Kommentar
16:38 Uhr, 20.12.2022

Gegen die Jahresprognosen 2023 wetten?

Die meisten Investmentbanken haben sich bereits festgelegt, wo der Markt Ende 2023 stehen wird. Oft kommt es ganz anders.

Jahresendprognosen sind Glückssache. Die meisten Prognosen treten nicht ein. Die Trefferquote ist minimal. Deswegen sind die Prognosen nicht unbedingt wertlos. Die Prognosen für Ende 2022 vor einem Jahr waren es allerdings. Im Mittel wurde für den S&P 500 ein Jahresendstand von 5.200 Punkten erwartet. Wo der Index heute steht, nun ja, ist ganz woanders. Prognosen liegen in Jahren wie 2022 nicht zufällig so weit von der Realität entfernt. 2022 war kein leichtes Jahr. Der Markt startete mit hoher Bewertung. Wie schlimm die Inflation werden würde, ahnten die wenigsten. Es glaubte auch niemand, dass Russland tatsächlich einen Krieg beginnen würde.

Wie unvorhergesehen die Ereignisse waren, die 2022 prägten, sei dahingestellt. Prognosen basieren auf standardisierten Modellen, die eben den Standard abbilden. Der Standardfall ist eine Welt ohne große Veränderung. Gibt es keine schwierigen Krisen, funktionieren die Modelle sogar ganz gut.

Im langen Bullenmarkt von 2009 bis 2021 lag die Konsensprognose zwar ebenfalls immer wieder daneben, aber nicht meilenweit von der Realität entfernt (Grafik 1).

Ohne Krisen und unvorhergesehene Umschwünge lässt sich einigermaßen zuverlässig prognostizieren, wie sich die Wirtschaft und damit der Gewinn der Unternehmen entwickeln wird. Da die Kurse letztendlich an den Unternehmensgewinnen hängen, sind Konsensprognosen und Kursentwicklung im Normalfall kohärent.

Für Ende 2023 wird dem S&P 500 im Mittel ein Kursstand von 4.082 Punkten zugetraut. Je nachdem, wo genau der Markt das Jahr beschließt, entspricht dies einer Nullperformance. Zwischen Ende 2022 und Ende 2023 kann viel geschehen. Die meisten Investmentbanken gehen von einer Korrekturfortsetzung im ersten Halbjahr aus. Erst sollen die Kurse fallen, dann deutlich steigen.

Die Annahme basiert darauf, dass die Zinspolitik die Kurse weiter drückt und Anleger endlich erkennen, dass Unternehmen in einer Gewinnrezession stecken. Beides sind Faktoren, die eine Rolle spielen. Der Markt wird jedoch von neuen Erkenntnissen bewegt und nicht von Altbekanntem. Man darf daran zweifeln, dass dieser Konsens (schwieriges erstes Halbjahr, gutes zweites) so eintritt.

Der Konsens ist eine Sache, die Streuung eine andere. Optimistische Investmentbanken trauen dem S&P 500 einen Anstieg bis 4.500 zu. Die Pessimisten sehen die bisherigen Tiefs bei 3.600 Punkten als Jahresendstand 2023. Obwohl zwischen dem unteren und oberen Ende 900 Punkte liegen, schließt der Markt in Jahren des Umschwungs außerhalb dieser Range (Grafik 2).


Die Kernfrage ist, ob 2023 ein Jahr mit Krisen und Umschwüngen wird. Ist dem nicht so, dürfte es tatsächlich zu einer volatilen Seitwärtsbewegung kommen. Momentan gibt es viele Risiken und Chancen, die den Markt aus der prognostizierten Range bewegen können. Unter diesen Umständen sollte man sich nicht festlegen, sondern weiter auf Sicht fahren.

Clemens Schmale

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1 Kommentar

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  • suntrey
    suntrey

    wenn man diese Aussage so sieht: Die meisten Investmentbanken gehen von einer Korrekturfortsetzung im ersten Halbjahr aus. Erst sollen die Kurse fallen, dann deutlich steigen.

    Die Annahme basiert darauf, dass die Zinspolitik die Kurse weiter drückt und Anleger endlich erkennen, dass Unternehmen in einer Gewinnrezession stecken. Beides sind Faktoren, die eine Rolle spielen. Der Markt wird jedoch von neuen Erkenntnissen bewegt und nicht von Altbekanntem. Man darf daran zweifeln, dass dieser Konsens (schwieriges erstes Halbjahr, gutes zweites) so eintritt.

    dann ist doch die Frage eher warum sollte es nicht so kommen, der Bärenmarkt dürfte sich ja langsam dem Ende neigen, also die Tiefs in Q1 oder Q2 sind schon wahrscheinlich und die Trefferquoten der Analysen in 2022 wie z.B. Michael Wilson war schon auserordentlich gut

    16:49 Uhr, 20.12. 2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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