Kommentar
11:10 Uhr, 01.12.2020

Funktioniert der Buffett-Indikator nicht mehr?

Warren Buffett liebt Schnäppchen. Zu finden sind derzeit wenige. Der Buffett-Indikator zeigt sogar eine nie dagewesene Überbewertung an.

Buffett hat den Indikator, um den es geht, nicht erfunden, verwendet ihn aber gerne, um zu eruieren, ob der Markt überbewertet ist oder nicht. Dabei wird die Marktkapitalisierung der Wirtschaftsleistung gegenübergestellt. Der US-Aktienmarkt hat derzeit eine Kapitalisierung von 38 Billionen Dollar. Die Wirtschaftsleistung ist deutlich kleiner. Daher macht der Aktienmarkt 180 % der Wirtschaftsleistung aus. Das ist ein historisch hoher Wert. Das bisherige zyklische Hoch wurde zur Jahrhundertwende bei 140 % erreicht. Alle sind sich heute einige, dass sich der Markt damals in einer Blase befand. Nun steht der Wert bei 180 %. Wie soll man das dann nennen?

Über die Jahrzehnte steigt das Verhältnis immer weiter an. Daten, wenn auch unter Unsicherheiten, lassen sich lange zurückverfolgen. Zu Beginn der Börsengeschichte machten notierte Unternehmen weniger als 20 % der Wirtschaftsleistung aus (Grafik 1).


Die Spekulationsblase der 20er Jahre endete bei einem Wert von 100 %. Vor der großen Inflation der 70er Jahre wurden 80 % erreicht. Wie man es also dreht und wendet, 180 % wie heute entsprechen einer historischen Überbewertung. Selbst der Crash im März hat den Wert lediglich auf 120 % zurückgeführt. Der Indikator scheint nicht mehr zu funktionieren. Wie sonst lässt es sich erklären, dass Überbewertung zum Dauerthema wird?

Dafür gibt es mehrere Erklärungsversuche. Einer ist die globale Expansion von US-Unternehmen. Es ist nicht korrekt, wenn man die Kapitalisierung mit der US-Wirtschaftsleistung vergleicht, die Unternehmen aber global Umsatz und Gewinn schreiben. Man kann daher die Kapitalisierung auch ins Verhältnis zur globalen Wirtschaftsleistung setzen (Grafik 2).


Hier ergibt sich kein so klarer Aufwärtstrend wie in Grafik 1. Es scheint auch keine so massiver Überbewertung vorzuliegen. Der Markt ist nicht billig, aber auch nicht exorbitant teuer.

So einfach lässt sich die Überbewertung leider nicht wegdiskutieren. Die Gewinnmarge von US-Unternehmen im Verhältnis zur US-Wirtschaftsleistung liegt bei 10 % (Grafik 3). Diese Marge schwankt über die Jahrzehnte in einer breiten Range. Die Marge ist derzeit nicht ungewöhnlich hoch. Genau das müsste man aber sehen, wenn immer mehr Gewinn aus anderen Märkten als den USA auf die Wirtschaftsleistung der USA gerechnet werden.

Das spricht gegen die Erklärung, dass die Marktkapitalisierung im Verhältnis zur US-Wirtschaftsleistung keine Aussagekraft mehr hat, weil immer mehr Gewinn in anderen Märkten generiert wird und daher die US-Wirtschaftsleistung nicht mehr der richtige Maßstab ist. So bleibt es am Ende dabei: der Markt ist hoch bewertet. Wegen des Zinsumfeldes darf der Markt auch höher bewertet sein. Um wie viel genau, das wird heiß debattiert.

Der Indikator funktioniert immer noch. Man kann die Werte über die Zeit aber nicht einfach so vergleichen. Das Zinsumfeld spielt eine Rolle. Trotz niedriger Zinsen muss man so langsam davon ausgehen, dass der Aktienmarkt tatsächlich überbewertet ist.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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