Kommentar
12:45 Uhr, 14.02.2017

Geben die Bären jetzt auf?

Alle Welt wartet auf einen Rücksetzer an den Börsen. Viele haben die Rallye der letzten Monate verpasst und wollen einsteigen, aber kommt dieser Rücksetzer überhaupt?

Werfen die Bären das Handtuch?

Für viele ist die Rally der letzten Monate suspekt. Es gibt zwar gute Gründe, weshalb der Markt steigen sollte, doch irgendwann sollten auch einmal die Themen Deregulierung und Staatsausgaben eingepreist sein. Viele trauen dem Braten nicht, insbesondere, weil die Politik derzeit ziemlich unvorhersehbar ist.

Die politischen Risiken sind enorm und während politische Börsen kurze Beine haben, haben es wirtschaftliche nicht. Soll heißen: wenn aus politischer Unsicherheit wirtschaftliche wird, dann ist Schluss mit lustig. Derzeit scheint nur keiner daran zu glauben, dass die Politik wirklich auf die Realwirtschaft übergreift.

Man fragt sich nach so manchem Tweet schon, wann Anlegern ein Licht aufgeht. Diese sehen aktuell nur Dollarzeichen, weil dereguliert werden soll. Das hilft Finanz- und Pharmawerten auf die Sprünge. Gleichzeitig soll die Infrastruktur verbessert werden. Langweilige Infrastruktur-Aktien waren lange nicht so heiß begehrt wie in diesen Tagen.

Soweit, so gut, doch was ist aus dem Thema Handelskrieg geworden? Das scheint niemand hören zu wollen, dabei macht Trump deutlich, dass er sich an seine Wahlversprechen halten will. Das kommt vielleicht überraschend, weil es ja schließlich schon lange keinen Politiker mehr gab, der umsetzt, was er vor der Wahl angekündigt hat, doch wer heute noch Zweifel daran hat, sollte endlich aufwachen.

Am Markt regiert die Hoffnung. Es ist die Hoffnung, dass das Positive umgesetzt wird (z.B. Deregulierung) und das Negative (Handelsbeschränkungen) irgendwann unter den Tisch fällt. Persönlich wäre ich mir da nicht so sicher, denn bisher setzt die Administration nach der Wahl das um, was sie vor der Wahl angekündigt hat.

Anleger haben eine etwas verschrobene Wahrnehmung. Nun scheinen auch die letzten Bären so langsam das Handtuch zu werfen. Der Bullenmarkt scheint gar nicht mehr aufzuhalten zu sein. Wie so etwas aussieht, zeigt die Grafik. Abgebildet ist der S&P 500 und das Short Interest (Anteil leerverkaufter Aktien, invertiert dargestellt). Das Short Interest ist Anfang 2017 so niedrig wie lange nicht.

Zuletzt waren Anleger 2011 so stark auf steigende Kurse fokussiert wie heute. Damals kam es zu einem Sommercrash. Das muss kein böses Omen sein. Das Short Interest könnte von derzeit knapp 3 % auch noch Richtung 2 % fallen. Zudem fehlen heute die Argumente, die den Markt 2011 in Schieflage brachten. Damals realisierte die Welt auf unangenehme Weise, dass es doch nicht so weitergeht wie vor der Krise. Europa ist immer noch dabei sich wieder aufzurappeln.

Die Risiken sind heute aus makroökonomischer Sicht geringer als 2011. Insbesondere in den USA droht vorerst kein Ungemach. Der Arbeitsmarkt läuft so rund wie es eben nur geht. Die Eurozone leidet zwar immer noch, aber immerhin wuchs sie 2016 schneller als die USA. Wie schlimm kann da die Lage schon sein?

Das Short Interest reduziert sich seit Anfang 2016 so stark und schnell wie zuletzt nach dem Crash 2008/09. Man könnte also durchaus argumentieren, dass wir gerade erst am Anfang der Aufwärtsbewegung stehen. Möglich ist das, wenn die negativen Maßnahmen niemals umgesetzt werden. Davon sollte man jedoch nicht ausgehen.

Steuersenkungen und Deregulierung sind die Treiber der Stunde. Das kann noch ein paar Wochen so weitergehen. Der Optimismus, den man schon fast als Euphorie bezeichnen kann, ist zwar ein Kontraindikator, aber wann dieser ausgereizt ist, lässt sich schwer sagen. Ein paar Prozente mehr dürften kurzfristig in den Kursen noch drinstecken, zumal die komplette Kapitulation der Bären noch aussteht.

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • Hoeli
    Hoeli

    Die Big Player sitzen mit ihren Positionen auf massiven Gewinnen. Da es aktuell nicht genug Schafe gibt, die bereit sind diese Positionen zu kaufen – auch nicht für erheblich niedrigere Kurse – würde es beim Einstreichen der Gewinne zu einem beschleunigten Abverkauf kommen.

    Warum nicht genug Käufer da sind? Die Schafe haben dazu gelernt und laufen nicht mehr so blindlings ins Verderben wie um die Jahrtausendwende. Insgeheim rechnen die meisten nach sieben fetten Jahren mit einer großen Konsolidierung und sind vorsichtig geworden.

    Das stellt die Big Player vor ein wachsendes Problem. Aktuell sind zu wenige „Opfer“ an Bord. Wenn in den nächsten Monaten die Masse der Kleinanleger nicht davon überzeugt werden kann, dass der Weg weiter nach oben geht – und das wird aktuell durch immer neue Allzeithochs in den US-Indizes, hochgekauft von wenigen Großen, überzeugend versucht - wird nach einer Phase der Stagnation der große Abverkauf beginnen. Denn Stagnation, also keine Rendite, will keiner haben. Schon gar nicht die Großen, deren Geschäft es ist, Rendite zu erwirtschaften.

    Dann beginnt das Großreinemachen, damit danach das Spiel von vorne starten kann.

    Wahrscheinlich wird zur Stunde im engsten Kreis schon besprochen, welchen Big Player es dann erwischt. Denn wenn das Kleinvieh fehlt, muss eben ein Ochse geschlachtet werden. Vielleicht entscheidet aber auch ganz einfach, wer „die dicksten Eier“ hat. Oder in dem Fall die kleinsten. ;-)

    Ich freue mich jedenfalls auf 2017, denn es wird meiner Meinung nach ein sehr spannendes Jahr.

    12:28 Uhr, 15.02.2017
  • Put.in
    Put.in

    Ah danke Herr Schmale, darf ich Sie ebenfalls als Kontrindikator in meine Überlegungen miteinbeziehen?

    03:21 Uhr, 15.02.2017
  • frischfisch
    frischfisch

    dank

    21:11 Uhr, 14.02.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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