Kommentar
15:03 Uhr, 28.06.2021

Geldpolitik hinkt Entwicklung Jahre hinterher

Notenbanken sind in einer Zwickmühle. Einerseits hinken sie der Entwicklung hinterher, andererseits können sie diese Lücke nicht schließen, wenn der Markt nicht kollabieren soll.

Ein wenig überraschend ist die Reaktion des Aktienmarktes schon. Gerade noch hatten alle Angst vor Inflation, jetzt haben alle Angst vor dem Ende der lockeren Geldpolitik. Ein Geheimnis, dass die lockere Geldpolitik irgendwann enden würde, war es nicht. Die meisten Investmentbanken gehen seit Monaten davon aus, dass die monatlichen Wertpapierkäufe bereits Ende des Jahres reduziert werden. Für Anleger scheint es vollkommenes Neuland zu sein und ein wenig bedenklich ist die Überreaktion schon. Als die Fed das erste Mal den großen Ausstieg aus Quantitative Easing wagte, gab es ein Taper Tantrum. Dabei stiegen die Zinsen rasch an. Dieses Mal dürfte es ein anderes Tantrum (Ausraster) geben. Die Zinsen wird es kaum betreffen, dafür den Aktienmarkt. Dieser kam 2013 und 2014 gut durch diese Zeit. Dieses Mal könnten die Zinsen relativ stabil bleiben, aber der Aktienmarkt fallen.

Die Fed und andere Notenbanken wollen das gerne vermeiden. Panik im Finanzmarkt gefährdet den Aufschwung. Aus diesem Grund wird sehr behutsam vorgegangen, sogar so behutsam, dass Notenbanken der realwirtschaftlichen Entwicklung weit hinterherhinken.

Die Leitzinsen folgen grundsätzlich der Inflation. Inflation wiederum ist ein Zeichen dafür, wie stark die Kapazitäten ausgelastet sind. Ist die Nachfrage hoch, dass sie kaum noch bedient werden kann, steigen die Preise. Die Nachfrage kann nur entsprechend hoch sein, wenn das Geld für die Nachfrage (den Konsum) zur Verfügung steht.

Bester Indikator dafür sind die Löhne. So wundert es nicht, dass Zinsen und Lohnentwicklung stark verknüpft sind (Grafik 1). Aktuell liegt der Leitzins in den USA bei 0-0,25 %. Im Gegensatz zu den Zinsen sind die Löhne in diesem Abschwung aber kaum gesunken.


Das Lohnwachstum war sogar vergleichsweise hoch. Die Daten sind derzeit noch sehr volatil. Erst wurden besonders viele Jobs im Niedriglohnsektor verloren. Dadurch stiegen die Löhne. Diese Jobs kommen nun zurück, was ein geringeres Wachstum vermuten lässt. Rechnet man diese Effekte heraus, steigen die Löhne derzeit so schnell wie lange nicht.

Löhne (ein Maßstab für Nachfrage) sollten für anhaltenden Preisauftrieb sorgen. Die Fed beginnt bei ihrer Zinspolitik bei null. Die Löhne setzen ihr immer schnelleres Wachstum hingegen einfach fort. Das sorgt für eine der größten geldpolitischen Divergenzen seit vielen Jahrzehnten.

Anleger sollten sich lieber darüber Sorgen machen als über ein Ende der ultralockeren Geldpolitik. Für Arbeitnehmer ist das Lohnwachstum gut. Für Aktionäre bedeutet es wahrscheinlich geringere Margen bei den Unternehmen, in die sie investieren (Grafik 2). Der Lohnanteil an der Wirtschaft dürfte steigen. Historisch fielen in solchen Zeiten die Gewinnmargen der Unternehmen.

Clemens Schmale


Tipp: Als Abonnent von Godmode PLUS sollten Sie auch Guidants PROmax testen. Es gibt dort tägliche Tradinganregungen, direkten Austausch mit unseren Börsen-Experten in einem speziellen Stream, den Aktien-Screener und Godmode PLUS inclusive. Analysen aus Godmode PLUS werden auch als Basis für Trades in den drei Musterdepots genutzt. Jetzt das neue PROmax abonnieren!

Lernen, traden, gewinnen

– bei Deutschlands größtem edukativen Börsenspiel Trading Masters kannst du dein Börsenwissen spielerisch ausbauen, von professionellen Tradern lernen und ganz nebenbei zahlreiche Preise gewinnen. Stelle deine Trading-Fähigkeiten unter Beweis und sichere dir die Chance auf über 400 exklusive Gewinne!

Jetzt kostenlos teilnehmen!

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten