Kommentar
17:14 Uhr, 13.06.2016

Folgt auf die Globalisierung jetzt der Protektionismus?

Für Globalisierungsgegner sind die internationalen Verflechtungen ein Problem. Die meisten Ökonomen sehen die Globalisierung als Allheilmittel. Was auch immer zutreffen mag, die Globalisierung ist auf dem Rückzug.

Die Globalisierung hat viele Facetten. Am offensichtlichsten ist sie auf dem Kapitalmarkt. Kapital lässt sich international relativ schnell und problemlos bewegen. Reale Werte sind deutlich träger. Will ein Unternehmen die Produktion in einem anderen Land aufbauen, dann kann das Jahre dauern. Geht es nur darum Kapital zu bewegen, dann ist das eine Sache von Minuten.

Der internationale Kapitalmarkt bringt viele Vorteile. Entwicklungsländer leiden oft unter einer Kapitalknappheit. Der Preis von Geld ist höher (die Zinsen sind höher). Aus Ländern, in denen Geld zur Genüge vorhanden ist, fließt Geld in diese Länder, die höhere Renditen versprechen. Das hilft Investoren, die eine höhere Rendite wollen und den jeweiligen Ländern, da die Kapitalknappheit gelindert wird.

Für das globale Wachstum ist ein flexibler und funktionierender internationaler Kapitalmarkt extrem wichtig. Nun zeigt sich, dass die Funktionsfähigkeit rückläufig ist. Die grenzüberschreitende Kreditvergabe, die eine Möglichkeit darstellt, Geld von einem Land in ein anderes zu transferieren, ist auf dem Rückzug.

Grafik 1 zeigt die grenzüberschreitende Kreditvergabe. Vor der Finanzkrise verdoppelte sich das Volumen von 15 Billionen Dollar im Jahr 2005 auf 30 Billionen Dollar Ende 2007. Nach einer langen Seitwärtsbewegung nach der Finanzkrise ist die Kreditvergabe nun wieder deutlich rückläufig. Allein Ende 2015 sank das Volumen um ca. 600 Mrd. Dollar.

Die grenzüberschreitende Kreditvergabe beinhaltet Kredite von Finanzinstituten an Unternehmen, Verbraucher und Staaten, aber auch die Kreditvergabe von Banken untereinander. Egal, welchen dieser Bereiche man betrachtet, sie alle zeigen eine Kontraktion an. Unterm Strich bedeutet das: die globale Verfügbarkeit von Geld und Liquidität nimmt ab.

Kredit und Kapital sind die Schmiermittel des Wachstums. Geraten Finanzströme ins Stocken, dann hilft das der globalen Wirtschaft nicht. Wieso aber ist es überhaupt zu diesem Trend gekommen?

Viele Beobachter schreiben den Trend der neuen Regulierung zu. Die Regulierung ist deutlich strenger geworden. Neue Kapitalvorschriften machen es unattraktiver für Finanzinstitute sich global zu engagieren. Das zeigt sich nicht nur in rückläufiger Kreditvergabe, sondern auch daran, dass westliche Banken und Versicherungen nicht mehr ins Ausland expandieren. Viele Banken und Versicherungen verkaufen ihre Tochtergesellschaften in Entwicklungsländern.

Ein anderer Aspekt, der grenzüberschreitende Transaktionen hemmt, ist die globale Unsicherheit. Ein Viertel der Reduktion der Kreditvergabe im vierten Quartal 2015 geht auf die Situation in China zurück. Wegen der dortigen Turbulenzen halten sich Banken zurück und chinesische Unternehmen zahlten ihrerseits Kredite zurück, anstatt neue aufzunehmen. Lokale Unternehmen befürchteten eine Abwertung des Yuan gegenüber dem Dollar. Das hätte Fremdwährungskredite verteuert. Das Risiko wollte niemand eingehen. Die Kredite wurden zurückgezahlt.

Der global stockende Geldfluss ist kein Grund in Panik zu geraten. Der Trend lässt jedoch nicht darauf schließen, dass sich das weltweite Wachstum demnächst beschleunigen wird. Immerhin hat der Trend auch etwas Gutes: das Volumen an Fremdwährungskrediten steigt nicht mehr so rasant wie in den vergangenen Jahren (Grafik 2).


Explodierende Fremdwährungskredite haben Entwicklungsländer immer wieder in Bedrängnis gebracht. Sie verschuldeten sich in Dollar, weil die Zinsen niedrig waren. Das ging solange gut, solange die lokalen Währungen stabil blieben. Werteten sie ab, dann erhöhte sich der Schuldenberg auf einmal massiv. Das führte immer wieder zu Insolvenzen von Staaten und vielen Unternehmen.

Das globale Wachstum wird von einer stoppenden und teils rückläufigen Integration des Kapitalmarktes zweifelsohne gehemmt. Immerhin sind Entwicklungsländer heute – gemessen an Wirtschaftsleistung und Devisenreserven – weniger stark in Fremdwährungen verschuldet. Die Stabilität ist somit höher. Unterm Strich dürften die aktuellen Trends jedoch einen negativen Effekt haben.

Neben einer Disintegration des Finanzmarktes muss man sich inzwischen auch über ganz andere Vorgänge Gedanken machen. Die Rhetorik vieler Politiker wird schärfer. China nimmt das Wort "Handelskrieg" in den Mund, wenn es bis Jahresende von der EU nicht als Marktwirtschaft eingestuft wird. In dieser Rhetorik dürften sich China und der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump gut verstehen. Er schlägt ähnliche Töne an, allerdings gegenüber China. Vertrauen erweckt das nicht gerade. Die Disintegration des Finanzmarktes könnte von einer Flut des Protektionismus gefolgt werden. Dann dürften die derzeitigen Wachstumsraten plötzlich nicht mehr als niedrig, sondern hoch eingestuft werden. Weltweiter Protektionismus kann das Wachstum einbrechen lassen.

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1 Kommentar

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  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    ... Wachstum ist nicht alles ... !!! Dafür sollen wir nicht unsere Seele verkaufen ... - und insbesondere nicht TTIP abschließen ... - ein wenig mehr Protektionismus ist sehr gut ...

    18:24 Uhr, 13.06. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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