Kommentar
07:37 Uhr, 16.06.2017

Für immer Merkel? Noch drei Monate bis zur Bundestagswahl 2017

Geht es nach den Umfragen, dann bleibt Angela Merkel Kanzlerin. Doch bei den Überraschungen in anderen Ländern, können wir uns da wirklich sicher sein?

Noch vor drei Monaten sah die Sache ganz anders aus. Damals lag die SPD in Umfragen teilweise vor der Union. Im Februar und März schwankten die Werte beider großen Parteien zwischen 30 % und 33 %. Je nach Umfrage lag einmal die SPD und ein anderes Mal die Union vorne.

Diese Zeiten sind längst Vergangenheit. Zuletzt lag die SPD in den Umfragen nur noch bei 23-25 %. Die Union brachte es auf 37-39 %. Das ist immer noch weniger als vor Beginn der Flüchtlingskrise. Von 2013 bis 2015 hielt sich die Union konsequent über 40 %. Viel fehlt zu diesen Rekordwerten allerdings nicht mehr.

Die SPD wiederum krebste lange Zeit im Bereich von 20-25 % herum. Dann kam Martin Schulz und auf einmal war die Kanzlerschaft wieder greifbar. Nun rückt sie wieder brutal in weite Ferne. Nach aktuellem Stand gewinnt die Union die Wahl. Das gelingt ihr vor allem wegen Kanzlerin Merkel. In der Kanzlerfrage würden sich derzeit fast 55 % direkt für Merkel entscheiden und weniger als 25 % für Schulz (Grafik 1).

Diese große Differenz ist kaum noch wettzumachen. Schulz lag zwar im Februar einmal vor Merkel, doch der Trend, der sich seither etabliert hat, ist klar. Schulz war ein neues Gesicht und er ist bekannt dafür, nicht gerade zurückhaltend zu sein. Gegenüber Merkel, die aus Ruhe und Aussitzen eine Kunst geformt hat, war das erfrischend, wohl aber nicht erfrischend genug.

Der große Abstand zwischen Merkel und Schulz führt zu einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, dass Merkel Kanzlerin bleibt. Aktuelle Wettquoten sehen Merkels Chancen bei knapp 90 % (Grafik 2). Sehr viel höhere Wahrscheinlichkeiten kann man sich kaum wünschen.

Unter den kleineren Parteien liegt derzeit wie durch ein Wunder die FDP vorne. Gelingt der Union der Coup mit 40 %, ist eine Koalition zwischen Union und FDP praktisch ausgemachte Sache. Aber wie viel ist heute schon sicher?

Nach so mancher Überraschung in den letzten 12 Monaten muss man sich fragen, ob man sich wirklich so sicher sein kann. Man kann – mit einer Einschränkung. Die Umfragen haben immer eine gewisse Unsicherheit. Die Abstände zwischen SPD und Union sind inzwischen jedoch so groß, dass selbst eine hohe Fehlertoleranz den Sieg der Union nicht nehmen kann. Die Unsicherheit liegt vielmehr andernorts.

Zwischen Merkel und Seehofer schwelt immer noch der Streit um die Obergrenze für Flüchtlinge. Die CSU will keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem es keine Obergrenze gibt. Nach der Wahl könnten der Union die Stimmen der CSU fehlen. Die CDU ist dann immer noch Wahlsiegerin, doch muss in diesem Fall erneut mit der SPD koalieren.

Das ist alles noch beherrschbar. Wenn – aus welchen Gründen auch immer – eine erneute Flüchtlingswelle auf Deutschland zurollt, dürfte der Streit zwischen Seehofer und Merkel vor der Wahl eskalieren. Dann sinken die Umfragewerte schnell um 10 Punkte. Das war es dann mit Merkel forever. Unter der Voraussetzung, dass es an dieser Front ruhig bleibt, kann Deutschland Merkel wohl weiter zum Inventar zählen.

Clemens Schmale

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11 Kommentare

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  • amateur
    amateur

    So lange nichts Besseres kommt, wird sie zu Recht gewählt - ganz einfach...

    16:39 Uhr, 16.06.2017
  • netzadler
    netzadler

    Rezession USA und DAX 9000 und das thema Merkel ist vorbei.

    Merkel löst keines ihrer probleme, durch die gelddruckerei ist das chaos nur verschoben

    16:29 Uhr, 16.06.2017
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    ... und die Merkel würde wieder allen rein lasen ... so wahnsinnig, wie sie ist.

    16:27 Uhr, 16.06.2017
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    An Erdogans Stelle würde ich genau das machen: kurz vor der Bundestagswahl würde ich ne riesige Flüchtlingswelle nach Deutschland schicken und so das politische System destabilisieren.

    16:26 Uhr, 16.06.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Introspective
    Introspective

    In diesem Jahr sehe ich überhaupt keine Überraschungen.Genau das Gegenteil war doch der Fall:

    -Niederlande,Herr Wilders lag abgeschlagen hinten,es blieb alles beim "alten"

    -Frankreich,letztlich auch keine Überraschung,da Macron haushoch gewonnen hat

    -Landtagswahlen in D,unwichtig für die Märkte

    -Grossbritannien,"kleine" Überraschung,da Frau May nicht die absolute Mehrheit holen konnte,aber dennoch stärkste Partei blieb

    ...und was wurde in den letzten Monaten alles herbeigeschrieben,was "böses" kommen wird

    Nichts kam.

    12:37 Uhr, 16.06.2017
  • Schnutzelpuh
    Schnutzelpuh

    Das Überraschungsmoment wie in anderen Ländern sehe ich in Deutschland überhaupt nicht und dahingehend überhaupt ein Faß aufzumachen ist schon irritierend. Warum sollten die sicherheitsbewussten Deutschen die Merkel nicht mehr wählen? Uns geht es doch super und vor allem was wäre die Alternative? Diese Kanzlerschaft in Frage zu stellen, wäre so, als wenn ich noch heute behaupten würde, die Erde ist eine Scheibe. Eine evtl. nochmals aufkeimende Flüchtlingskrise hin- oder her.

    Es geht eigentlich nur um zwei Fragen bzw. Unsicherheiten betreffend der Wahl. Ob es für eine schwarz/gelbe Koalition reicht und ob die SPD wieder als kleiner Koaltionspartner eine GROKO eingehen würde.

    12:06 Uhr, 16.06.2017
  • godfather
    godfather

    Das die CSU bei der Obergrenze hart bleibt, ist eher ein schlechter Witz. Die Machtgeilheit wird den Horscht & Co schon einholen und Mutti hat mit ihren Milliarden (u.a. Türkeideal) doch schon vorgesorgt. Bis zur Wahl wird keine neue Flüchtlingswelle anrollen.

    Ich sage nur: Den neuen Neo-Sozialismus in seinem Lauf hält werder Ochs noch Esel auf!

    10:34 Uhr, 16.06.2017
  • P_44
    P_44

    Die SPD wähle ich nicht mehr. Nach dem, was die sich in Berlin mit den neuen Gesetzen zur Zwischenvermietung von Wohnungen geleistet haben!

    09:14 Uhr, 16.06.2017
  • Denken
    Denken

    Normenkontrollrat zerpflückt geplantes Netzwerkdurchsetzungsgesetz

    heise online

    15.06.2017 15:50

    https://www.heise.de/newsticker/meldung/Normenkont...

    Wer sie noch wählt, kann sich gleich dem SED Staat hingeben, prost

    09:09 Uhr, 16.06.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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