Kommentar
14:14 Uhr, 04.10.2017

Gemeinsame Eurobonds stehen wieder vor der Tür

Manche Dinge kommen einfach immer wieder. Dazu gehören auch Eurobonds. Das Konzept wurde erst vor wenigen Jahren verworfen. Nun gibt es ein neues.

Mitten in der Staatsschuldenkrise gab es laute Rufe nach gemeinsamen Eurobonds. Ein solcher Schritt hätte geholfen, die Zinsen für die meisten Staaten zu senken. Unter anderem Deutschland wollte das nicht. Das war auch gut so. Wenn vergleichsweise solide Länder beginnen für schwächere uneingeschränkt zu haften, hört der Spaß wirklich auf.

Der Spaß hört nicht nur auf, weil dann der Steuerzahler hierzulande für die Misswirtschaft andernorts aufkommen muss, sondern auch, weil es nach Einführung dieser Anleihen ein großes moralisches Dilemma gibt. Wenn andere haften, wieso sollte dann ein Land besser haushalten als ein anderes?

Will man nicht Zahlmeister sein, muss man selbst über seine Verhältnisse leben, um von der Stärke anderer zu profitieren. Der Anreiz für Reformen und Defizitmanagement geht unter Eurobonds komplett verloren. Eine Einführung hätte man wohl als Desaster des Jahrhunderts bezeichnen können.

Als die Idee dieser gemeinsamen Anleihen an die Tür klopfte, jagte sie Wolfgang Schäuble sofort davon. Nun klopft es wieder – diesmal an der Hintertür. Der aktuelle Vorschlag ist nicht so waghalsig wie der letzte, aber immer noch nicht gut. Man kann nur hoffen, dass jemand wie Schäuble das Klopfen beantworten und die Idee wieder davonjagt.

Der Vorstoß zu gemeinsamen Anleihen kommt nicht von ungefähr. Die Lage ist in der Eurozone schon lange nicht mehr so gut gewesen wie jetzt. Die Grafik zeigt, dass das Verbrauchervertrauen und die Stimmung in der Industrie Rekordwerte erreicht. Die Gesamtstimmung, die auch den Dienstleistungssektor beinhaltet, ist ebenfalls außergewöhnlich hoch. In den letzten 30 Jahren gab es nur selten eine bessere Stimmung.

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Die gute Stimmung und Lage verdeckt das eine oder andere Problem. Dazu gehören auch die überbordenden Schuldenberge in Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich. Die EZB sponsert durch QE einen Teil der Verdeckungsaktion.

Wer jedenfalls Eurobonds will, der findet wohl kaum ein besseres Umfeld als jetzt. Der Vorschlag, der nun auf dem Tisch liegt, sieht vor, dass eine Agentur Eurobonds verkauft, dafür Geld erhält und mit diesem Geld die Anleihen der einzelnen Staaten kauft. Die Eurobonds sind letztlich nichts anderes als eine Mischung der einzelnen Staatsanleihen.

Der Unterschied zum früheren Vorschlag ist dennoch gewaltig. Es soll keine gemeinsame Haftung geben. Das funktioniert, indem die Agentur die Anleihen entsprechend ihrer Bonität strukturiert und in Tranchen verkauft. Das funktioniert genauso wie damals bei den Hypothekenpapieren. Man schmeißt alles in einen Topf und per Definition erhält der oberste Teil einer Tranche die beste Bonitätsnote und der unterste die schlechteste. Ob das dann das Risiko wirklich korrekt widerspiegelt, sei dahingestellt.

Deutsche Anleihen wären wohl ausschließlich im oberen Bereich zu finden, also in dem Topf mit der höchsten Bonität. Da nun aber auch noch Anleihen anderer Länder darin zu finden sind, haben die Ratingagenturen schon angedeutet, dass sie dafür keine Bestnote von AAA vergeben werden. Deutschland müsste entsprechend mehr für seine Schulden zahlen.

Deutschland haftet zwar nicht für die Schulden anderer, subventioniert aber mit seiner Bonität andere Länder. Am Ende zahlt der Steuerzahler also wieder drauf. Das kann sich über die Jahre auf Dutzende Milliarden aufsummieren. Nein Danke.

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20 Kommentare

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  • Hosenmichel
    Hosenmichel

    Was an den Deutschen ( Bürgern - nicht Konzernen ) verstärkt seit 2010 begangen wurde ist mit dem Wort `` unsäglich `` oder hoch kriminell `` nur unzulänglich zu bezeichnen ! Eine geplante Volksverarmung triffts hingegen besser !

    13:04 Uhr, 05.10.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Morningstar
    Morningstar

    Das Argument, wir haften oder zahlen für die wirtschafltich Benachteiligten oder wirtschaftlich potenten Staaten etc ist ja durchaus korrekt, aber: Das Gleiche ist bereits jetzt in Deutschland der Fall mit usnerem föderalistischen System und dem Finanzausgleich. BAY, BW etc zahlen mehr bzw verdienen mehr als andere Bundesländer. Das Gleiche gilt für die USA mit ihren wachstumsstarken und auf der anderen Seite finanzschwachen Bundesstaaten. Aber als konkurrenzfähiger Wirtschafts- und Währungsblock gibt es kein Weg am Euro vorbei und auch kein Weg an gemeinsamer europäischer Finanz- und Wirtschaftspolitik. Wir haben existentielle Probleme in Europa mit Verschuldung, Nord-Süd-Gefälle, Immigranten etc etc, dennoch ist ein gemeinsames Europa für mich der einzige Weg in eine lebenswerte Zukunft. Brexit und/oder Katalonien ist kein Ausweg aus der Krise sondern ein Rückschritt. Wir haben in Europa eine mannigfaltige, geschichtsträchtige Kultur, auch resultierend aus viel Leid durch die WK I und II, aber genau daher sollten wir zusammen diese schier unüberbrückbaren Probleme in Europa zusammen lösen können. Das braucht Zeit und wird nicht ohne Opfer gehen, aber es ist es wert.

    09:57 Uhr, 05.10.2017
  • Lois
    Lois

    Herr Schmale ganz streng. Zwei technische Anmerkungen zu dem von Ihnen nicht besonders treffend beschriebenen Konzept:
    1. Es jedes Land nur einen Sockel seiner Staatschulden iüber dieses Vehikel refinanzieren, 40% wäre denkbar, das Maastrichtkriterium von 60% des BIP logische Endstufe. Neuschulden /höhere Verschuldung ist verlässlich nur zum individuellen Zinssatz aka Risikoaufschlag möglich. Die Incentives zu sparen bleiben unverändert.
    2. Eine der Lehren aus 2007/8 ist dass die Gläubigerländer (dh die mit den Gläubigerbanken) niemals, absolut niemals einen Schuldenschnitt aka Verfall von Staatsanleihen zulassen. Das Stichwort Ansteckung sollte eigentlich noch in Erinnerung sein und genau die Haltung von Schäuble und Co auf die die Kommentare hier so stolz sind hat zur Folge dass die (Staats)schulden im Ernstfall (Krise) verlässlich vergemeinschaftet werden müssen. Die Frage ist bloß ob dieses Faktum (Garantie: Schäuble) bis zum letzten Möment weggelogen und dann in maximal schmerzhafter Form durchgesetzt wird oder in zivilisierter Form als Teil einer (Währungs)gemeinschaft gelebt grundsätzlich nur einen unantastbaren Gewinner kennt: Die Deutschland AG und Herrn Schäuble.Ob die deutschen Bürger auch was daon abbekommen ... just ask Mr Schäuble.
    4. Was dann zum Kern führt:Das konservatie, pseudo Deutschland will eine Union in der die Währung um konserativ geschätzte 20% zu niedrig ist und freien Zugang zu Billiglohn und Absatzmärkten von Ländern und Regionen für die der Euro um 20, vielleicht auch 50% zu hoch ist was dort jede Chance auf Wettbewerb auf Drittmärkten und damit einer Annäherung an Kerneuropa nachhaltig zerstört. Das ist Voodoo economics auf Staatsebene. Die direkte Folge: Krisenanfällige Peripheriestaaten ohne Handlungsspielräume was sich, solange nicht Hochkonjunktur herrscht, in viel zu hohen Zinsspreads ausdrückt die dann in/als Katharsis über den Mechanismus der Rettung des Finanzsystems Notoperationen ala 207/8 und 2012 auslösen.

    5. Was würden vernünftige Menschen dagegen unternehmen? Die real ohnehin geteilte Haftung für Staatsanleihen im Euroraum in vernünftige Institutionen integrieren die a. Chancen bzw Nutzen fairer erteilen und b.als Ausdruck von Zusammenhalt die Spreads an sich unnotwendig machen und damit Krisen aus Spekulation gegen Staaten des Euroraums(!) von vorne herein begrenzen.
    6. oder noch einfacher Herr Schmale: eine gemeinsame Währung für Deutschland und die Slowakei macht Deutschland zum dauerhaften strukturellen Gewinner. Wenn dieses, von deutschen Medien gerne als eigene Leistung misserstandene Ungleichgewicht nicht in periodisch wiederkehrenden Krisen untergehen soll (und wer hat da wohl am meisten zu verlieren?) dann müssen kräftige Institutionen die Nebenwirkungen soweit vergemeinschaften dass ein Gleichgewicht auch nach Phasen von Hochkonjuntur haltbar ist. Das schmerzt die deutsche Seele aber es ist wie so oft im Leben: Mit Macht kommt Verantwortung. Macht ohne Verantwortung wird als Gewalt erlebt. Dann steigen Zinsen und andere Kosten verlässlich.

    02:47 Uhr, 05.10.2017
  • lussien
    lussien

    Danke Herr Schmale, endlich mal was Vernünftiges!

    18:29 Uhr, 04.10.2017
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    ... und in der Zeit der Zinskonvergenz (bis 2007) hat Deutschland vom Euro auch nicht profitiert und der deutsche Steuerzahler hat drauf gezahlt: Agenda 2010 - Nettolohnverzicht (bis auf wenige Jahre Ausnahme), während die anderen Länder fast alle einen kräftigen Schluck aus der Pulle genommen haben.

    Nein, der EURO ist nicht gut für Deutschland. Dieses Märchen muss endlich mal aufhören ...

    17:57 Uhr, 04.10.2017
    1 Antwort anzeigen
  • einfach
    einfach

    es wird langsam einmal zeit, mit dem märchen das steuerzahler belastet werden aufzuhören.

    es wurde noch nie eine extra steuer ehoben oder erhöht um schulden zurückzuzahlen.

    bis zum heutigen tag werden alte schulden mit neuen schulden bezahlt und es schert keinen dass das so geschieht.

    und komm mir nun ja keiner mit dem spruch "aber die schulden müssen doch irgendwann zurück gezahlt werden" dazu kann ich nur eins sagen, das geschieht schon seit der aufnahme der ersten anleihe und zwar nach folgendem schema.

    läuft eine anleihe nach x jahren ab so wird sie mit einer neuen anleihe mit einer neuen laufzeit von x abgelöst.

    für diese neue anleihe von x jahren, gibt es der ezb sei dank für die banken und versicherungen als anleiheabnehmer die belohnung der ezb, das für diese anleihen null prozent des eigenkapitals als sicherheit hinterlegt werden muss.

    und jetzt wird es ganz lustig ;) diese anleihen können nun an private anleger weiterverkauft werden oder nach einer gewissen zeit "so nach ein oder zwei zinszahlungen" wieder an die ezb zurück verkauft werden.

    dieses ammenmärchen vom armen steuerzahler ist einfach nur lächerlich und wird nur zur aufrechterhaltung von druckmechanismen immer wieder vorgekaut.

    also bitte bitte liebe redakteure hört auf dieses märchen immer wieder zu erzählen.

    14:57 Uhr, 04.10.2017
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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