die Marktzinsen fielen jedoch durch die Bank weg. Das führte dazu, dass sich die Bedingungen auf dem Finanzmarkt insgesamt lockerten. Grafik 2 zeigt einen Stress Index. Positive Werte stehen für überdurchschnittlichen Stress, negative Werte für besonders geringen Stress.

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Nach dem Zinsentscheid sank der Index weiter. Insgesamt hat sich, so kann man sagen, die Geldpolitik gelockert. Eigentlich hätte sie ja gestrafft werden sollen. Das war nicht der Fall. Ob das so beabsichtigt war, darf man bezweifeln. Der Sinn von Zinserhöhungen ist ja eine Straffung und keine Lockerung.

Die Notenbank will eine Überhitzung der Wirtschaft verhindern. Dazu muss die Geldpolitik gestrafft werden. Nun ist ihr das ganz offensichtlich nicht gelungen. Es ist ihr vor allem aus einem Grund nicht gelungen: der Ausblick bleibt stabil.

Seit der letzten Sitzung, bei der Projektionen veröffentlicht wurden (Dezember 2016), hat sich praktisch nichts verändert. Im Dezember hatte die Notenbank ihre Einschätzung noch angepasst. Im September hatte sie für 2017 zwei Zinsschritte vorhergesagt, im Dezember waren es schon drei.

Der Markt ging nun wohl davon aus, dass die Notenbanker ihre Einschätzung noch einmal verschärfen und vier Zinsschritte in diesem Jahr vorsehen würden. Dazu kam es nicht. Der Markt scheint also im Vorfeld mehr Straffung eingepreist zu haben und musste im Nachgang des Zinsentscheids seine Einschätzung wieder korrigieren.

Nun ergibt sich ein Dilemma für die Notenbank. Sie will die Geldpolitik straffen. Dies gelingt ihr jedoch nur, wenn sie die langsamen Zinserhöhungen beschleunigt. Sie muss dem Markt gegenüber mehr Zinsschritte in Aussicht stellen. Andernfalls bleibt die Geldpolitik locker, vielleicht zu locker.

Die Daten rechtfertigen keine Beschleunigung der Zinsanhebungen. Grafik 3 zeigt die Einschätzung der Notenbanker in Bezug auf das Wirtschaftswachstum. Die langfristigen Aussichten haben sich kontinuierlich eingetrübt, aber immerhin Ende 2016 stabilisiert. Solange das potentielle Wachstum nicht anzieht, gibt es keinen Grund die Zinsen schneller anzuheben als derzeit vorhergesagt.

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Die Wirtschaft kann keine zu schnelle Zinsanhebung gebrauchen. Steigen die kurzfristigen Zinsen zu schnell, insbesondere ohne einen parallelen Anstieg der langfristigen Zinsen, droht dies die Wirtschaft abzuwürgen. Die langfristigen Zinsen dürften vom Markt jedoch nur nach oben gedrückt werden, wenn es höhere kurzfristige Zinsen gibt. Höhere Langfristzinsen sind es, die eine Überhitzung der Wirtschaft vermeiden können. Ich bin gespannt wie die Notenbank aus diesem Dilemma wieder herauskommt.

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2 Kommentare

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Man darf gespannt sein, bis die Leute verstanden haben, dass in den Elfenbeintürmen der Zentralbanken keine Genies am Werk sind, sondern Lügner, Betrüger, und Bauernfänger...

    14:44 Uhr, 22.03.2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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