Kommentar
16:07 Uhr, 17.03.2014

Frankreich und Irland: Vor dem entscheidenden Spiel am Wochenende lohnt sich ein Blick auf den wirtschaftlichen Punktestand

Am kommenden Wochenende geht das „Six Nations“-Rugby-Turnier zu Ende, und noch haben drei Mannschaften Chancen auf den Gesamtsieg. Das entscheidende Spiel wird dabei wohl die Partie zwischen Frankreich und Irland sein, weil im Falle eines französischen Siegs entweder Frankreich oder England den Pokal mit nach Hause nehmen könnten. Natürlich muss England zunächst noch die Italiener vor deren heimischer Kulisse in Rom schlagen. Sollte Irland das Spiel jedoch für sich entscheiden, würde der Rekord-Kapitän der „boys in green“, Brian O’Driscoll, zum krönenden Abschluss seiner Karriere mit der Trophäe nach Dublin zurückkehren.

Im Sinne dieses sportlichen Wettstreits möchten wir nachfolgend einmal einen Blick auf den wirtschaftlichen Punktestand Frankreichs und Irlands werfen. Liefert uns dieser vielleicht einen Hinweis darauf, wer am Samstag als Sieger vom Platz gehen wird?

Runde 1: Reales Bruttoinlandsprodukt pro Kopf

Obwohl die Wirtschaftsleistung Irlands zwischen 2007 und 2010 deutlich nachgelassen hat, ist das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf immer noch etwa 6.000 Euro höher als in Frankreich. Prognosen des IWF deuten darauf hin, dass das irische Pro-Kopf-BIP im Jahr 2018 bei etwa 38.000 Euro liegen wird, während es in Frankreich rund 30.000 Euro betragen dürfte. Gleichzeitig sprechen die Schätzungen des IWF dafür, dass die Effizienz und die Produktivität der irischen Arbeiterschaft in den nächsten Jahren höher bleiben werden als die ihrer französischen Kollegen. Mit Blick auf die Eurozone insgesamt liegt Irland unter Berücksichtigung dieser Kennzahl derzeit auf dem zweiten Platz hinter Luxemburg, während Frankreich den siebten Rangeinnimmt.

Dieser Punkt geht also eindeutig an Irland.

Runde 2: Arbeitslosenquote

Berücksichtigt man die jüngsten Trends, so scheinen sich die Arbeitslosenquoten Frankreichs und Irlands derzeit einander anzunähern. In Irland ist die Arbeitslosigkeit von ihrem Höchststand von 15,1 Prozent aus dem Januar 2012 innerhalb von nur zwei Jahren auf 11,9 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum ist die Arbeitslosenquote in Frankreich von vormals 9,9 auf 10,9 Prozent angestiegen. In dieser Verschlechterung der Lage am französischen Arbeitsmarkt spiegelt sich auch das dort insgesamt stagnierende Wirtschaftswachstum wider. In den letzten Monaten hat sich die französische Regierung jedoch bemüht, das Problem des schwächelnden Arbeitsmarktes in den Griff zu bekommen. Zu diesem Zweck sind bereits aktive Strategien zur Förderung der Beschäftigung wie beispielsweise Förderverträge und Weiterbildungsmöglichkeiten für Arbeitslose umgesetzt worden.

Obwohl die Arbeitslosigkeit in Irland zuletzt zurückgegangen ist, während sie in Frankreich zugelegt hat, geht die zweite Runde also an Frankreich, weil die Arbeitslosenquote dort immer noch 1 Prozent niedriger ist als in Irland. Sollte es Frankreich aber nicht gelingen, sein Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln, besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Arbeitslosenquote Irlands in 12 Monaten unter der Frankreichs liegt. Doch fürs Erste hat Frankreich noch die Nase vorn.

Runde 3: Sparrate der Privathaushalte

In den letzten 10 Jahren haben die französischen Privathaushalte stets zwischen 15 und 16 Prozent ihrer verfügbaren Bruttoeinkommen auf die „hohe Kante“ gelegt. Dies deutet darauf hin, dass die französischen Verbraucher durchaus noch über ein gewisses Potenzial verfügen, die Konjunktur anzukurbeln, falls sich das Konsumklima wieder verbessern sollte. In Irland ist die Sparrate der Privathaushalte hingegen recht ausgeprägten Schwankungen unterworfen, denn sie fällt und steigt – was angesichts der Besorgnisse um die wirtschaftlichen Aussichten Irlands aber auch nicht anders zu erwarten war. Zuletzt haben die irischen Privathaushalte jedoch wieder mehr Geld ausgegeben und damit die Konjunkturerholung gestützt. Da dieser Rückgang der irischen Sparrate kurzfristig auf ein kräftigeres Wirtschaftswachstum in diesem Land hindeutet, fällt uns die Entscheidung in diesem Punkt ziemlich schwer. Aufgrund der Möglichkeiten der französischen Verbraucher, zukünftig einen größeren Teil ihrer Ersparnisse für den Konsum auszugeben, entscheidet Frankreich diese Runde aber letztlich für sich.

Runde 4: Prozentualer Anteil der Bevölkerung mit Hochschulabschluss

Seit 2004 ist der Anteil der Bevölkerung mit Universitätsabschluss in Irland deutlich von 24,9 auf nunmehr 35,9 Prozent angestiegen. In Frankreich ist dieser Prozentsatz zwar auch nach oben geklettert, allerdings nicht in demselben Maße. So lag der Bevölkerungsanteil mit einem Hochschulabschluss im Jahr 2013 in Frankreich bei 28,7 Prozent. Im Hinblick auf diese entscheidende Kennzahl ist Irland innerhalb der EU führend, während Frankreich lediglich auf Platz 12 liegt. Es ist relativ unstrittig, dass der Faktor Universitätsbildung für die konjunkturelle Wettbewerbsfähigkeit eines Landes entscheidend ist, weil die Weltwirtschaft in zunehmendem Maße durch Wissen bestimmt wird. So haben die gut ausgebildeten irischen Arbeitskräfte zweifellos dazu beigetragen, dass sich die Wirtschaft dieses Landes nach der Finanzkrise wieder erholen konnte. Außerdem ist es für die westlichen Industriestaaten zuletzt immer schwieriger geworden, bei der Produktion von Gütern mit den Schwellenländern zu konkurrieren. Deshalb sind flexible, gut ausgebildete und wettbewerbsfähige Arbeitskräfte in unserer globalisierten Welt unverzichtbar.

So erinnern die irischen Arbeitskräfte an einen Flügelstürmer, während der Rugby-Kenner bei ihren französischen Pendants wohl eher die Position des so genannten „Pfeilers“ („Prop Forward“) im Kopf hat. Damit geht diese Runde an Irland.

Die Betrachtung von Kennzahlen wie dem realen BIP pro Kopf, der Arbeitslosenquote, der Sparrate der Privathaushalte und dem Bildungsniveau der Arbeitskräfte in Irland und Frankreich ist durchaus interessant. Denn offenbar ist Irland derzeit sehr gut aufgestellt, um mittelfristig ein positives Wirtschaftswachstum vorlegen zu können. Demnach lassen sich die europäischen Volkswirtschaften wohl nicht mehr in „Kernstaaten“ einerseits und „Peripherieländer“ (oder noch schlimmer – „PIIGS-Staaten“) unterteilen, denn die „Peripherieländer“ haben inzwischen eine Vielzahl entscheidender Maßnahmen in Form einer internen Abwertung und niedrigerer Löhne ergriffen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Gleichzeitig haben die höheren Exporte in den letzten Jahren auch zu einer Verbesserung der Leistungsbilanzen geführt. Im Gegensatz dazu wirkt die französische Wirtschaft mittlerweile recht schwerfällig. Belastet wird sie dabei durch einen vergleichsweise unflexiblen und starren Arbeitsmarkt. Aus diesem Grund fällt es den Franzosen in unserer globalisierten Welt schwer, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern (wie wir hier bereits erläutert hatten).

Letzte Runde: Rugby-Statistiken

Nach dem wirtschaftlichen Vergleich steht also ein 2:2 Unentschieden auf der Anzeigetafel. Deshalb konzentrieren wir uns in der letzte Runde auf die Rugby-Ergebnisse. Sehr zum Leidwesen der Franzosen liegt das irische Rugby-Team bei 16 von 20 entscheidenden Rugby-Statistiken vorn. Dazu zählen beispielsweise die Gesamtpunktzahl, die eroberten Meter sowie die gewonnenen Line-Outs. Allerdings spielt Frankreich vor heimischer Kulisse, was ein großer Vorteil ist. Demgegenüber steht aber die Emotionalität der irischen Mannschaft, denn schließlich handelt es sich bei dieser Partie um das Abschiedsspiel von Brian O’Driscoll.

Damit gewinnt Irland im wirtschaftlichen und rugby-technischen Vergleich mit 3:2 gegen Frankreich. Abgesehen davon würde aber nur ein wirklich mutiger Experte die Franzosen komplett abschreiben. Schließlich haben „Les Bleus“ die Angewohnheit, alle ihre Kräfte zu mobilisieren, wenn es wirklich darauf ankommt. Und falls Sie mir nicht glauben, fragen Sie doch einfach einen Neuseeländer.

Autor: Anthony Doyle, Investment Director im Fixed Income Team bei M&G Investments

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