Kommentar
14:28 Uhr, 02.02.2015

Gegen- oder Rückenwind für Anleger in festverzinsliche Anlagen?

Das neue Jahr ist erst einen Monat alt und schon haben Anleger reichlich Stoff zum Nachdenken, angefangen bei rapide sinkenden Ölpreisen über wichtige Wahlen in Griechenland bis hin zu dramatischen Veränderungen in der Notenbankpolitik, einschließlich einer möglichen Anhebung der Zinssätze in den Vereinigten Staaten. Einige dieser Trends können Gegenwind bedeuten – oder auch Rückenwind – abhängig vom Betrachtungswinkel. Christopher Molumphy, Chief Investment Officer bei Franklin Templeton Fixed Income Group®, erklärt, welche vorherrschenden Themen er Anfang 2015 in den Finanzmärkten beobachtet und geht auf die Auswirkung der abweichenden Politik der globalen Zentralbanken und den potenziellen Einfluss niedrigerer Ölpreise auf Verbraucher und Anleger ein.

Die US-Wirtschaft bietet nach wie vor ein relativ positives Bild im Vergleich zu einigen anderen Teilen der Welt, wo etwas schwierigere Bedingungen herrschen. Während die Eurozone mit der Bewältigung ihrer Problemen kämpft und Japan beispiellose Anreize schafft, befindet die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die US-Wirtschaft für stabil genug, um das sechsjährige quantitative Lockerungsprogramm zu beenden.

Im Kern besteht die wichtigste Antriebskraft der US-Wirtschaft in den Arbeitsmärkten und diese erholen sich gerade. Unter dem Strich entstanden 2014 in den Vereinigten Staaten fast 3 Millionen neue Arbeitsplätze – das beste Ergebnis seit etwa 15 Jahren. Die Arbeitslosenquote wiederum sank im Kalenderjahr 2014 von 6,7% auf 5,6%.

Die Fed gibt als Definition von Vollbeschäftigung eine Arbeitslosenquote von etwa 5,2% oder 5,4% an. Angenommen die Vereinigten Staaten erreichen dieses Ziel, glauben wir, die Fed dürfte die seit Jahren bei fast null liegende Federal Funds Rate (den kurzfristigen Leitzins) wieder anheben. Ob die Anhebung der Federal Funds Rate Mitte des Jahres 2015 beginnt oder doch eher im dritten Quartal kann niemand – uns eingeschlossen – mit Sicherheit sagen. Wir glauben aber, ein allmählicher Anstieg der Zinsen dürfte in diesem Jahr einsetzen.

Nachdem es jahrelang hieß, eine Zinsanhebung stünde bevor, mögen sich Anleger nun fragen, ob die Zinsen in den USA im Jahr 2015 tatsächlich steigen oder ob wieder nur viel Lärm um Nichts gemacht wird. Letztes Jahr um diese Zeit, zu Beginn des Jahres 2014, lag die Rendite mittelfristiger US-Schatzpapiere bei etwa 3%. Damals erwartete der Marktkonsens definitiv eine Anhebung der Zinsen. Doch Ende 2014 lag die Rendite der mittelfristigen US-Schatzpapiere knapp unter 2,2%. Auch mit Beginn des Jahres 2015 ging man wieder allgemein von einem Anstieg der Zinsen auf US-Staatsanleihen mit mittlerer Laufzeit aus. Mitte Januar sanken jedoch die Renditen mittelfristiger US-Schatzpapiere auf 1,8%.

In welche Richtung entwickeln sich also die Zinsen in den USA im Jahr 2015? Als langfristige fundamentale Anleger glauben wir, der Gleichgewichtszins – der Zinssatz, bei dem sich Angebot und Nachfrage ausgleichen – für mittelfristige US-Schatzpapiere sollte höher liegen und dürfte letztendlich auch steigen. Das Wirtschaftswachstum nimmt zu, die Arbeitsmärkte verengen sich kontinuierlich und Gehälter müssten früher oder später anziehen. Schlussendlich müsste dies die Inflation ausweiten und somit zu höheren Zinsen führen.

Es sei jedoch erwähnt, dass einige andere wichtige Faktoren kurz- bis mittelfristig Einfluss auf die Zinsen in den USA behalten und die Inflation bremsen. Wir glauben beispielsweise, das rapide Fallen der Ölpreise dürfte die Gesamtinflation mindestens für die nächsten zwei Quartale senken.

Der Blick auf weltweite Renditen zeigt ein anderes Bild. In den Vereinigten Staaten konzentrieren sich Anleger tendenziell auf inländische Entwicklungen, doch Märkte sind global. Das sollte man nicht vergessen. Renditen für deutsche Staatsanleihen liegen zum Beispiel gerade bei etwa 0,50% und Renditen für japanische Staatsanleihen bei circa 0,25%. Auf dem derzeitigen Niveau können die Renditen von US-Schatzanleihen als vergleichsweise großzügig betrachtet werden; die Vereinigten Staaten müssten nicht unbedingt hohe Renditen anbieten, um Anleger von anderen Industrienationen wegzulocken.

Die globale Liquidität, die in den letzten Jahren die Märkte überflutet und Finanzmärkte angetrieben hat, wirkte sich auf Zinssätze drückend aus. Obwohl die Fed von ihrem quantitativen Lockerungsprogramm Abstand nimmt, zieht Japan es energisch durch und in der Eurozone ist ein quantitatives Lockerungsprogramm für März geplant. Das jährliche Niveau der Anleihenankäufe in Japan wurde auf 80 Billionen Yen angehoben. Diese enorme Liquidität könnte 2015 erhebliche Auswirkungen auf die globalen Märkte haben, da in Japan gedrucktes Geld wahrscheinlich nicht in Japan bleiben, sondern sich weltweit verteilen dürfte.

Zudem war das quantitative Lockerungsprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) genauso aggressiv, wie wir und die Märkte es erwartet hatten. In den kommenden eineinhalb Jahren soll über 1 Billion Euro fließen, sodass reichlich Liquidität im globalen Markt erhalten bleibt. Kurz- bis mittelfristig dürfte diese Dynamik unseren Erwartungen gemäß sowohl das globale Zinsniveau weiterhin drücken als auch weitgehend günstige Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte schaffen.

Niedrige Ölpreise: Gewinner und Verlierer

Anleger machen sich auch Gedanken über die Auswirkungen der kürzlich stark gesunkenen Ölpreise. Bleiben die Ölpreise auf dem derzeitigen Niveau dürfte es Gewinner und Verlierer geben. Einerseits werden natürlich viele Unternehmen mit Bezug zum Energiesektor die Auswirkungen spüren. Es zeichnen sich bereits rückläufige Beschäftigungszahlen in diesem Sektor sowie ein anfänglicher Rückgang der Unternehmensinvestitionen und -erträge ab.

Andererseits glauben wir, niedrigere Ölpreise dürften sich unter dem Strich positiv auf das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten und anderen ölimportierenden Ländern auswirken. Obwohl die Vereinigten Staaten durch den US-Ölboom ihre Abhängigkeit von Öl aus Mitgliedsstaaten der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) seit 2008 um 60% reduzieren konnten, importieren sie immer noch teilweise aus OPEC-Ländern und Kanada.

Verbraucher haben in den letzten sechs Monaten von dieser unverhofften Entwicklung deutlich profitiert und wir glauben, dies könnte im gesamten Jahr 2015 andauern, wenn die Ölpreise nicht wieder deutlich steigen. Der resultierende Konsumanreiz könnte das Bruttoinlandsprodukt der USA anheben.

Unserer Ansicht nach führt der enorme Preisverfall der letzten sechs Monate nicht zwangsläufig zu einem ebenso deutlichen Nachlassen des Wirtschaftswachstums. Chinas rückläufige Wachstumsrate beunruhigt manche Anleger, aber unseres Erachtens machte die Wirtschaft dort 2014 eher eine mäßige Entwicklung durch als eine „harte Landung”. Wir nehmen weiterhin Anzeichen für eine gesunde strukturelle Veränderung der chinesischen Wirtschaft hin zu einem stärkeren und nachhaltigeren konsumgestützten Wachstum wahr. Zu berücksichtigen ist auch, dass die chinesische Volkswirtschaft heute viel größer ist als vor 10 Jahren. Heute hat selbst eine Wachstumsrate von 7% einen weitaus größeren Effekt auf die globale Gesamtnachfrage als Chinas Wachstum von 10% bis 12% vor zehn Jahren.

Wirft Griechenland die Eurozone aus der Bahn?

Griechenland ist ein weiteres Beispiel für ein Schwellenland, das für Nervosität unter Marktbeobachtern sorgte, und ein kürzlich zum Premierminister gewählter Gegner von Sparmaßnahmen verursacht zusätzliche Bauchschmerzen. Leider sind wirtschaftliche und politische Probleme in Griechenland nichts Neues. Das Land beschäftigten viele Problemen, die auch schon früher in diesem Jahrzehnt herrschten, als noch Sparprogramme und Reformen im Gegenzug für die Rettung durch den Internationalen Währungsfonds, die EZB und die Europäische Kommission durchgeführt wurden. Griechenland ist eine kleine Volkswirtschaft und wir halten die Probleme dort für weitgehend abgegrenzt und nicht systemisch in der gesamten Eurozone.

Als Schwellenmarkt ist Griechenland ein Beispiel dafür, wie Schwellenländer ganz allgemein höchst unterschiedlichen Fundamentaldaten ausgesetzt sind. Es haben sich schon Gelegenheiten aufgetan, wo ertragsstärkere Länder mit guten Wirtschaftsprognosen durch das allgemeine Investitionsklima heruntergezogen wurden. Als langfristige, geduldige Anleger verfolgen wir mit unserer Strategie in Schwellenländern – so wie überall – einen disziplinierten Ansatz bei wechselnden Marktbedingungen.

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