Kommentar
19:00 Uhr, 08.05.2020

Folgt der Coronakrise eine politische Krise?

Schon jetzt ist klar, dass es nach der Coronakrise eine Aufarbeitung der Ereignisse braucht. Eine politische Krise ist nicht auszuschließen.

Politische Krisen entstehen, wenn Bürger unzufrieden sind. Sie sind selten unzufrieden, wenn es ausreichend Jobs, einen steigenden Lebensstandard und ausreichend Gerechtigkeit gibt. Jede Wirtschaftskrise birgt daher die Möglichkeit einer großen politischen Umwälzung. Und wenn die Coronakrise keine der größten Wirtschaftskrisen ist, dann weiß ich auch nicht...Zuallererst wird die Frage im Zentrum stehen, ob der Lockdown wirklich notwendig war. Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Die Infektionsraten waren in vielen Ländern höher als z.B. in Schweden, das keinen strengen Lockdown durchgeführt hat. Stattdessen wurde mehr auf die Selbstverantwortung der Bürger gesetzt. Man traute der Bevölkerung zu, selbst vernünftig genug zu sein...

Die Infektionsrate ist in Schweden nach wie vor hoch, aber auch nicht höher als die in Deutschland zur Zeit des Peaks war (Grafik 1). In Italien und den USA war bzw. ist die Infektionsrate höher. Länder, die einen strengen Lockdown durchgeführt haben, zeigen einen ähnlichen Verlauf. Erst kam es zu einem starken Anstieg der Infektionsrate, ein Peak bildete sich aus und es folgte ein langsamer Rückgang der Infektionen.


In Schweden bleibt der Peak und der Rückgang bisher aus. Dadurch dürfte es am Ende mehr Todesopfer in Schweden geben als in anderen Ländern. Es kommt aber immer auf das Vergleichsland an. Vergleicht man Schweden mit Italien, ist ein schlechteres Abschneiden Schwedens unwahrscheinlich. Vergleicht man es mit Deutschland, kommt Schweden nicht gut weg (Grafik 2).

Die wirtschaftlichen Kosten sind in allen Ländern groß. In Schweden dürften sie am Ende jedoch geringer ausfallen. In Deutschland ging der Einzelhandelsumsatz im März fast zweistellig zurück. In Schweden waren es 1,7 %. Auch Schweden hat eine Wirtschaftskrise, aber sie ist weniger stark ausgeprägt.

Es geht aber um sehr viel mehr als nur die Kosten, seien es die wirtschaftlichen oder menschlichen Kosten. Es geht auch darum, wie stark der Staat eingreifen darf und soll. Dürfen die Freiheitsrechte so stark eingeschränkt werden, wenn das Resultat dadurch kaum besser ist als in Schweden?

Die Frage ist schwer zu beantworten. Zu Beginn der Krise wusste man wenig über das Virus. Es wäre ein enormes Risiko gewesen, den Dingen ihren freien Lauf zu lassen. Man stelle sich nur vor, die Todesraten wären zehnmal höher gewesen. Ohne das zu wissen ist man lieber vorsichtiger.

Dennoch dürfte sich die Idee durchsetzen, dass so strenge Maßnahmen selbst bei einer zweiten Welle nicht sinnvoll sind. Immer mehr Länder lassen zwischen den Zeilen durchblicken, dass es einen zweiten Lockdown nicht geben wird. Dadurch lässt sich vermutlich auch eine weitreichende politische Krise verhindern, zumindest in den Ländern, die fiskalisch ausreichend Spielraum haben.

In Ländern, in denen die Arbeitslosigkeit vermutlich jahrelang hoch bleiben wird, könnte das anders sein. Zu diesen Ländern zählen Italien und Spanien. Die Eurokrise könnte sich wiederholen. In einem Großteil der Länder ist jedoch mit keiner politischen Krise zu rechnen. Bedingung ist, dass der begonnene Weg der Normalisierung nicht unterbrochen wird.

Clemens Schmale


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6 Kommentare

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  • TitusvonBuch
    TitusvonBuch

    In Schweden wird seit Jahren Vitamin D supplementiert, daher die geringeren Infektionen. Jetzt will Madama Glöckner über die EU den freien Verkauf von Vitamin D-Präparaten verbieten lassen. ein Schelm, de Böses dabei denkt.

    11:30 Uhr, 09.05. 2020
  • nashorn
    nashorn

    Ich denke insgesamt gesehen scheint der Schweden-Weg oder ein ähnlicher ziemlich vernünftig zu sein. Es gibt schließlich auch noch jede Menge anderer Krankheiten, an denen man auch sterben kann bzw. gerade jetzt stirbt und welche man theoretisch auch alle stark reduzieren könnte, wenn man permanent diese oder jene Zwangsmaßnahmen ergreifen würde ...

    Die Corona-Dinge (Schätzwettbieten möglichst großer Sterbezahlen durch diese oder jene Medizin-Uni, äußerst einheitliches Medienverhalten und der wirtschaftlich und geldpolitisch desaströse Lockdown-Zwang der Regierungen) werden mM politisch kaum bzw. höchstens feigenblatt-mäßig aufgearbeitet werden, sicher auch in den Medien nicht, davon sollte man ausgehen. Verantwortliche Politiker ,Mediziner ,Medienleute werden definitiv alle Schuld von sich weisen allein mit den Worten "... es hätte ja viel schlimmer werden können ... " und " ... jeder Tote ist einer zuviel ..." - Und da es eigentlich immer schlimmer werden kann als man glaubt, kann und darf dem eigentlich niemand widersprechen ..

    Damit man die Lockdowns jedoch irgendwann bzw. sehr bald wieder abschaffen kann muss als erstes eine Tracking-Überwachungs-App her (Google und Apple wollen das Grundgerüst dafür noch im Mai fertig stellen). Damit diese App einen Sinn für die Regierungen hat, wird diese in der Geschäftswelt wohl ein wenig "zwingend" zu verwenden sein ... denn nur so kann man schnell Infektionsherde entdecken bzw. ausmerzen, egal wo diese auftreten, so sicher die dann öffentlich gemachten Überlegungen der "Verantwortlichen" ..

    Damit dann irgendwann diese ziemlich verpflichtende und auch ziemlich an Chinas Nicht-Demokratie erinnernde Tracking-App wieder wegkommt (falls überhaupt), muss natürlich relativ bald eine Impfung her ... Diese "Welt-Impfung" dürfte dann auch ziemlich sicher - mindestens - mit starkem moralischen Druck und somit defacto-Zwang unserer Medien, Mediziner und Politiker verbunden sein ...

    Ja, so stelle ich mir das ungefähr vor ... ich kann mich aber auch irren ..

    Übrigens: mit der notenbankgeld-gefluteten Börse haben meine o.a. Überlegungen wahrscheinlich wenig zu tun, denn ich denke, wir befinden uns schon mitten in einer neuen Hausse mit neuen und auch alten Favoriten.

    Fünf Hausse-Gründe:

    1. Wie bei jeder "normalen Grippe" (aber was ist schon normal .. ) dürfte auch dieser Virus bei höheren Temperaturen sehr schnell seinen Schrecken verlieren, ziemlich sicher auch ganz ohne Masken oder Lockdowns .. das Händewaschen bleibt aber hoffentlich in die Gehirne eingeprägt, denn wer weiß, wo die Leute den ganzen langen Tag so hingreifen ..

    2. Disruption wird durch Corona nur noch schneller vorangetrieben

    3. Notenbankgeld in extremer Dimension

    4. Staatshilfen in extremer Dimension (da wird sicher auch einiges in Klimaschutzsachen umgelenkt werden ... ist ja auch eine andere Art von Weltverbundenheitsthema)

    5. US-Präsidentschaftswahl im November (gewichte ich fast am stärksten)

    Rückschläge werden jedoch kommen.

    An der Nasdaq sehe ich aber ziemlich sicher keine neuen Tiefst mehr ..

    20:00 Uhr, 08.05. 2020
    2 Antworten anzeigen
  • Tüskendör
    Tüskendör

    Richtig. Das Modell Schweden hätte für Deutschland weniger "gut" funktioniert und es kommt der Zeitfaktor hinzu: Schweden hatte nach dem Ausbruch in Norditalien 2-3 Wochen mehr "Zeit", um eine Strategie zu wählen, als es z.B. die DACH-Staaten hatten. Ich urteile nicht über "richtig" und "falsch", ich denke D hat gut reagiert. Schweden möglicherweise auch - sie könnten ggf. in einer "2. Welle" oder im kommenden Winter relativ profitieren. Time will tell.

    Ich glaube auch nicht, dass die Kanzlerin an Macht eingebüßt hat. Die CDU/CSU bringt sich m.E. hochgradig geschickt in Stellung: Versagen die Lockerungen wird's Söder, anderenfalls ggf. der Armin; kommt es Corona-technisch noch mal "ganz Dicke" machts Frau Merkel noch einmal... Schwarz hat für jeden Fall ein Eisen im Feuer.

    Auch das Ausnutzen des Subsidiaritätsprinzip ist schlau und vermutlich auch angemessen: Die kleinste Einheit, die in der Lage ist etwas zu regeln, soll es tun....

    Das zieht den Aluhutträgern, Verschwörungs-Herbeiwünschern und anderen Populisten etwas den Zahn. Ab einem kritischen Moment zerlegen sie sich selbst, weil Ihre Gemeinsamkeit ("alles Scheiße") durch "es war der Gates, die Juden, G5, die Chinesen, etc" sich untereinander trefflich zerreibt.

    Die meisten Virologen-Experten haben offensichtlich noch Angst/größte Sorge. Ist verständlich - sie dürfen auf der "Sicherheit-zuerst-Seite" nicht versemmeln....

    Ich bin kein Virologe, aber etwas "Experte" für Ausbreitungsrechnungen und darauf basierende Modell-Prognosen, ich kann mir vorstellen, wie die Modelle derzeit aussehen..... und habe insoweit auch "Angst". Ich persönlich gehe davon aus (etwa 70:30), dass die Lindners, Laschets und Co. in ein paar Monaten nicht mehr wirklich glücklich über ihre Positionierung und ihre eigenen Äußerungen sein werden…. time will tell.

    19:48 Uhr, 08.05. 2020
  • Soul Food
    Soul Food

    Man darf auch nicht vergessen, Schweden hat insgesamt weniger Einwohner alsz. B. Bayern! Deshalb ist es für mich nicht stimmig, dass immer Schweden als Vergleich herangezogen wird. Wäre Schweden so dicht besiedelt wie Deutschland, würde das ganz anders aussehen und die Tragödie, wenn man nur auf die Selbstverantwortlichkeit der Menschen setzt, würde offensichtlich werden.

    19:11 Uhr, 08.05. 2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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