Kommentar
11:34 Uhr, 23.11.2017

Flugformation der Notenbanken – was Vögel mit Geldpolitikern gemeinsam haben

Die V-förmige Flugformation von Vögeln zeigt, dass sie schlauer sind als die Menschen zunächst annehmen. Eine unorganisierte Vogelschar würde zu viel Widerstand erzeugen, und das würde das Fliegen enorm erschweren.

Genau dieses Flugverhalten der Vögel dürfte eine passende Analogie für das Verhalten der Notenbanker weltweit sein, meint Jonathan Baltora, Manager des AXA WF Inflation Short Duration Bonds. Zwar würde sich die Konjunktur rund um den Globus in verschiedenen Geschwindigkeiten erholen – aber eine allein fliegende Zentralbank, die die Zinsen zu früh anheben würde, würde für die gesamte Weltwirtschaft einen großen Widerstand erzeugen.

Grundsätzlich stehen sich in den Notenbaken meist zwei gegensätzliche Lager gegenüber: Die Tauben und die Falken. Während die Tauben eine eher lockere Geldpolitik befürworten und eine höhere Inflationsrate tolerieren, setzen sich die Falken für eine restriktive Geldpolitik ein. Baltora geht davon aus, dass sich beide Lager abstimmen und den Ausstieg aus der superlockeren Geldpolitik vorsichtig gemeinsam koordinieren werden – ohne gefährliche Alleingänge.

Koordinierte Geldpolitik

„Es sieht so aus, als ob gerade etwas Synchronisiertes passiert. Wir befinden uns immer noch in einem Umfeld von Währungskriegen, in dem eine Notenbank allein nicht schneller als ihre Kollegen auf eine restriktivere Geldpolitik umschwenken wird. Denn das würde die Währung ihres Landes so stark aufwerten, dass die Wirtschaft in den folgenden Jahren deutlich weniger wettbewerbsfähig wäre“, sagt Baltora. „Straffung“ der Geldpolitik ist laut dem Experten nicht der richtige Begriff, da er impliziert, dass die Konjunktur abgekühlt werden müsse. Stattdessen ist Baltora der Meinung, dass die Fed Raum schafft für künftige geldpolitische Lockerungen; in Vorbereitung auf einen möglichen ökonomischen Schock.

„Die Inflation normalisiert sich, das ist unser wichtigster Punkt. Wenn wir nicht in eine Rezession rutschen, werden wir wahrscheinlich relativ stabile Rohstoffpreise haben, oder wenigstens nur Bewegungen, die nicht groß genug sind, um die Inflation signifikant anzuheizen“, ist Baltora überzeugt. Im Ergebnis werde die Inflationsrate sehr nah am Ziel der Notenbank bleiben. Das bedeutet: ein wenig über 2 Prozent in den USA und ein wenig unter 2 Prozent in der Eurozone.

Höheres Defizit, höhere Inflation

In Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten und schwächerer Währung könne die Inflationsrate etwas höher ausfallen. Das gelte für Großbritannien und die USA. Im Gegensatz dazu dürfte die Inflation in Ländern mit Leistungsbilanzüberschüssen – wie beispielsweise Japan und Deutschland – hinter dem Inflationsziel zurückbleiben. „Das sind die Gründe, weshalb wir – obwohl wir unsere Wachstumsvorhersagen nach oben korrigiert haben – relativ zurückhaltend bei unserer Inflationsprognose sind“, erklärt Baltora.

Die jüngste Vergangenheit zeige, dass die Zentralbanken das Risiko einer Straffung der Gelpolitik nicht auf sich nehme, so lange keine Inflation zu sehen sei. „Das ist der Punkt, an dem die US-Notenbank Fed und die Bank of Canada gerade sind. Sie können nicht in den Zyklus der Leitzinserhöhung eintreten, wenn die Inflation das Ziel noch nicht erreicht hat,“ sagt Baltora.

Verlorene Jahre vermeiden

„Jeder erinnert sich an das Trauma, dass die japanische Notenbank erlitten hat, weil sie die Zinsen zu früh erhöht hatte. Was folgte, war eine verlorene Dekade, die sich gerade in eine doppelte Dekade auswächst.“

Um in dieser Situation sicher zu navigieren, sollten Investoren hinter die herkömmlichen Prognosen zur Inflation schauen. Eine geeignete Kennziffer für Investoren sei die Breakeven-Inflationsrate. Sie zeige an, welche Inflationserwartungen der Marktteilnehmer bereits am Markt eingepreist sind.

Was bedeutet das für inflationsindexierte Anleihen?

Viele Anleger kauften inflationsindexierte Anleihen erst, wenn die Inflation bereits steigt, gibt Baltora zu Bedenken. „Aber oft ist es dann zu spät. Aktien kauft man ja auch am besten, wenn sie gerade preiswert sind“, sagt Baltora.

Interessant seien zurzeit Anleihen IM vorderen Teil der Zinskurve. Sie reagierten weniger sensibel auf Zinsänderungen, allein schon aufgrund der kürzeren Laufzeiten. Zudem seien die Breakeven-Raten niedriger. „Das macht sie preiswerter als Anleihen mit längerer Laufzeit – beim selben Level der Inflationsindexierung.

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