Kommentar
09:23 Uhr, 07.09.2018

Früher war alles besser!

Die Fakten sagen zwar etwas anderes, doch was nützen Fakten, wenn jeder glaubt, dass die Welt schlechter wird?

Es gibt viele Varianten, wie man messen kann, ob etwas besser oder schlechter wird. Eine Möglichkeit der Messung ist die Bestimmung der Armut. Extreme Armut geht weltweit seit Jahrhunderten zurück (Grafik 1).

Trotzdem glaubt kaum jemand daran, dass die Welt besser wird (Grafik 2).

In China gehen immerhin über 40 % der Bevölkerung davon aus, dass die Zukunft besser wird, nicht nur daheim, sondern für die ganze Welt. Je reicher ein Land ist, desto pessimistischer ist es. In den meisten europäischen Ländern und den USA lässt sich der Anteil derer, die für die Welt eine bessere Zukunft sehen, kaum messen.

Das ist merkwürdig. Bei der Umfrage wurde explizit nach einer Verbesserung für die Welt gefragt, also nicht danach, wie es für einen selbst oder das eigene Land aussieht. Je ärmer ein Land ist, desto optimistischer ist es. Vielleicht liegt es daran, dass dort viele Dinge sichtbar sind. Die extreme Armut geht fühlbar zurück. Ebenso die Kindersterblichkeit usw.

Obwohl viele Dinge messbar besser werden, ist man vor allem in reichen Ländern pessimistisch. In ärmeren Ländern geht man dennoch stärker davon aus, dass Reiche generell bevorteil werden (Grafik 3). Die Wirtschaft wird als unfairer wahrgenommen und trotzdem gibt es den Glauben an eine Verbesserung.


Diese Wahrnehmung korreliert stark mit dem Wunsch einer starken politischen Führungsfigur (Grafik 4). In Deutschland ist man da zurückhaltend. Die Geschichte des Landes dürfte hier ausschlaggebend sein. Generell gilt aber: Je mehr die Bevölkerung glaubt, dass Reiche bevorteilt werden und dass die Welt nicht besser wird, desto eher wünscht man sich eine starke Führungspersönlichkeit.

Einer solchen Figur wird zugetraut, dass sie die Probleme löst – und die Probleme sind vielfältig. Insbesondere glaubt man in reichen Ländern an eine Verschlechterung der eigenen Lage (Grafik 5). In Japan gehen fast 3x so viele Menschen davon aus, dass es schlechter als besser wird. In Deutschland ist das Verhältnis ausgewogen. In den USA glauben noch mehr Menschen an eine Verbesserung.

Wirklich optimistisch sind wiederum fast nur ärmere Länder. Man kann nur spekulieren, woran das liegt. Sehr wahrscheinlich ist, dass man hier noch Fortschritt sieht. Der Lebensstandard steigt noch. In vielen Industrieländern geht nicht mehr viel vorwärts. Das schürt Frust.

Dieser Frust ist dabei selbstverstärkend. Medien und soziale Netzwerke verdienen vor allem dann Geld, wenn sie Verbraucher binden und einbinden können. Das gelingt dann, wenn man ihnen zeigt, was sie sehen wollen.

Ist jemand eher rechts oder links der Mitte, lernen das Netzwerke wie Facebook. Die Algorithmen zeigen vermehrt entsprechende Inhalte. Der Nutzer glaubt dann, dass die Welt wirklich so ist und wird bestärkt. Die Fronten verhärten sich.

Dieses Phänomen sehen wir nicht nur in den USA, sondern in vielen anderen westlichen Ländern. Die hohe Durchdringung von Netzwerken wie Facebook, Twitter usw. scheint mit der Unzufriedenheit zu korrelieren.

Das ist ein gigantisches Problem. Die Lösung des Problems (Pessimismus über die Zukunft) sehen viele in autoritären Führungsfiguren (Grafik 4). Erdogan, Trump, Orban usw. sind nicht ganz zufällig an die Macht gekommen. Probleme werden dadurch nicht gelöst. Die Polarisierung bleibt wie sie ist, wenn auch mit anderen Schwerpunkten.

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14 Kommentare

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  • Chronos
    Chronos

    Ein sehr polemischer Artikel, der eben nicht mit Fakten aufwartet.

    1) (Facts) Zeit lässt sich nicht zurückdrehen.

    2) Ist ein Faktor in Statistik:

    a) Die Gesamtbevölkerung steigt

    b) Die Anzahl der reichen Familien und Staaten bleibt konstant.

    Kindersterblichkeit ist hier ein gefährlicher statistischer Faktor, da politisch getrieben und eine steigende Alterszahl (und Armut) kaum automatisch mit einer höheren Lebensqualität zu verbinden ist. Im Alter sinken üblicherweise die Ansprüche.

    3) Fehlt Qualität. Ein Produktfaktor den die Industrie sehr gut umgesetzt hat (geplante Obsolenz und hedonistische Bewertungen).

    Rein rechnerisch steig das Angebot (die Produkte), die Nutzung ist lange gesättigt (Zeit), die Qualität sinkt.

    Bsp. TV-Programme, Medien, oder einfach die Artikel bei GT

    Es werden immer mehr, was nicht heißen soll sie werden besser oder sind gut.

    Für Unions-Bürger ist das mit einer Scheidungsrate von rund 65 %, die letzten 4 Dekaden schwer valide nachvollziehbar.

    In der Türkei würde ich meinen ist sehr vieles (wie in der Zone/DDR) besser geworden.

    Dort ist Facebook ebenfalls medial gesteuert, dafür Wikipedia verboten. -

    Für mich auch der falsche Ansatz, ist halt so.

    13:12 Uhr, 07.09.2018
  • Erdhexe
    Erdhexe

    Und genau da liegt Trumps Denkfehler, denn Amerika bestand schon immer aus einer Mischung aus verschiedenen Nationen. Trotzdem oder gerade DESHALB wurde das Land so erfolgreich. Verschiedene Denkweisen erzeugen verschiedene Ideen, Motivationen, Innovationen. Wie dort so schön gesagt wird: "Different people make the world go round". Ein abgeschiedenes Volk kommt wesentlich langsamer voran als ein weltoffenes. Auch wir in Deutschland waren noch nie homogen, auch wenn man es in den 1930igern versuchte, was zu einer der grausigsten Zeitepoche führte. So etwas will ich in "meinem Land" auf gar keinen Fall mehr haben! Von der großen Völkerwanderung bis in die heutige Zeit gab es schon immer Zu-und Abwanderungen und das ist auch gut so. Nur so kann ein Land und eine Wirtschaft wachsen.

    13:05 Uhr, 07.09.2018
    2 Antworten anzeigen
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Früher war auch wirklich vieles besser - ganz einfach, weil sich nicht alles an wirtschaftlichem Wohlstand messen und bemessen lässt.

    Früher hatten wir - wie Trump es gesagt hat - ein eigenes Land - heute haben wir hier zu viele kultur- oder bildungsfremde Menschen.

    Früher waren die Sozialsystem in Ordnung, die Gesellschaft war nicht so zerrissen (multikulti), der Begriff der Nation war noch wertgeschätzt, die Finanzeliten hatten sich nicht über oder außerhalb des Rechts gestellt und und und

    Ja, ich finde früher war das meiste besser als heute!

    12:47 Uhr, 07.09.2018
  • Erdhexe
    Erdhexe

    Ein sehr guter Artikel, Herr Schmale! Dem kann ich nur zustimmen. Man vergißt all zu leicht, wie miserabel manchmal die Zustände früher einmal waren, besonders im Gegensatz zu heute. Es gäbe noch viel zu tun, aber wir sind schon weit gekommen. Ich möchte nur hinzufügen, dass der Frust in der westlichen Welt wohl auch damit zu tun hat, dass ein gewisser Kaufzwang geschürt wird, dem man kaum entgehen kann, ohne seinen Status zu verlieren. Das fängt schon in der Schule an. Man wird zum Außenseiter, wenn man dieses oder jenes einer bestimmten Marke nicht hat. Um den Rang nicht zu verlieren, muß man entweder mehr und mehr Geld verdienen oder Schulden machen. Das steigert den Frust und die Unzufriedenheit. In den ärmeren Ländern ist dieses "Haben muß"-Verhalten noch nicht so stark ausgeprägt, oder wird auf andere Weise ausgelebt. Es gibt inzwischen Menschen in der westlichen Welt, die versuchen, sich davon zu befreien. Im sogenannten Minimalisum als Lebensstil, der, soweit ich weiß, sogar aus Japan kommt, wird bewußt auf alles, was man nicht unbedingt zum Leben benötigt, verzichtet. Früher ging man ins Kloster, um sich den Zwängen der (Um)Welt zu entsagen, heute folgt man Trends. :-) Merkwürdigerweise sind aber genau diese Menschen positiver für die Zukunft eingestellt. Zufall?

    10:00 Uhr, 07.09.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Ulrike69
    Ulrike69

    Deutschland hat sich abgeschafft!

    09:36 Uhr, 07.09.2018
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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