Kommentar
09:40 Uhr, 07.03.2016

Geldpolitik: Gelingt EZB, Fed und BoJ die Quadratur des Kreises?

Der Countdown läuft. Zwischen dem 10. Und 17. März tagen die großen Notenbanken. Den Beginn macht die EZB am 10.3., es folgt die japanische Notenbank am 15.3. und die US Notenbank am 16. Am 17.3. geben dann noch die Schweizer Nationalbank und die Bank of England ihre Entscheidungen bekannt.

Der Reigen der kommenden Notenbanksitzungen wird einer der spannendsten der letzten Jahre, denn Notenbanken sind mit äußerst widersprüchlichen Informationen konfrontiert. Der Markt hat sich bereits ein Bild gemacht und erwartet Großes. Daten von Barclays Research zufolge ist sich der Markt 100 % sicher, dass die EZB die Einlagezinsen ("Strafzinsen") im März um 10 Basispunkte auf -0,4 % senken wird.

Die Zuversicht des Marktes, dass es weitere Lockerungen geben wird, ist groß. Bis Jahresende schreibt Barclays dem Markt Erwartung zu, dass die Zinsen auf -0,5-0,55 % sinken werden. Für Zinsen von -0,6 % besteht immerhin noch eine Wahrscheinlichkeit von gut 80 %.

Liefern die Notenbanken nicht, dann wird die Enttäuschung groß sein. Das gilt nicht nur für die Eurozone, sondern auch für die meisten anderen Währungsräume. Dort bereiten den Zentralbanken die fallenden Inflationserwartungen Sorgen. Grafik 1 zeigt die Inflationserwartungen in den USA im Vergleich mit dem Ölpreis. Die Breakeven-Raten zeigen die Inflationserwartung über einen Zeithorizont von 10 und 5 Jahren an. Die Inflationserwartung der Konsumenten bezieht sich auf Jahressicht.

Eigentlich müssten die Erwartungen stärker divergieren. Zwischen der Erwartung auf Sicht von 5 und 10 Jahren sollte eigentlich ein größerer Unterschied sein. Tatsächlich sind die Unterschiede gering und alle Messungen der Inflationserwartungen laufen parallel. Das sagt schon viel über die Qualität aus...

Die Erwartungen laufen nicht nur parallel zueinander, obwohl sie vollkommen unterschiedliche Zeithorizonte abdecken sollen, sondern laufen auch auffällig parallel zum Ölpreis. Eigentlich können Notenbanken aufhören, über Inflationserwartungen zu orakeln. Es reicht ein Blick auf den Ölpreis.

Die Inflationserwartungen sind stark vom Ölpreis getrieben. Das macht insofern Sinn, als dass auch die Inflation selbst stark vom Ölpreis bestimmt wird. Grafik 2 zeigt die Inflation, den Ölpreis und die Inflationserwartungen. Alle Zeitreihen laufen im Grunde genommen parallel. Eine Divergenz gibt es selten, doch eine eben solche Divergenz tut sich gerade auf.

Die Inflation steigt nicht nur in den USA, sondern in vielen Ländern. Auch in der Eurozone steigt die Inflation minimal an. In Ländern wie Norwegen, Australien und Kanada liegen die Teuerungsraten nahe am 2 %-Ziel bzw. bereits darüber. Die Inflationserwartungen folgen diesem Trend noch nicht. Er ist noch zu jung. Gerade einmal seit 2 Monaten lässt sich ein Anstieg beobachten.

Derzeit zeigen sich Notenbanken noch mehr besorgt über fallende als über steigende Inflation, doch das ändert nichts daran, dass 2016 wohl das Jahr der Rückkehr der Inflation wird. In wenigen Monaten dürften sich Zentralbanken mehr mit dem Thema beschäftigen, wie sie die Inflation bekämpfen können.

Eigentlich ist das eine gute Nachricht, denn fehlende Inflation treibt Notenbanken zu immer verzweifelteren Maßnahmen. Weitere Lockerungen sind nur eine Frage der Zeit. Vermutlich wird es bereits im März zu einer neuen Runde zusätzlicher Lockerung kommen. Demgegenüber steht jedoch eine Straffung der Geldpolitik.

Es sind nicht die Notenbanken, die die Geldpolitik straffen, sondern der Markt. Grafik 3 zeigt Hochzinsanleihenkurse in Europa und den USA. Je tiefer der Kurs der Anleihen fällt, desto höher steigt die Rendite. Wollen sich Unternehmen im aktuellen Marktumfeld Geld auf dem Finanzmarkt beschaffen, dann zahlen sie dafür deutlich mehr als noch vor wenigen Monaten.

Die steigenden Renditen auf dem Anleihenmarkt kommt einer Straffung der Geldpolitik gleich, da sehr viel mehr für Schulden bezahlt werden muss. Inzwischen ist die Renditedifferenz (Zinsspread) von Anleihen mit BAA Rating (eine Stufe über Ramschniveau) so hoch wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Grafik 4 zeigt diese Entwicklung, die zu denken gibt.

Sich verschlechternde Finanzierungsbedingungen auf dem Finanzmarkt wirken im Prinzip wie Zinserhöhungen. In den USA geht Notenbankerin Brainard davon aus, dass die Straffung dem Äquivalent einer Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkten gleichkommt. Das ist nach jahrelanger Niedrigzinspolitik ein regelrechter Zinsschock für den Markt.

Notenbanken wollen die Bedingungen eigentlich noch weiter gelockert sehen. Sie haben jedoch keinen Einfluss darauf, welche Zinsen der Markt für Anleihen verlangt. Dennoch muss sich die Lage schnell normalisieren, denn andernfalls leidet die Wirtschaft. Sie ist, trotz immer neuer Zinssenkungen, steigenden Zinsen ausgesetzt. Die Bemühungen der Notenbanken laufen also derzeit komplett ins Leere, da sie an der falschen Stelle ansetzen.

Weder sinkende Einlagensätze noch Leitzinsen können direkt auf den Anleihenmarkt Einfluss nehmen. Notenbanken sind also bis zu einem gewissen Grad machtlos und sind mit einer schwierigen Situation konfrontiert:

Zinsen, die sie nicht kontrollieren können, aber das Wachstum maßgeblich bestimmen, steigen rapide an. Gleichzeitig steigt die Inflation. Sinkende Leitzinsen werden das weiter begünstigen, während vor allem Unternehmen unter schwierigen Finanzierungsbedingungen leiden.

Eigentlich müsste auf dem Anleihenmarkt gelockert werden. Dafür sollten die Leitzinsen stabil bleiben oder sogar leicht steigen. Das dürfte die Möglichkeiten der Notenbanken übersteigen. Die US Notenbank ist aus ihrem Anleihenkaufprogramm ausgestiegen, dabei bräuchte sie eines für Unternehmensanleihen, um für eine Entspannung zu sorgen. In Europa und Japan könnten die Notenbanken diesen Weg gehen. Es wäre weitaus sinnvoller als eine weitere Zinssenkung, die am eigentlichen Problem komplett vorbeigeht.

Um die Situation noch etwas zu erschweren preist der Markt seit 3 Wochen zusätzliche Maßnahmen ein. Die Lage an den Börsen hat sich entspannt. Auch die Zinsen für Unternehmensanleihen beginnen wieder etwas zu sinken. Die Notenbanken müssen sich nun gut überlegen, ob sie dieser Entspannung trauen und daher weniger lockern als vielleicht angekündigt. Dann allerdings wird der Markt enttäuscht sein und die Probleme beginnen von Neuem.

Werden die Markterwartungen hingegen erfüllt, dann lockern die Notenbanken in einer Zeit, in der sich eine Trendwende bei der Inflation abzeichnet. Ebenso entwickeln sich die meisten Wirtschaften stabil und zeigen keine Ermüdungserscheinungen, die zusätzliche Lockerung bedingen müsste.

Ich beneide die Notenbanker ehrlich gesagt nicht um ihre Aufgabe. Das Dilemma ist groß. Ob die Notenbanken das lösen können, darf man bezweifeln. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie die Markterwartungen erfüllen wollen. Das sorgt kurzfristig für Jubel. Mittelfristig verschärfte es viele Probleme. Vor allem in der Eurozone steht uns ein rascher Zinserhöhungszyklus bevor, wenn jetzt weitere Maßnahmen beschlossen werden.

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2 Kommentare

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  • shark
    shark

    Eigentlich ist das eine gute Nachricht, denn fehlende Inflation treibt Notenbanken zu immer verzweifelteren Maßnahmen. ,schreiben sie Hr.Schmale.

    Es ist jedoch das fehlende Wachstum, die Verschuldungskrise sowie daraus resultierende deflationäre Tendenzen welche den Notenbanken Sorgen macht- Inflation um 0% sicherlich nicht !

    12:44 Uhr, 07.03. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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