Kommentar
06:15 Uhr, 29.01.2016

Freitag mit Schockpotenzial!

Heute hat die japanische Notenbank mit der Einführung von Negativzinsen die Märkte in Feierlaune versetzt. Nichtsdestotrotz sollten Anleger unbedingt die Veröffentlichung des US Wachstums am frühen Nachmittag auf der Agenda haben. Die Zahlen können den Markt schocken.

Japan führt Negativzinsen ein

Der Januar hatte es wirklich in sich. Viele Börsen weltweit starteten das Jahr so schlecht wie nie. Auf dem Ölmarkt herrschte blanke Panik. EZB-Präsident Draghi konnte mit der Aussicht auf weitere Lockerung im März die Märkte etwas beruhigen. Ebenso kann dies die japanische Notenbank tun. Doch all diese Bemühungen sind wenig wert, wenn am Freitag die US Wachstumszahlen für das vierte Quartal 2015 veröffentlicht werden.

Anleger treibt nicht nur die Angst um China und den Ölpreis um, sondern auch die wirtschaftliche Perspektive der USA. Es schleichen sich Befürchtungen ein, dass sich die US Wirtschaft abkühlen könnte. Was dann? Die Notenbank hat gerade erst die Zinsen erhöht. Selbst wenn sie zurückrudert, kann das die Wirtschaft kaum stützen, denn ob die Zinsen bei 0-0,25 % oder 0,25-0,5 % stehen, ist kaum relevant.

Die Angst, dass sich die US Konjunktur abkühlt und die Notenbank dagegen machtlos ist, stellt die Befürchtungen um China noch in den Schatten. Diese Ängste können am Freitag mit der Veröffentlichung der Daten zerstreut oder befeuert werden. Viele Analysten erwarten eine leichte Abkühlung des Wachstums, doch die Streuung der Schätzungen ist enorm.

Im Mittel schätzen die vom Wall Street Journal befragten Ökonomen das Wachstum im vierten Quartal auf 1,4 %. Die Schätzungen reichen insgesamt jedoch von 0,1 % bis 3,6 %. Das Conference Board sieht eine Wachstumsrate von 1,1 %. Das Vorhersagemodell der Notenbank von Atlanta zeigt einen Wert von 1 %. Andere Modelle weisen eher auf ein Wachstum von über 1,5 % hin. Mit anderen Worten: es kann im Prinzip alles passieren.

Der Konsens aller Prognosen liegt bei ca. 1 %. Keine einzige Prognose geht von einer Kontraktion aus. Die Streuung nach oben für positive Wachstumswerte ist sehr hoch. Das Überraschungspotenzial bei hohem Wachstum ist bis zu einem gewissen Grad bekannt. Auf der Unterseite wird eine Kontraktion kategorisch ausgeschlossen. Ein solches Szenario gar nicht auf dem Radar zu haben ist problematisch. Der Schock wäre groß.

Persönlich gehe ich nicht von einer negativen Wachstumsrate aus. Dennoch ist die US Wirtschaft in den letzten Jahren alles andere als zuverlässig gewachsen. Grafik 1 zeigt die vierteljährliche Entwicklung seit 2011. Das Wachstum ist hochvolatil. Zudem hat es sich in relativ klaren Zyklen bewegt. Von 2011 bis Ende 2012 gab es eine Verlangsamung, die von einer Beschleunigung des Wachstums über ein Jahr lang abgelöst wurde. Danach kam ein negatives Quartal, wiederum gefolgt von einer Beschleunigung. Daraufhin folgte ein Abwärtstrend. Der Rebound im zweiten Quartal 2015 war weniger dynamisch als in den vorherigen Zyklen. Ebenso kann der aktuelle Abschwung das Wachstum bereits wieder Richtung 0 % drücken. Das erste Quartal eines jeden Jahres ist aus saisonalen Gesichtspunkten besonders schwach. Das sind keine guten Voraussetzungen.

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, was Ende 2015 und Anfang 2016 geschehen wird, lohnt ein Blick auf die einzelnen Sektoren und welchen Beitrag sie zum Wachstum leisten. Grafik 2 zeigt die Wachstumsbeiträge für die wichtigsten Sektoren der US Wirtschaft. Der ganze Rohstoffsektor (Mining) lieferte zuletzt negative Beiträge. Das sollte sich angesichts der weiter sinkenden Rohstoffpreise fortsetzen.
Handel und Transport sind wichtige Wachstumstreiber. Von den Einzelhandelsumsätzen Ende 2015 wissen wir jedoch, dass der Beitrag zum Wachstum bestenfalls nur knapp positiv sein wird. Aus der Landwirtschaft kam im dritten Quartal 2015 ein hoher Wachstumsbeitrag. Dieser wird sich nicht wiederholen. Das liegt einerseits an den Preisen, andererseits an ungünstigem Wetter zu Jahresende. Der Beitrag wird vermutlich negativ sein.
Die Bauindustrie dürfte nach wie vor das Wachstum stützen. Das milde Wetter Ende des letzten Jahres begünstigt dies. Anfang 2016 sieht das anders aus. Das Wetter hat gedreht und ein Kälteeinbruch wird vermutlich zu einem negativen Wachstumsbeitrag führen. Das produzierende Gewerbe wiederum hat sich trotz Dollaraufwertung gut halten können. Angesichts globaler Unsicherheit und zunehmender Konkurrenz aus China (dank Yuan Abwertung) wird das produzierende Gewerbe kaum sensationelles Wachstum ausweisen. Die Einkaufsmanagerindizes deuten eine Stagnation an. Die gerade veröffentlichten Daten zum Auftragseingang langlebiger Wirtschaftsgüter (-5,1 % gegenüber dem Vormonat) deuten sogar auf eine klare Kontraktion hin.

Kurz gesagt: jeder einzelne Sektor hat so seine Probleme und positive Wachstumsbeiträge sind schwer zu finden. Die negativen Beiträge scheinen zu überwiegen. Dazu zählen vor allem das Gewerbe, die Landwirtschaft und der Rohstoffsektor. Die gute Nachricht: die drei Problemsektoren tragen weniger als 15 % zum Bruttoinlandsprodukt bei (Grafik 3).
Wesentliche Treiber des Wachstums sind die Finanzindustrie mit einem Anteil von über 20 % sowie Professional/Business Services (z.B. Anwälte, Notare) mit über 12 % Anteil. Vor allem diese zwei Sektoren dürften das Wachstum stützen. Unterm Strich ist die Erwartung eines Wachstums von 0,5-0,8 % realistisch, aber wehe, dieser Wert wird unterboten oder das Wachstum ist gar negativ. Dann können wir uns auf etwas gefasst machen. EZB und die japanische Notenbank dürften gegen die Angst einer Rezession in den USA absolut machtlos sein.

Es ist ein unwahrscheinliches Szenario. Im Idealfall ist das Wachstum solide und kann die Sorgen der Anleger zerstreuen. Das begünstigt ein baldiges Ende der Korrektur. Eine negative Überraschung wird zu einem neuen Abverkauf führen, der an die Kursverluste zu Jahresbeginn anschließen wird.

Lernen, traden, gewinnen

– bei Deutschlands größtem edukativen Börsenspiel Trading Masters kannst du dein Börsenwissen spielerisch ausbauen, von professionellen Tradern lernen und ganz nebenbei zahlreiche Preise gewinnen. Stelle deine Trading-Fähigkeiten unter Beweis und sichere dir die Chance auf über 400 exklusive Gewinne!

Jetzt kostenlos teilnehmen!

7 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Morningstar
    Morningstar

    Gewinnmitnahmen in Bonds gibt es offensichtlich nicht mehr, es wird gekauft was die Buxe hergibt. Warum machen wir uns eigentlich die Mühe so etwas wie Rentenmärkte noch zu führen? Die Notenbanken kaufen im Endeffekt alles auf. Ein Bondpreis der noch so etwas reflektiert, wie Risiko und Bonität der Schuldner gibt es eh nicht mehr. Machen wir es doch wie in Japan, der Staat emittiert und bucht es gleich an die BoJ durch. 5y Bobl nochmal fester heute...unfassbar, trotz Negativrendite immer noch fest. Mir fehlen Verständnis und Worte.

    17:22 Uhr, 29.01.2016
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Sollten die BIP-Zahlen schwach ausfallen, dürfte dieser ganze Irrsinn völlig aus dem Ruder laufen. Denn dann wird (muss) die Fed in absehbarer Zukunft QE4 in Aussicht stellen.

    Dann sollten immer mehr Zeitgenossen erkennen, welche grandiose Luftnummer hier seit Jahren aufgeführt wird.

    11:16 Uhr, 29.01.2016
  • whynot
    whynot

    es bleibt auch abzuwarten, ob die Aktienmärkte wie bislang reflexmäßig auf zinssenkungen mit steigenden Kursen registrieren werden oder ob nun eher Nervosität geschürt wird. Was dann, wenn selbst zinssenkungen ein Absturz der Märkte nicht mehr verhindern kann?

    08:50 Uhr, 29.01.2016
  • whynot
    whynot

    da hat wohl gestern jemand meinen Kommentar gelesen :-)

    08:41 Uhr, 29.01.2016
  • Morningstar
    Morningstar

    Es wird doch schon längst mit einer Rezession gerechnet. Jetzt passiert genau das was unabhängige Ökonomen prognostiziert haben. Die Notenbanken haben ihr Pulver längst verschossen. Alle Massnahmen die jetzt noch kommen tragen nicht mehr zu einer Stimulierung dabei, Die europäischen Wachstumsraten müssten bei diesen Rahmenbedingungen, a) niedriger Euro, b) kollabierende Rohstoffe, c) nicht mehr vorhandene Zinsen, durch die Decke denken. Stattdessen vernachlässigbare Ergebnisse. Mal sehen ob die EZB die gesamte deutsche Zinsstrukturkurve unter 0 drücken kann. Die 10j Anleihen sind die nächsten, die durch den Boden fallen. Dann dürfen wir gespannt sein, wann die ersten Pensionskassen und LV die Segel streichen. Wiederanlage? Zinseszinseffekt?

    08:29 Uhr, 29.01.2016
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Der Konsens in Bloomberg ist bei 0,8 % - keine Ahnung was sie sich so anschauen, aber die Profis schauen sich genau das an und nichts anderes

    07:50 Uhr, 29.01.2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Zumal ja die ausgezahlten Dividenden bei den wenigen Kurstreibern durch massive Aktienrueckkaeufe praktisch ein Nullsummenspiel sind , da ja an sich selbst bezahlt wird. Das sollte man bedenken. Klar kann ich super an mich selbst Dividenden zahlen.

    07:01 Uhr, 29.01.2016

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten